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Wir schreiben den 29. November des Jahres 2013. In ganz Deutschland ist die Playstation 4 bereits vor Markteinführung ausverkauft. In ganz Deutschland? Nein! Ein unbeugsamer Media Markt in der Provinzstadt Heidenheim an der Brenz hört nicht auf, Sonys Nur für Vorbesteller-Geschäftsmodell Widerstand zu leisten. Doch das Leben ist nicht leicht für die Hardcore-Gamer, die sich in die knapp 50 Meter lange Schlange einreihten. Gerüchte über die Anzahl frei verkäuflicher Geräte mehrten sich mit jeder Minute und machten die Warterei vor dem Geschäft zu einer wahren Zerreißprobe. Eine Geschichte über die menschliche Psyche – und die wirklich wichtigen Dinge im Leben.[PRBREAK][/PRBREAK]
Gut' Nacht, du lahme Logik
Nachdem ich den Vorverkauf grandios versäumt hatte, stellte ich mir natürlich elementare Fragen – mit den folgerichtigen Antworten: Werde ich eine Konsole ergattern können, wenn ich nur früh genug aufstehe? Ich muss! Denn hat mein Leben überhaupt noch einen Sinn ohne den neusten Streich der Technik? Nein, hat es nicht! Also Urlaub eingereicht, selbstverständlich mit der Wahrheit als Begründung: "Ich muss Freitagmorgen um halb zehn als Erster vor dem Laden stehen. Der nette Einkäufer meinte, ich hätte eine Chance, wenn ich nur direkt vor dem Tor stehe!" Der Vorgesetzte nickte andächtig, in seinen Augen las ich: "Vollbringe Großes, mein Sohn!" Bestärkt plante ich alles durch. Nun, zumindest besorgte ich mir zwei Energy-Drinks.
Die Nacht vor dem Morgen, der für jeden Verhaltenspsychologen ein gefundenes Fressen gewesen wäre, war eigentlich gar keine. Stundenlange, sinnentleerte Recherche im Netz. Man redet sich ja ein, dass Vorbereitung Alles ist. Um 5.30 Uhr klingelte dann der Wecker. Um 5.45 Uhr das zweite Mal. Übernächtigt, mit der Zahnbürste im Mund und Augenringen bis zum Boden zwängte ich mich in meine Klamotten – nur um etwas später einem Wall aus Minusgraden entgegen zu treten und mit dem Auto auf der zur Eislaufbahn gewordenen Straße nach Heidenheim zu flanieren. Aber was macht man nicht alles für seinen Seelenfrieden?
Geistiger Schiffbruch – bloß schnell rein ins Rettungsboot
Um 7 Uhr öffneten die Schlossarkaden, ein Einkaufscenter, die Türen. Mit mir stand genau ein weiterer Wahnsinniger vor diesen. Gerade fällt mir auf, dass ich, nach über zwei Stunden gemeinsamen Wartens, nichtmal seinen Namen kenne. Ebenso wenig wie von den fünf anderen Menschen, die zu uns gestoßen sind, als wir schon vor dem großen, grauen Media Markt-Tor standen. Aber das war in diesem Moment zweitrangig. Wir waren einfach nur das Team. Die Fraktion aus Hartgesottenen, die jeweils einer eines von den scharfen Teilen abbekommen sollten, die da, hinter dem Portal, auf uns warteten. Der eine warf ein, er habe mitbekommen, dass es knapp 10 Konsolen geben soll. Der andere murmelte etwas von 20. Ich selbst habe mich bei dem bärtigen Einkäufer der Filiale erkundigt, dieser sagte etwas von 26 frei verkäuflichen Konsolen; alle anderen waren zu dem Zeitpunkt schon längst vorbestellt. Wir einigten uns, vor allem um uns zu beruhigen, auf eine Anzahl von 16 Stück. Also würden wir ja sicher alle eine bekommen, wir waren ja nur sieben. Aber es war ruhig. Zu ruhig.
Das Privileg, der Erste zu sein, entwickelte sich irgendwann zu einer großen Aufgabe. Nämlich zu der, darauf zu achten, dass keiner sich vordrängelt. Während sich im Laufe des Morgens immer mehr Leute zu uns gesellten, wurden wir immer pingeliger. Entrüstungen wie 'Wieso läuft der da so geierhaft rum?' oder 'Wieso, verdammt nochmal, wird denn von dahinten immer mehr gedrückt?' entfuhren uns. "Der" war heute morgen übrigens Programm: 99 Prozent der knapp 100 (!) Wartenden waren Männer, oder hielten sich dafür. Nur eine etwas ältere Dame schaffte es in die Reihe. Und selbst die wollte den schwarzen Kasten wohl eher für einen Enkel kaufen, als für sich. Eine reine Männersache also. Und genau so musste man Unstimmigkeiten auch aus dem Weg räumen. Der Blick grimmig, die Arme verschränkt, schworen wir uns, uns zu schützen und dafür zu sorgen, dass wir fünf sicher eine Konsole mit nach Hause nehmen würden. Wer zuerst kommt, ma(h)lt zuerst. "Wenn nötig, auch in der Farbe von Blut", rief einer. Und er meinte es ernst.
Der Kampf der Gaming-Titanen
Fünf Minuten vor Ladenöffnung tummelten sich bereits etliche Schaulustige um uns herum, die ihre Smartphones zückten. Die Fronten hatten sich mittlerweile verhärtet. Das freundliche Warten wurde zum Team-Deathmatch. Gleich war es soweit – Adrenalin schoss nicht nur mir in Massen durch den Körper. Jedes Geräusch am Tor machte unser Team wuschig; so muss sich auch Katniss Everdeen gefühlt haben, kurz bevor sie zu den Hunger Games katapultiert wurde. Dann endlich: das Knarzen der Schleuse zum feuchten Gamer-Traum. Das graue Tor war noch nichtmal auf Kniehöhe hochgefahren, schon schlugen wir, die ganz vorne standen, eine Rolle in Indiana Jones-Manier unten durch. Aufgestanden, ran an die Kasse, wo die Konsolen und die dazugehörigen Spiele schon auf uns warteten. Moment. Wie viele Konsolen jetzt denn eigentlich? Doch die Antwort des bärtigen Einkäufers, der auch den Verkauf leitete, ging unter dem Treiben der Gladiatoren vor der Kasse erstmal unter. Nachdem ich, als Erster, die neue Playstation entgegen nahm, raunte er ein "...acht Stück hab ich bekommen, acht! Für 100 Leute" heraus. Für Freude blieb keine Zeit, ich musste mich, Verzeihung, sie in Sicherheit bringen. Vor dem geistigen Auge sah ich schon den Scharfschützen-Rotpunkt auf meiner Stirn, sobald ich den Laden verlassen würde. Man wird paranoid, wenn einem der blanke Hass der Meute entgegenschlägt, die keine 4er bekommen haben.
Also schnell ans Auto und die gute Dame im Kofferraum verstaut. Erst als ich mehrere Kilometer zwischen mich und den Löwenkäfig gebracht hatte, fühlte ich mich sicher. Und es kam erstmals Freude auf. Ob meine Teammitglieder auch einen elektronischen Spielplatz erhalten haben, weiß ich nicht. Am Ende ging alles sehr schnell – in knapp zehn Minuten war die Party vorüber. Aber das ist eigentlich auch egal. Schließlich werden wir uns nicht mehr wieder sehen. Außerdem war ich der Erste. Und das ist es doch. Das wirklich Wichtige im Leben.
Jesper und Michael werden die Konsole in der heutigen Live!Latenight Sendung um 21 Uhr live unboxen und fein säuberlich auseinander nehmen. Zum Stream gelangt ihr hier.
Gut' Nacht, du lahme Logik
Nachdem ich den Vorverkauf grandios versäumt hatte, stellte ich mir natürlich elementare Fragen – mit den folgerichtigen Antworten: Werde ich eine Konsole ergattern können, wenn ich nur früh genug aufstehe? Ich muss! Denn hat mein Leben überhaupt noch einen Sinn ohne den neusten Streich der Technik? Nein, hat es nicht! Also Urlaub eingereicht, selbstverständlich mit der Wahrheit als Begründung: "Ich muss Freitagmorgen um halb zehn als Erster vor dem Laden stehen. Der nette Einkäufer meinte, ich hätte eine Chance, wenn ich nur direkt vor dem Tor stehe!" Der Vorgesetzte nickte andächtig, in seinen Augen las ich: "Vollbringe Großes, mein Sohn!" Bestärkt plante ich alles durch. Nun, zumindest besorgte ich mir zwei Energy-Drinks.
Die Nacht vor dem Morgen, der für jeden Verhaltenspsychologen ein gefundenes Fressen gewesen wäre, war eigentlich gar keine. Stundenlange, sinnentleerte Recherche im Netz. Man redet sich ja ein, dass Vorbereitung Alles ist. Um 5.30 Uhr klingelte dann der Wecker. Um 5.45 Uhr das zweite Mal. Übernächtigt, mit der Zahnbürste im Mund und Augenringen bis zum Boden zwängte ich mich in meine Klamotten – nur um etwas später einem Wall aus Minusgraden entgegen zu treten und mit dem Auto auf der zur Eislaufbahn gewordenen Straße nach Heidenheim zu flanieren. Aber was macht man nicht alles für seinen Seelenfrieden?
Geistiger Schiffbruch – bloß schnell rein ins Rettungsboot
Um 7 Uhr öffneten die Schlossarkaden, ein Einkaufscenter, die Türen. Mit mir stand genau ein weiterer Wahnsinniger vor diesen. Gerade fällt mir auf, dass ich, nach über zwei Stunden gemeinsamen Wartens, nichtmal seinen Namen kenne. Ebenso wenig wie von den fünf anderen Menschen, die zu uns gestoßen sind, als wir schon vor dem großen, grauen Media Markt-Tor standen. Aber das war in diesem Moment zweitrangig. Wir waren einfach nur das Team. Die Fraktion aus Hartgesottenen, die jeweils einer eines von den scharfen Teilen abbekommen sollten, die da, hinter dem Portal, auf uns warteten. Der eine warf ein, er habe mitbekommen, dass es knapp 10 Konsolen geben soll. Der andere murmelte etwas von 20. Ich selbst habe mich bei dem bärtigen Einkäufer der Filiale erkundigt, dieser sagte etwas von 26 frei verkäuflichen Konsolen; alle anderen waren zu dem Zeitpunkt schon längst vorbestellt. Wir einigten uns, vor allem um uns zu beruhigen, auf eine Anzahl von 16 Stück. Also würden wir ja sicher alle eine bekommen, wir waren ja nur sieben. Aber es war ruhig. Zu ruhig.
Das Privileg, der Erste zu sein, entwickelte sich irgendwann zu einer großen Aufgabe. Nämlich zu der, darauf zu achten, dass keiner sich vordrängelt. Während sich im Laufe des Morgens immer mehr Leute zu uns gesellten, wurden wir immer pingeliger. Entrüstungen wie 'Wieso läuft der da so geierhaft rum?' oder 'Wieso, verdammt nochmal, wird denn von dahinten immer mehr gedrückt?' entfuhren uns. "Der" war heute morgen übrigens Programm: 99 Prozent der knapp 100 (!) Wartenden waren Männer, oder hielten sich dafür. Nur eine etwas ältere Dame schaffte es in die Reihe. Und selbst die wollte den schwarzen Kasten wohl eher für einen Enkel kaufen, als für sich. Eine reine Männersache also. Und genau so musste man Unstimmigkeiten auch aus dem Weg räumen. Der Blick grimmig, die Arme verschränkt, schworen wir uns, uns zu schützen und dafür zu sorgen, dass wir fünf sicher eine Konsole mit nach Hause nehmen würden. Wer zuerst kommt, ma(h)lt zuerst. "Wenn nötig, auch in der Farbe von Blut", rief einer. Und er meinte es ernst.
Der Kampf der Gaming-Titanen
Fünf Minuten vor Ladenöffnung tummelten sich bereits etliche Schaulustige um uns herum, die ihre Smartphones zückten. Die Fronten hatten sich mittlerweile verhärtet. Das freundliche Warten wurde zum Team-Deathmatch. Gleich war es soweit – Adrenalin schoss nicht nur mir in Massen durch den Körper. Jedes Geräusch am Tor machte unser Team wuschig; so muss sich auch Katniss Everdeen gefühlt haben, kurz bevor sie zu den Hunger Games katapultiert wurde. Dann endlich: das Knarzen der Schleuse zum feuchten Gamer-Traum. Das graue Tor war noch nichtmal auf Kniehöhe hochgefahren, schon schlugen wir, die ganz vorne standen, eine Rolle in Indiana Jones-Manier unten durch. Aufgestanden, ran an die Kasse, wo die Konsolen und die dazugehörigen Spiele schon auf uns warteten. Moment. Wie viele Konsolen jetzt denn eigentlich? Doch die Antwort des bärtigen Einkäufers, der auch den Verkauf leitete, ging unter dem Treiben der Gladiatoren vor der Kasse erstmal unter. Nachdem ich, als Erster, die neue Playstation entgegen nahm, raunte er ein "...acht Stück hab ich bekommen, acht! Für 100 Leute" heraus. Für Freude blieb keine Zeit, ich musste mich, Verzeihung, sie in Sicherheit bringen. Vor dem geistigen Auge sah ich schon den Scharfschützen-Rotpunkt auf meiner Stirn, sobald ich den Laden verlassen würde. Man wird paranoid, wenn einem der blanke Hass der Meute entgegenschlägt, die keine 4er bekommen haben.
Also schnell ans Auto und die gute Dame im Kofferraum verstaut. Erst als ich mehrere Kilometer zwischen mich und den Löwenkäfig gebracht hatte, fühlte ich mich sicher. Und es kam erstmals Freude auf. Ob meine Teammitglieder auch einen elektronischen Spielplatz erhalten haben, weiß ich nicht. Am Ende ging alles sehr schnell – in knapp zehn Minuten war die Party vorüber. Aber das ist eigentlich auch egal. Schließlich werden wir uns nicht mehr wieder sehen. Außerdem war ich der Erste. Und das ist es doch. Das wirklich Wichtige im Leben.
Chronik des Wahnsinns
Die Playstation 4 wurde im Februar 2013 als Nachfolger der Playstation 3 angekündigt. Im März zeigte Sony erstmals das Design der Konsole. Im Sommer konnte die PS4 dann vorbestellt werden. Innerhalb von wenigen Wochen korrigierte sich bei Amazon der Status, dass die Konsole pünktlich zum in Deutschland veranschlagten Release am 29. November 2013 ausgeliefert wird, nach hinten. Auch Gamestop vermeldete zwar keinen Vorbesteller-Stopp, die, die aber nach August eine Konsole bestellen wollten, mussten sich laut dem Konzern auf längere Wartezeiten einstellen.
Über den Zeitraum von August bis heute entstand im Internet eine große Diskussion um die Verfügbarkeit von frei verkäuflichen Konsolen am Erscheinungstag. Meldungen wie die von einem renommierten Spiele-Händler in der Schweiz, der von Sony nur drei Konsolen zugesprochen bekam, ließen die Fans aufhorchen. Schnell flog dem japanischen Elektronikriesen Sony auch Kritik um die Ohren, die Stückzahlen seien künstlich verknappt. Der Hersteller selbst verteidigte seine Politik und verwies darauf, dass zum Launch auch sicher genug Konsolen in den Geschäften zur Verfügung stehen würden. Die Spieler mussten also um das neue Gerät bangen. So entstand ein regelrechter Hype um den ersten Platz in der Schlange.
Jesper und Michael werden die Konsole in der heutigen Live!Latenight Sendung um 21 Uhr live unboxen und fein säuberlich auseinander nehmen. Zum Stream gelangt ihr hier.
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