Von Harald Martenstein
8.2.2009 0:00 Uhr
Ist Gott etwa in der SPD?
Der Papst hat es schwer, dachte ich nach seiner Wahl, weil sein Vorgänger Johannes Paul II. solch eine Jahrhundertfigur gewesen ist. Aber der Nachfolger von Willy Brandt als Kanzler und der Nachfolger von Sepp Herberger als Bundestrainer haben ihren Job auch sehr ordentlich erledigt. Der Papst soll ruhig reaktionär sein, dachte ich, der Papst darf das. In einer Welt, in der fast alle den „Fortschritt“ für das einzig richtige Prinzip halten, und in der das „Neue“ angeblich immer das Bessere sein soll, muss es eine Gegenkraft geben, so, wie es in einem ordentlichen Parlament eine Opposition geben muss. Ich will keinen „fortschrittlichen“ Papst, mir reicht Andrea Ypsilanti.
Aber „reaktionär“ oder meinetwegen „konservativ“ bedeutet natürlich nicht „dumm“. Einen Holocaustleugner und Antisemiten wieder zu rekommunizieren, ist eine Dummheit von gigantischer Größe, abgesehen von dem ganzen moralischen, tausendmal gesagten Zeugs, das einem dazu einfällt und welches Sie sich an dieser Stelle bitte hinzudenken, damit ich es nicht langweiligerweise hinschreiben muss. Nun heißt es in zahlreichen Kommentaren, der Papst brauche ein besseres „Krisenmanagement“ und „bessere Berater“. Das ist der Offenbarungseid. Der schwerste Schlag, den die katholische Kirche seit tausend Jahren hat hinnehmen müssen. Der Papst braucht einen Betreuer! Mit anderen Worten, der Papst kriegt es alleine nicht auf die Reihe. Mit wieder anderen Worten, der Papst ist ein Trottel. Ein unfehlbarer Trottel, genau gesagt. Der Papst ist nämlich kein Antisemit, kein Holocaustleugner, nein, der Papst ist einfach nur ein Typ, der nicht durchblickt. Der Papst trifft Entscheidungen, ohne ihre Konsequenzen durchdacht zu haben, der Papst fährt, ohne Informationen, nur so mal eben aus dem Bauch heraus den Karren gegen die Wand. Der Papst ist Andrea Ypsilanti.
Der Katholizismus beruht zufällig auf genau der Idee, dass der Papst keinen Berater braucht, verstehen Sie? Sein Berater ist angeblich Gott. Jeder Mist, den ein Papst baut, fällt folglich direkt auf Gott zurück. Ist Gott ein Antisemit? Ich bezweifle es. Was der Papst tut, ist ein starkes Indiz dafür, dass Gott Protestant ist, oder sogar bei der SPD.
Dass der Papst Deutscher ist, nehme ich ihm übel. Wir haben einen einzigen deutschen Papst, nur diesen, in tausend Jahren, und dann blamiert er nicht nur seinen Chef, sondern auch uns bis auf die Knochen. Zu Zeiten von Helmut Kohl habe ich mich vor Ausländern oft geniert wegen dieses Kanzlers, weil er auf dem internationalen Parkett so unelegant gewirkt hat. Aber Kohl wusste sehr genau, was er tat. Der Papst weiß es nicht. Wenn er aus Versehen einen Holocaustleugner rehabilitiert, was tut er dann als Nächstes? Zündet er aus Versehen den Petersdom an?
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 08.02.2009)