Fassen wir nochmals zusammen, was wir bis heute über diesen jungen Menschen sagen können. Tim K. war laut Medienberichten ein scheinbar ganz normaler Jugendlicher, dabei variiert die Aussage von "ganz schüchtern und einzelgängerisch" bis "in der Klasse integriert, engagiert, nett aber still". Wie beinahe alle Jugendlichen spielte er Ballerspiele und war "scheinbar" fasziniert von Waffen. Ob Tim K. in psychiatrischer Behandlung war und wenn ja, weshalb, darüber herrscht keinerlei Klarheiten.
Mit Entsetzen stellt nun die Gesellschaft fest, dass man auch den aktuellen Amokläufer nicht der Stereotype des aggressiven Gewaltverbrecher mit geringer Schuldbildung und niedrigen sozialen Status zuordnen kann. Auch diesmal kam die grauenhafte Tat aus einer Mittelschichtfamilie, von einem Jungen mit Ausbildung und Abschluss - demnach aus der Sicht vieler Politiker ein Jugendlicher, welcher durch seinen sozialen und beruflichen Status eigentlich "zufrieden" sein sollte.
Die Politik, die nicht im Stande ist passable pädagogische und psychologische sinnvolle Konzepte auszuarbeiten, tut sich nun freilich schwer. Zudem gehen Politiker gehen diesmal behüteter vor. Statt aus dem Impuls zu handeln, versucht man die Verantwortung für zukünftige Prävention den pädagogischen Sektor zu zuschieben. Da ist neben den schon fast obligatorischen Killerspielverbot, auch die Rede von der Steigerung pädagogischer Kompetenzen bei den Lehrer. Statt konkret zu werden, wird man unkonkret. Verschwommen tastet man sich an eine mögliches "gesellschaftliches" Konzept zur Prävention solcher Verbrechen hin, die aber keine tiefgründigere Lösung anbieten können.
So solle man mehr auf die Verhaltensweise von Jugendlichen achten und bei "Alarmzeichen" gewisse Maßnahme ergreifen, über die aber komischerweise noch kein einziges Wort gefallen ist. Was sollen wir denn tun, wenn bei dem pädagogische Superlehrer mit seinen psychologischen Röntgenblick die Alarmglocken schrillen? Sollen die Lehrer, wie in Minority Report, in die Zukunft sehen können und Jugendliche vor Tat verurteilen? Und wie würde diese Verurteilung denn aussehen? Wollen wir den jungen Mensch das Gehirn waschen und sein Selbst sozialverträglich umprogrammieren?
Nicht nur diese Antworten bleiben uns Politiker und Verantwortliche schuldig, sondern auch ganz grundsätzlich muss man dann aus den aktuellen politischen Diskussionen doch schlussfolgern: Jetzt wo die in der Unterschicht lebenden jungen Mensch schon zwischen "Dumm" bis "Gemeingefährlich" stigmatisiert wurden, beginnt man nun auch Jugendlichen aus der gut bürgerlichen Schicht anhand eines feinsäuberlich erstellten Gefahrenkatalog an Verhaltensweise zu vergleichen um mögliche Verbrechen zu verhindern. Überspitzt ausgedrückt: Wäre das dann nicht der Generalverdacht gegenüber unserer Jugend?
Zum Glück ist es dann doch nicht soweit und außerhalb der Welt der Medien und Politik findet man sich in einer Welt wieder, in der Jugendliche aus der Unterschicht nicht zwangsläufig Hauptschüler mit den Hang zum Kriminellen sind und auch sonst die Jugendliche ganz anständige Menschen sein können.
Amokläufe sind selten und haben Ursachen die wir kaum rückblickend klären können. Auch wenn wir die einzelnen Puzzleteile aus dem Leben eines Amokläufers - eines Mörder - finden, bleibt letztendlich die wahre Ursache, und das ist eine innere Entscheidung in der Psyche des Menschen, uns verborgen.
Während man in möglichen Konzepten tausende Psychologen engagiert um das Vertrauen hunderttausender Schüler zu erhaschen, in der Vorstellung sie würde eventuelle "Alarmzeichen" zeigen und damit könne man dann psychologisch intervenieren, meine ich, dass wir zu aller erst eines sein sollte: realistisch. Wir können keine solche Tat verhindern und wenn wir's verhindern könnten, dann wären wir bereits eine Big-Brother-Gesellschaft und in so'ner möchte ich dann auch nicht leben.