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Schäuble noch bei Vernunft?

Phobos

Fießers Erstling
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Irgendwie erinnert mich das ganze gerade an meine Zeit beim Bundesheer, da gab es bzgl Wachdienst einen Paragraphen, der sinngemäß besagte:

Zum Schutze einer dritten Person ist der scharfe Gebrauch von Schusswaffen gerechtfertigt, solange kein geringeres Mittel sinnvoll/ausreichend wäre.


Das beschreibt ziemlich exakt meine Gedanken zu diesem Thema...

Mist, muss jetzt gleich off, mein Akku ist leer und ich sitz im Hörsaal. Bin hoffenltich bald daheim, dann kanns weitergehn!
 

Phobos

Fießers Erstling
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Weil dies das Fundament und die Vereinbarung ist, auf die unsere Gesellschaft aufbaut?

*J*

Nein! Es widerstrebt mir einfach, zu glauben, unsere Gesellschaft würde so funktionieren!
Imho is genau DAS unmoralisch!

Zum Fall Metzler: Hab das hier in Österreich icht so genau mitbekommen, aber meines Wissens wurde der Polizeipräsident (?) verurteilt, weil er den Gefangenen geschlagen hat bzw ihm Schläge angedroht hat?
Ich fand das eine absolute Sauerei, hätte er sich früher dazu durchgerungen, wäre das Opfer ev. gerettet worden.
Das wäre ein Fall, wo ich Folter sicherlich befürworten würde!
 

Harald909

Prinzenapfel
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Aber das ist meiner Meinung nach dann ziemlich scheinheilig. In unserem Land ist die Folter verboten. Soll ich also dann den Verbrecher ins Ausland schicken, dort von Leuten foltern lassen, damit ich an Informationen komme, diese dann als Geheimdienstinfos verkaufen und verwenden?

Natürlich, wenn man Informationen hat, die Leben retten können, sollte man sie verwenden. Aber damit begibt man sich auf einen verdammt schmalen Grat, denn indirekt befürwortet man damit auch die Methoden, mit denen diese Informationen gewonnen werden.

Mensch, bei diesen moralischen Dilemmas (?) möchte ich kein Politiker sein.:oops:

Nun ja, ich darf natürlich niemanden in ein Land transportieren, um dort an Informationen zu kommen, die ich hier nicht erheben darf. Das ist durchaus ein Problem: Wir haben hier in Deutschland durchaus einige böse islamistische Jungs, denen wir nichts nachweisen können (z.B. Verbindungen zu den Attentätern des 11. September), die die Syrer oder die USA gerne hätten, um sie mal in die Mangel zu nehmen. Wir dürfen sie aber auch nicht ausweisen, da ihnen z.B. im Heimatland die Folter oder Todesstrafe droht.

Die USA haben deshalb z.B. in Italien einen mutmaßlichen Terrorverdächtigen entführt. Und in Mazedonien den Deutschen El Masri. Das dürfen deutsche Behörden weder initiieren, noch unterstützen. Es gibt ja gerade einen Untersuchungsausschuss, der prüft, ob das nicht doch bei den US-Renditions passiert ist.

Zur Gefahrenabwehr: Natürlich darf im Polizeirecht auch Gewalt angewendet werden. Der sog. finale Rettungsschuss bei einer Geiselnahme dient z.B. der Gefahrenabwehr. Die Geisel wird auf Kosten des Lebens des Geiselnehmers gerettet. Bei der Gewaltanwendung muss jedoch immer das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt werden.

H.
 

netr4nger

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@Julia
Also ich bin jetzt kein Polizeirecht-Spezialist. Aber:
a) auch körperliche Gewalt ist u.U. zulässig. Ich komme nun zufällig aus Niedersachen und kenne mich daher nur im Nds. Polizeirecht so halbwegs aus. Da heißt es z.b.:

§ 69 Nds. SOG - Landesrecht Niedersachsen
Unmittelbarer Zwang
(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

Ich will dir den Rest dieses langen § ersparen. In Nds. ist ja sogar der sog. "finale Rettungsschuß", also die gezielte Tötung z.b. eines Geiselnehmers, grds. möglich. Im Gesetz (§76 II Satz 2 NSOG) heißt es:

Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

Diese ganzen "schwammingen" Begriffe wie "gegenwärtige Lebensgefahr" sind juristisch relativ genau definiert.

Was genau die Polizei nun praktisch alles darf und was sie nicht darf kommt leider immer auf den Einzelfall an: Es gilt nämlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Mit anderen Worten: Man muss im Einzelfall immer genau abwägen, was gerade schwerer wiegt. Die Bedrohung durch die Gefahr, oder die Grundrechte des Einzelnen. Geht es um Leben oder Tod? In welche Rechte des Betroffenen wird eingegriffen? Wie schwer ist der Eingriff? Wie konkret ist die Gefahr?
Daher gibt's auf diese Frage leider keine abstrakte Antwort. Aber wie man an dem finalen Rettungsschuss sieht, ist grds. ziemlich viel möglich...wenn es nur im Einzelfall angemessen, also verhältnismäßig ist.

lg
Stefan
 

netr4nger

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@Harald

:D Irgendwie bist du immer schneller als ich :)
 

Harald909

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@netr4nger

Dafür bist Du juristisch kundiger als ich...;) :)

Harald
 

abulafia

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und eine weiter "Aufweichung" der Unschuldsvermutung :-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c:-c
 

netr4nger

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@netr4nger

Dafür bist Du juristisch kundiger als ich...;) :)

Harald

Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher ;)

@abulafia: Dein Zorn in allen Ehren. Ich kann dich gut verstehen, aber streng genommen gibt es, wie oben dargelegt, bei der Gefahrenabwehr, anders als bei der Strafverfolgung, eben keine Unschuldsvermutung...

lg
Stefan
 

abulafia

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@abulafia: Dein Zorn in allen Ehren. Ich kann dich gut verstehen, aber streng genommen gibt es, wie oben dargelegt, bei der Gefahrenabwehr, anders als bei der Strafverfolgung, eben keine Unschuldsvermutung...

Aber warum fordert Schäuble dann die Abschaffung dieser? Und in Sachen Vorratsdatenspeicherung geht es dann wohl doch eher um die Strafverfolgung. Achja, vergessen zu sagen, Danke für die juristischen Infos. Ich bin kein Jurist und sehe das ganze, sagen wir etwas einfacher :-D
 

Harald909

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Aber warum fordert Schäuble dann die Abschaffung dieser?

Das tut Schäuble nicht. Er pauschalisiert jedoch und sagt, sie dürfe im Kampf gegen terroristische Gefahren nicht gelten.

Siehe: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,477975,00.html

Damit verkauft er alten Wein in neuen Schläuchen, denn, wie gezeigt, gilt die Unschuldsvermutung bei der Gefahrenabwehr ja schon jetzt nicht. Schäuble macht das Gleiche wie Schily: Großes Remmidemmi, nix dahinter. Vielleicht will er auch konservatives Profil wiederherstellen, nachdem die Merkel den armen Oettinger so für seinen Revisionismus so geprügelt hat.

Doch auch die Beißreflexe der Opposition funktionieren wie gehabt. Die wollen natürlich ganz absichtlich Schäuble missverstehen, um ihn anp... zu können. So behaupten sie - sicher wider besseren Wissens mit künstlicher Aufregung - Schäuble wolle die Unschuldsvermutung abschaffen. So ist das in der Politik.

Im Übrigen: Die fehlende Unschuldsvermutung bei Gefahrenabwehrmaßnahmen bedeutet keinen Freibrief für die Sicherheitsbehörden. Neben dem bereits genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip ist auch zu beachten, dass ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte Abwehrmaßnahmen nicht ergriffen werden dürfen. Oder anders herum: Je dünner der Boden ist, auf dem der Verdacht steht, desto schwächer müssen die Maßnahmen sein, die noch ergriffen werden dürfen, ohne unverhältnismäßig zu sein.

H.
 

netr4nger

Finkenwerder Herbstprinz
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Aber warum fordert Schäuble dann die Abschaffung dieser? Und in Sachen Vorratsdatenspeicherung geht es dann wohl doch eher um die Strafverfolgung. Achja, vergessen zu sagen, Danke für die juristischen Infos. Ich bin kein Jurist und sehe das ganze, sagen wir etwas einfacher :-D

Um ehrlich zu sein: Viele der Politiker-Statements kann ich auch noch nicht so 100% einordnen. Aber die sind ja auch an die Bevölkerung adressiert und es wäre ja Schwachsinn, die mit juristischen Haarspaltereien zu spicken. Aber offenbar sind seine Äußerungen auch etwas verwirrend, wie ja selbst Frau Zypries zugibt.
Die Frage ist dann schon eher, ob die Unschuldsvermutung tatsächlich nur im Strafrecht gilt. Wenn man das bejaht und dann ganz streng formalistisch weitergeht, dann könnte man sagen: Gefahrenabwehr ist kein Strafrecht. Also gibt's da keine Unschuldsvermutung. Also können wir auch Maßnahmen aus dem Strafrecht zur Gefahrenabwehr anwenden, ohne uns um die Einschränkungen, die ja aus der Unschuldvermutung erwachsen, zu kümmern, denn die müssen bei der Gefahrenabwehr ja nicht gelten.
Man könnte aber auch vertreten, dass die Unschuldsvermutung ein übergeordnetes Prinzip ist, ein Ausfluß der Rechtsstaatlichkeit. Und das dieses Prinzip im Strafrecht auf jeden Fall gilt, aber auch darüber hinausgehend eine gewisse Geltung hat. Denn sonst könnte man die Unschuldsvermutung sehr leicht unterlaufen, indem man alles plötzlich "zur Gefahrenabwehr" einstuft, und de facto die Unschuldsvermutung ausser Kraft setzt.

Schäuble folgt aber dem 1. Standpunkt wenn er sagt: Unschuldsvermutung kann es bei Terrorabwehr nicht geben (Stern-Interview). Denn Terrorabwehr ist eben Gefahrenabwehr und damit kein Strafrecht. Punkt. Das ist glaub ich das, was er mit "Abschaffung der Unschuldsvermutung" meint.

Es kann ja auch nicht jeder Jurist sein :)..und das ist auch gut so! Aber weil bei solchen Diskussionen oft Mißverständnisse auftreten, sich Poliker ungenau ausdrücken usw, versuche ich immer mein bestes, das Ganze mal von der juristischen Seite zu beleuchten...so weit mir das möglich ist ;)
Soll auch gar kein Klugscheissern sein, sondern einfach mal ne andere Sichtweise :)

lg
Stefan
 

mzet01

Gast
"Bemüht, zu schützen

Schäuble sagte dagegen dem Magazin "Stern": "Ich kann an all den Plänen nichts Schlimmes erkennen." Der Rechtsstaat beschneide nicht die Freiheit, sondern er bemühe sich, sie zu schützen. "Die Gewährleistung von Sicherheit für Leib und Leben ist wesentlicher Teil der Aufgabe des Staates. Sie sichert uns eine Freiheit, die wir früher nicht hatten: weltweit zu reisen, zu kommunizieren, Geschäfte zu machen", sagte der CDU-Politiker. Schäuble vertrat die Ansicht, der Grundsatz der Unschuldsvermutung könne im Kampf gegen terroristische Gefahren nicht gelten."

Quelle : n-tv
ja bitte gehts denn noch?
konnte orson wells denn dermaßen visionär gewesen sein?
oder hätte es "2007" und nicht "1984" heißen müssen?
bin ich hier denn nur von schwachmaten umgeben?
fragen über fragen...o_O:p
 

netr4nger

Finkenwerder Herbstprinz
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Naja, so schwachsinnig find ich das nicht. Auch das Leben und die Gesundheit sind schützenswert, meiner Meinung auch schützenswerter als Freiheiten. Von Datenschutz hab ich nicht mehr viel wenn ich tot bin. Die Frage ist eher: Sind die Bedrohungen für Menschenleben ausreichend konkret und gegenwärtig, dass dadurch massive Eingriffe in Freiheitsrechte gerechtfertigt sind. Das bezweifele ich zur Zeit. Allerdings: Nur weil bisher noch nix schlimmes passiert ist heißt das ja nun nicht, dass es keine Terror- oder Anschlagsgefahr gibt...

lg
 

ghostgerd

Weigelts Zinszahler (Rotfranch)
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ich weis nicht wo der denkt zu leben
den seine vorstellungen gehn doch an der realität voll vorbei
 

Harald909

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"Die Freiheit stirbt an ihrer Verteidigung."

(Thomas Mann zur McCarthy-Ära in den USA)
 

abulafia

Finkenwerder Herbstprinz
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...
Man könnte aber auch vertreten, dass die Unschuldsvermutung ein übergeordnetes Prinzip ist, ein Ausfluß der Rechtsstaatlichkeit. Und das dieses Prinzip im Strafrecht auf jeden Fall gilt, aber auch darüber hinausgehend eine gewisse Geltung hat. Denn sonst könnte man die Unschuldsvermutung sehr leicht unterlaufen, indem man alles plötzlich "zur Gefahrenabwehr" einstuft, und de facto die Unschuldsvermutung ausser Kraft setzt. ...

Das ist wohl mein Problem. Für mich gehört die Unschuldsvermutung zu einem demokratischen Staat wie das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die freien Wahlen. Und das in fast jeder Situation.
 

Harald909

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Seminarton on:

Na ja, es kommt darauf an, was man unter "Unschuldsvermutung" versteht. Im Strafrecht - und da kommt der Begriff her - ist jemand solange unschuldig, solange ihm nicht seine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Der Richter darf eine Person nur zu einer Strafe verurteilen, wenn er keine vernünftigen Zweifel mehr an seiner Schuld hat.

Im Gefahrenabwehrrecht hat "Schuld" keine Bedeutung, weil es da keine Strafe gibt. Da sprechen wir von Verantwortlichkeit (ohne jeden moralischen Impetus) oder vom "Störer" (im Zusammenhang mit dem Terrorismus auch von "Gefährdern") und meinen einen Mix aus rechtlichen Pflichten und Kausalitäten.

So können Gefahren auch von Personen ausgehen, die schuldunfähig sind (z.B. ein Geisteskranker oder Kinder). Gegen solche Personen kann - im Notfall auch mit Gewalt - vorgegangen werden, wenn sie die Rechtsgüter (zum Beispiel Leib und Leben) Anderer bedrohen und dafür verantwortlich sind. Ein Geisteskranker darf erschossen werden, wenn er Menschen als Geiseln nimmt und sie umzubringen droht.

Zudem darf - gerade um Straftaten zu verhindern - bereits schon eingeschritten werden, auch wenn noch Zweifel bestehen. Es reichen "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für eine Gefahr aus. Je nach Maßnahme gibt es jedoch unterschiedliche Gefahrenschwellen, die überschritten werden müssen, bevor eine bestimmte Maßnahme ergriffen werden darf.

Zu beachten ist jedoch immer die Verhältnismäßigkeit und damit auch das Maß an gefahrenabwehrrechtlicher Verantwortlichkeit. Je weniger Indizien ich habe, ob jemand verantwortlich ist, je geringer die Gefahr für andere Rechtsgüter ist, desto milder müssen meine Maßnahmen sein.

Wir müssten also sagen, dass die strafrechtliche Unschuldsvermutung eine spezielle Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, da die Bestrafung durch den Staat ultima ratio sein soll und deshalb nur erfolgen darf, wenn eben keine vernünftigen Zweifel mehr an der Schuld bestehen. Erst der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist seinerseits wieder Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips.

Seminarton off.

H.
 

netr4nger

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Kann ich gut verstehen. Aber es ist eben doch ein Unterschied zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Bei der Strafverfolgung ist die Tat bereits begangen. Man kann das Unglück nicht rückgängig machen. Es gilt nur noch, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Es steht also relativ wenig auf dem Spiel, nämlich "nur" das Interesse an einer effektiven Strafverfolgung. Insofern ist es gerechtfertigt zu sagen: Entweder wir können es dem Täter beweisen, oder wir stehen halt mit leeren Händen da und müssen ihn laufen lassen. Auf das Verbrechen hat das keine Auswirkung mehr, höchstens für die Genugtuung oder das Rechtsgefühl.
Bei der Gefahrenabwehr kann man aber noch was reißen. Da besteht noch die Möglichkeit etwas zu verhindern, es steht also deutlich mehr auf dem Spiel. Insofern finde ich es nicht verboten, zumindest darauf hinzuweisen, dass es hier eben um 2 völlig unterschiedliche Situationen geht. Und dann muss es auch erlaubt sein, die Frage in den Raum zu stellen, ob man denn die Leute bei der vorbeugenden Gefahrenabwehr mit den gleichen "Samthandschuhen" anfassen muss, wie im Strafrecht, wos ja nur noch darum geht, den Täter in den Knast zu schicken, aber nix mehr gerettet werden kann...ob man das dann gutheißt ist ne andere Frage. Aber zumindest die Frage muss man, finde ich, aufwerfen dürfen ohne gleich als Wahnsinniger bezeichnet zu werden ;)
Ich habe jetzt bewusst etwas übertrieben, damit es deutlich wird.

lg
Stefan
 

Gunnar

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netr4nger

Finkenwerder Herbstprinz
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Na ja, es kommt darauf an, was man unter "Unschuldsvermutung" versteht. Im Strafrecht - und da kommt der Begriff her - ist jemand solange unschuldig, solange ihm nicht seine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Der Richter darf eine Person nur zu einer Strafe verurteilen, wenn er keine vernünftigen Zweifel mehr an seiner Schuld hat.

Im Gefahrenabwehrrecht hat "Schuld" keine Bedeutung, weil es da keine Strafe gibt. Da sprechen wir von Verantwortlichkeit (ohne jeden moralischen Impetus) oder vom "Störer" (im Zusammenhang mit dem Terrorismus auch von "Gefährdern") und meinen einen Mix aus rechtlichen Pflichten und Kausalitäten.

So können Gefahren auch von Personen ausgehen, die schuldunfähig sind (z.B. ein Geisteskranker oder Kinder). Gegen solche Personen kann - im Notfall auch mit Gewalt - vorgegangen werden, wenn sie die Rechtsgüter (zum Beispiel Leib und Leben) Anderer bedrohen und dafür verantwortlich sind. Ein Geisteskranker darf erschossen werden, wenn er Menschen als Geiseln nimmt und sie umzubringen droht.

Zudem darf - gerade um Straftaten zu verhindern - bereits schon eingeschritten werden, auch wenn noch Zweifel bestehen. Es reichen "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für eine Gefahr aus. Je nach Maßnahme gibt es jedoch unterschiedliche Gefahrenschwellen, die überschritten werden müssen, bevor eine bestimmte Maßnahme ergriffen werden darf.

Zu beachten ist jedoch immer die Verhältnismäßigkeit und damit auch das Maß an gefahrenabwehrrechtlicher Verantwortlichkeit. Je weniger Indizien ich habe, ob jemand verantwortlich ist, je geringer die Gefahr für andere Rechtsgüter ist, desto milder müssen meine Maßnahmen sein.

Wir müssten also sagen, dass die strafrechtliche Unschuldsvermutung eine spezielle Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, da die Bestrafung durch den Staat ultima ratio sein soll und deshalb nur erfolgen darf, wenn eben keine vernünftigen Zweifel mehr an der Schuld bestehen. Erst der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist seinerseits wieder Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips.

Seminarton off.

H.

...und dann behauptest du, du hättest weniger Jura-Kenntnisse als ich? :D Lehrbuchreif! :)

lg