Also, ich bin evangelisch getauft und habe mir mit ca. 14 Jahren die Frage gestellt: "Gehst Du noch zum Gottesdienst, weil Du an Gott glaubst oder aus Gewohnheit?" Als ich mir die Frage nicht zufriedenstellend beantworten konnte, ging ich nicht mehr hin.
Trotzdem würde ich mich nicht als ungläubig oder als Atheisten bezeichnen. Ja, ich glaube, die Welt hat einen Schöpfer. Das Universum ist so vollkommen (vom Makrokosmus bis zum Mikrokosmus), dass der gesunde Menschenverstand keinen anderen Schluss zulässt. Ich glaube auch an die Unsterblichkeit der Seele.
Aber - und hier trennt sich das, was ich glaube, vom Christentum und von anderen großen Religionen - wenn es einen Schöpfer gibt (wovon ich überzeugt bin), dann sind wir die Pantoffeltierchen im Wasserglas und es ist völlig müßig und unsinnig, sich den vorzustellen zu wollen, der den Löffel umrührt. Alle Religionen folgen einem zutiefst menschlichen Instinkt: das Unfassbare auf menschliches Maß zurechtzustutzen. Daher die vielen Propheten (Jesus, Mohammed, Buddha, Krishna). Jeder Tempel, jeder Prophet, jedes Glaubensgebot und jede heilige Schrift künden von unserer menschlichen Fehlbarkeit und Endlichkeit angesichts des Unfassbaren, dass wir die Pantoffeltierchen sind in einem sinnverfassten Universum.
Dennoch, die zehn Gebote sind sinnvoll. Ich denke, etwas Göttliches steckt in jedem Menschen, sonst hätte er kein Unrechtsbewusstsein. Daher gibt es in allen zivilisierten Gesellschaften sinnvolle Tabus. Und die zehn Gebote sind uns als Kulturgut über viele Tausend Jahre überliefert worden. Ich denke, dass dies Gott ist, der Sinn dafür, was uns vor Selbstzerstörung bewahrt.
Ich glaube nicht an Jesus Christus, habe aber überhaupt kein Problem damit, eine christliche Messe zu besuchen. Das mache ich jedes Jahr zu Weihnachten.
Tul