michast schrieb:
Ich möchte nur kurz anmerken, dass es sehr interessant ist, wie schnell Menschen vergessen.
Das ist so ziemlich die einzige Aussage, der ich uneingeschränkt zustimmen kann.
Spätestens ab 1994 hatte die damalige Bundesregierung erkannt, dass Deutschland sich auf dem damals anliegenden Kurs unaufhaltsam auf einen Abgrund zubewegt. Die Kosten für die Wiedervereinigung hatten alle deutlich unterschätzt. Es konnte auch niemand wissen,
wie heruntergewirtschaftet die DDR nach 40 Jahren SED tatsächlich war.
Es dauerte dann natürlich eine gewisse Zeit, bis die ersten Gestzentwürfe auf dem Tisch lagen und im Bundestag verabschiedet wurden. Die von Kohls Regierung angefangenen Reformen zeigten ganz klar in die richtige Richtung, wurden jedoch im ab 1995 SPD-dominierten Bundesrat auseinandergenommen (Stichwort: Blockadepolitik). Übrig blieben nur marginale Korrekturen, die Schröder direkt nach seiner Machtergreifung wieder rückgängig machte - ein Fehler, wie er selbst nur wenige Jahre später zugeben musste.
Die Ursachen für die absehbare wirtschaftliche Katastrophe sind allerdings noch mehrere Jahrzehnte früher zu suchen:
Erhards Soziale Marktwirtschaft passte für die Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre. Es herrschte Vollbeschäftigung und wir hatten Wachstumsraten, von denen der "neue Markt" in seinen besten Tagen nur träumen konnte. Nach dem Machtwechsel 1969 hatte Willy Brandt jedoch das Fundament der sozialen Marktwirtschaft unterspült, indem er die sozialen Sicherungssysteme immer mehr belastete. Sein weitsichtigerer Finanzminister Schiller hatte die daraus zwangsläufig resultierenden finanziellen Probleme sofort erkannt und - da Brandt ihm nicht zuhören wollte - war von seinem Amt zurückgetreten. Damals fing die Bundesrepublik Deutschland an, über ihre Verhältnisse zu leben. Die Quittung dafür bekommen wir heute und in den nächsten Jahren.
Außenpolitisch hat Brandt Großes geleistet, in Bezug auf die deutsche Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik war eine Katastrophe.
Leider hat sich in der SPD - aus Nostalgie oder schlicht wegen fehlendem kognitivem Potenzial - viel von Brandts Gebermentalität und finanziellem Unverstand gehalten, speziell bei der Linken (Schreiner, Lafontaine und Co.).
Schröder hat mit seiner Agenda 2010 die richtige Richtung aufgezeigt. Allerdings kann er mit der "alten Dame" SPD im Rücken den notwendigen Kurswechsel kaum bewerkstelligen. Brandt sei "Dank". Mehr als Springprozessionstempo (drei Schritte vor, zwei zurück) ist für ihn nicht drin. Dumm nur, dass wir nicht so viel Zeit haben und unser Land den richtigen Kurs im ICE-Tempo zurücklegen muss. Denn andere Länder (auch und gerade unsere direkten Nachbarn) sind uns inzwischen Jahre voraus.
Ich weiß, welche Partei ich am 18.9 wählen werde. Und warum.
Schöne Grüße
Dirk