Nein, das ist mir nicht entgangen - aber du scheinst immer den ganzen Osten zu verteidigen und nicht nur Sachsen-Anhalt. Aber von fünf ostdeutschen Bundesländern haben drei Naziparteien im Parlament - im Westen ist es glaub ich eins von elf Ländern.
Ich muss da noch einmal einklinken. Es bringt nichts, Rechtsaussenparteien gegeneinander aufzurechnen.
Ich spreche jetzt als Österreicher, also damals "Ausländer", der 1986 nach Stuttgart kam und die Grenzöffnung 1989 von da aus miterlebt hatte. Die Eltern meiner damaligen Freundin in Stuttgart kamen ursprünglich aus der Gegend Bitterfeld und ich bin im Dezember 1989 mit ihr dorthin gefahren. Das Ganze war okay, eine Zeitreise zwar, weil Bitterfeld nun wirklich kein Luftkurort gewesen ist zu der Zeit. Was mir bleibend in Erinnerung sein wird, war dieser unglaubliche, fast schon kindliche, Optimismus der Leute da. Wiedervereinigung, Grenzöffnung, Reisefreiheit, D-Mark - und ich Ösi, der emotional nicht so involviert war, fuhr nachdenklich wieder zurück nach Stuttgart.
Schon damals wurden die Leute in Ostdeutschland von der Politik verarscht. Der einzige, der m.E. in etwa die gewaltige Aufgabe überblickt hat, war Lafontaine, aber Kohl war der bessere Lügner und hat die Wahl gewonnen. Den Leuten im Osten wurde ihr alter Staat genommen und dafür haben sie eine riesige Lüge bekommen, die blühenden Landschaften und die 150 Milliarden pro Jahr.
Gleichzeitig wurden alle westdeutschen Dinge nach Ostdeutschland gekarrt, inklusive der meist dritten Garde von Verwaltungshengsten. Zur verlorenen Identität kam nun auch noch der aufgepfropfte westdeutsche Standard, der die Leute gänzlich überforderte. Inzwischen hat dann die Treuhand so alles abgewickelt und plötzlich kam dazu das Nichtgebrauchtsein und die Arbeistlosigkeit bzw. deren professionelle Verwaltung. Und nicht zu vergessen dieses ungeheure Misstrauen wer denn bei der StaSi war oder nicht. Da gab es Tragödien antiken Ausmasses.
Zu dieser Zeit kam ich nach Südthüringen ins schöne Meiningen. 1991 waren es glaube ich 15% Arbeitslosigkeit, 1993 waren es um die 25%.Die Jungen, die es konnten, flohen nun legal in den nahen Westen. Meiningen verlor innerhalb von ca. 3 Jahren 15% seiner jungen Bewohner, Suhl fast 20%.
Wohlgemerkt, ich schreibe hier vom "Zonenrandgebiet" zu Bayern und Hessen und nicht von z.B. Sachsen an der tschechischen Grenze. Die Lage war trostlos, ihr könnt es mir glauben oder nicht. D-Mark, Reisefreiheit, Konsumrausch und kein Geld dafür. Die Banken haben am Anfang Kredite verteilt und später die Leute bis aufs Unterhemd ausgezogen. Intensivkurs in Kapitalismus.
Für die Politik waren das Kollateralschäden, man mußte ja das Ganze im Auge behalten und Geschichte schreiben.
Und genau da haben die Rechtsaußenparteien angesetzt. Und natürlich gerade in den hoffnungslosen ländlichen Gegenden offene Ohren gefunden. Dieser Mechanismus hat in Ostdeutschland einfach funktioniert, weil die Leute zuerst einmal ihre Orientierung wiederfinden mußten und damit für diese Dinge sehr anfällig waren.
In meinen 10 Jahren Meiningen habe ich das Raubrittertum der Treuhandgauner, den Größenwahn der Kommunalpolitiker, die mehr oder weniger sinnvollen subventionierten Wiederaufbauten und andere Merkwürdigkeiten hautnah miterlebt. Am Ende dieser 10 Jahre hat sich die Gegend zu einer schnukeligen Landschaft mit schönen Gemeinden verändert, unterm Strich hat es langsam angefangen zu funktionieren. Diejenigen, die es nicht gepackt haben, oder mehrfach enttäuscht wurden, oder - und auch das gibt es - von strammen Genossen zu strammen Kameraden mutierten, ja die sind die Beute der NPD etc. Das sind nicht wirklich viele und wahrscheinlich werden es immer weniger im Laufe der Jahre, aber es sind genug um Dinge wie geschehen in Mügeln oder Rudolstadt zu ermöglichen.
1991 war vor 16 Jahren. Manche hier schreiben als ob sie das alles an vorderster Front miterlebt haben, beim unbekannten König z. B. habe ich so meine Zweifel.
Larkmiller