Vielleicht sollte man, damit die Menschen hier ohne eigene Webrecherche wenigstens die Idee erfassen, diesen Teil von grundeinkommen.de mal zitieren:
Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das bedingungslos jedem Mitglied einer politischen Gemeinschaft gewährt wird. Es soll
- die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
- einen individuellen Rechtsanspruch darstellen,
- ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden,
- keinen Zwang zur Arbeit bedeuten.
- Das Grundeinkommen stellt somit eine Form von Mindesteinkommenssicherung dar, die sich von den zur Zeit in fast allen Industrienationen existierenden Systemen der Grundsicherung wesentlich unterscheidet. Das Grundeinkommen wird erstens an Individuen anstelle von Haushalten gezahlt, zweitens steht es jedem Individuum unabhängig von sonstigen Einkommen zu, und drittens wird es gezahlt, ohne dass Arbeitsleistung oder Arbeitsbereitschaft verlangt wird.
und auch wichtig (aus den Frage-und-Antworten):
Die Vorstellungen zum Grundeinkommen gehen davon aus, dass Preissteigerungen ausgeglichen werden. Das Grundeinkommen ist also stets als dynamisierter Betrag zu verwirklichen.
Elementare Aussagen sind:
- Bedingungslosigkeit
- Eignung zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
- Unabhängigkeit vom sonstigen Einkommen
- Inflationssicherheit
Ich gehe davon aus, dass dieser Mindestlohn nicht zum eventuell vorhandenenLohn dazugerechnet wird, also den Steuersatz des zu versteuernden Einkommens _nicht_ hoch treibt. Denn wenn das Einkommen dadurch in eine höhere Steuerklasse fällt ist es eine Scheinzuzahlung, da finanziere ich mein Grundkeinkommen mit meinem eigenen Job und unter'm Strich schaut wenig dabei raus. (Würde auch das Prinzip der Unabhängigkeit vom Einkommen widersprechen). Ist das so gedacht oder irre ich mich und ich rutsche mit dem GE in eine neue Steuerklasse?
Ein Problem beim Verständnis könnte durch die Frage der Finanzierbarkeit auftauchen. Ich muss sagen, _das_ ist das zentrale Problem. Leider bietet die Webseite hier nur eine Linksammlung
http://www.archiv-grundeinkommen.de/index.html
Das kann ich mir im Moment nicht durchlesen, da sind etliche Links zu Abhandlungen, wünschenswert wäre eine verständliche (und inhaltlich korrekte) Zusammenfassung. (Darf ich sagen, dass bei dieser "zerfledderten Darstellung" des wichtigsten Punktes der Eindruck entsteht, man möchte mit Masse verwirren statt mit Klasse erklären?)
Dieser Befragung übrigens, dass 60% weiter arbeiten würden wie bisher und 30% nur "weniger" glaube ich weniger lang als ich brauchte, um sie zu lesen. 10% würden sich nur "neu orientieren"?
Das ist, mit Verlaub, Bullshit. Ohne Zahlen ist das schwer zu besprechen, also: Was nehmen wir denn als Grundsicherung? Damit man nicht nur im letzten Kaff in einer kalten Hütte dahinvegetieren kann sondern frei selbst bestimmt wo man leben möchte (in realen Grenzen) würde ich sagen sind 1.200,- Euro im Monat absolutes Minimum. (Hier in Wien kostet eine vernünftige Wohnung schon 600 im Monat). Für diesen Nettolohn geht meine Freundin übrigens 40 Wochenstunden arbeiten. Und ihr Lohn ist nicht inflationsgesichert. Für das gleiche Geld den ganzen Tag frei? Ins Fitness-Center gehen, wann man will? Abends fernsehen solange man möchte, ausgehen ist kein Katerdrama mehr am nächsten Morgen? Endlich alle Bücher lesen, die sich sonst nur stapeln? Zeit haben ohne Ende ohne finanziellen Nachteil? Warum sollte _sie_ noch den ganzen Tag mit langweiligem Mist vergeuden?
Auf der anderen Seite, und das ist eigentlich der einzige Punkt durch den ich diesem Konzept wenigstens eine geringe Chance einräume, ist die Idee, dieses GE _zusätzlich_ auszuzahlen.
Für alle, die schon einen schlecht oder mittelmäßig bezahlten Job haben mag es verlockend sein, plötzlich erheblich mehr zu verdienen. Sehr gut bezahlte Arbeitnehmer könnten nicht aufhören, weil ein 5000-Euro-Mensch einen Lebensstil hat, der sich mit 1200 nicht finanzieren lässt.
Vielleicht wäre das die Bremse dagegen, dass schlagartig alle kündigen.
Aber was ist mit den jungen Menschen? Wer nie einen Job hatte und plötzlich, mit 18, das GE bekommt, der arrangiert sich. Ich meine, wer nichts anderes kennt, wer seinen Lebensstil anpassen kann auf dieses GE, der ist potentiell vom Arbeitsmarkt weg. Seien wir ehrlich, ARBEITSlosigkeit stört die wenigsten Arbeitslosen, ERWERBSlosigkeit schon. Wie lange also könnte die gegenwärtig arbeitende Schicht gegen den zu finanzierenden Schwund an Nachwuchsarbeitskräften ankommen? Eine Gesellschaft ist ja keine Momentaufnahme sondern ein Prozess.
Auch indiviuell kommt es bei mir zu divergenten Gedanken: Was wäre wenn heute beschlossen würde, für Österreicher gibt es ab nun 1.200,- Euro inflationssichere Grundsicherung. Was täte ich?
Sofort heimgehen? Der Gedanke drängt sich auf. Ja, ich verdiene deutlich mehr als das GE. Und ja, 1.200 mehr im Monat würden einige Wünsche erfüllen.
Also: Hierbleiben und das Plus an Geld in angenehme Dinge investieren.
Aber andererseits ödet mich die Arbeit an. Jede Arbeit. Überhaupt kann ich dieses ganze Getue, diese Wichtigmenschen um mich, dieses hohle Gewäsch, die Phrasen udn die Ansammlung an richtig DUMMEN und inkompetenten Menschen, die sich wegen ihres ersessenen oder erlogenen hohen Gehalts auch noch unglaiblich wichtig nehmen, nicht ertragem, ohne inneren Schmerz zu empfinden, den ich manchmal förmlich rausBRÜLLEN möchte.
Und... wenn ich hier bleibe und andere gehen. Werde ich dann plötzlich deren Arbeitspensum mit machen müssen? Also mir das GE in Wahrheit mit erheblich mehr Stress und etlichen Überstunden hart verdienen, sodass ich noch weniger Zeit habe (und egal wie viel Geld am Konto ist sinnlos, wenn man in einem Betonbunker eingekerkert dahinvegetiert).
Also: Heimgehen. Definitiv.Sofort.
Aber ... was wenn das Konzept scheitert? Wenn ich jahrelang zuhause geblieben bin und dann mit 45 oder 50 das politische System bemerkt, dass keine Arbeitskräfte nachwachsen, dass niemand bei McD Fritten brät und keiner mehr in den Kanälen arbeitet oder den Müll weg bringt oder nachts Autobusse lenkt wegen der Zulagen. Mehr Geld für diese Jobs zu bezahlen bringt nichts, denn dann müssten Fahrkarten und Burger teurer werden und damit müsste das GE, weil inflationssicher, angepasst werden, was zur Spirale führt, dass elende Scheiss-Jobs eben keiner, und zwar keiner, mehr macht. Vielleicht die bestehenden Arbeitskräfte aber sicher kein Nachwuchs.
Wenn das dann herauskommt und das politische System das Konzept streicht, denn das kann es, es ist ja kein Naturgesetz wie Gravitation, es ist eine von Menschen gemachte Regelung, die kann man jederzeit wieder umstoßen oder sie kann einfach nicht mehr machbar sein, dann stehe ich da. Ohne Job. Ohne Zukunft. Arbeits- und mittellos, zum Sterben verurteilt.
Also: Bleiben. Aus Angst. So wie jetzt. Aus Angst. Ich arbeite nicht, weil ich will, ich arbeite weil ich muss, weil ich Angst habe, ohne Arbeit sozial und auch körperlich unter zu gehen. Weil Arbeit meine Existenz sichert.
Das GE würde meine Angst nicht nehmen. Ich würde also hier bleiben. Den Job von dann 2 bis 3 Leuten machen, denn zwei andere würden sicher gehen oder in Teilzeit wandeln. Doppelt so viel Stress für vergleichsweise NICHT doppelt so viel Geld. Mindestens. Und gleichzeitig beobachten wie die Sorglosen ihr Leben genießen, das ich bezahle. Mit meinem Geld und nun auch noch mit meiner ohnedies kargen Freizeit. Denn _mir_ bringt das nichts, wenn 20 Jahre später diese Sorglosen dann untergehen.
Edit: In diesem Link (Finanzierungsmodell Attac, Österreich)
http://www.archiv-grundeinkommen.de/attac-austria/attac-austria-ge-finanzierung.pdf
wird genau das gemacht, was ich befürchtet habe: Das GE wird nicht "oben auf" gezahlt, sondern abhängig. Wer also Brutto 3.000 verdient hat gerade mal einen Hunderter mehr. Das ist lächerlich, das ist eine Bestrafung für alle, die arbeiten gehen.