Auf die Gefahr hin, daß das Thema nun allmählich etwas ausgeleiert und eventuell ja -zum Glück- fast schon wieder vom Tisch ist, möchte ich meine Erfahrungen mit der Zuverlässigkeitsüberprüfung in Hamburg schildern.
Ich habe im Herbst 2004 meine PPL/A (Privatpilotenlizenz) Ausbildung bei einem Verein in Uetersen begonnen. Im Sommer 2005 habe ich meine Lizenz erhalten.
Nachdem ich im Frühjahr 2005 meinen Antrag abgegeben hatte, passierte erst einmal sechs Wochen gar nichts. Auf vorsichtige telefonische Nachfrage sagte man mir bei der Luftsicherheitsbehörde Hamburg zunächst, das sei wohl liegengeblieben („Huch“), ich solle morgen noch einmal anrufen, dann am nächsten Tag: „das kann noch dauern“. Ich fragte nach, ob es denn Probleme mit meinem Antrag gäbe, die Antwort war: „Allerdings, das kann man so sagen“.
Einige Wochen später, Ende Juni 2005, lud mich dann Herr S. von der Luftsicherheitsbehörde Hamburg zum Verhör vor, um Zweifel an meiner Zuverlässigkeit zu diskutieren.
Herr S. eröffnete das Gespräch damit, daß er diesen Job auch nicht gerne mache und daß er „keine Gesinnungsschnüffelei betreiben wolle“. Dann legte er allerdings die Akte auf den Tisch, die er vom Verfassungsschutz über mich erhalten hatte. Da gäbe es ja wohl noch einiges zu klären.
An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage, warum man eine Akte beim Verfassungsschutz hat. So etwas gehört ja nicht unbedingt zu den Dingen, die man gerne besitzt. Bin ich Terrorist oder Gewalttäter?
Mitnichten. Ich bin selbständiger IT-Berater, erledige Gutachten und Auftragsarbeiten für eine Anzahl von Industriekunden und Universitäten.
Nun stellt man sich natürlich Fragen; was kann es sein, dass dem großen Bruder an mir nicht gefällt? In welcher Rasterfahndung bin ich hängen geblieben?
Zu viele Reisen? Mit dem Motorrad durch Mauretanien, Algerien, Rußland. Außerdem Reisen nach Kuba und Ägypten. Sollte es das gewesen sein?
Aber sollte es bei einer Sicherheitsüberprüfung, nach deren Ergebnis man in seinen Grundrechten eingeschränkt wird, nicht um Tatsachen, nicht Spekulationen, gehen, die „Zweifel an der Zuverlässigkeit“ befürchten lassen? Was könnte da sein?
Also, was dann in der Akte drinstand, hat mit Tatsachen wenig zu tun und entspricht zu meinem Erschrecken genau dem Bild, das ich immer von der Arbeitsweise der Stasi in der DDR hatte. Es geht um spekulative, durch schlampige Ermittlungen gestützte Gesinnungsschnüffelei.
Im PPL-Theorieunterricht, bei der Frage der Zuverlässigkeit (damals noch ganz unschuldig im Zusammenhang von Drogen im Strassenverkehr, Punkten in Flensburg und Vorstrafen diskutiert), hatte ich noch gescherzt: „Ist man auch unzuverlässig, wenn man mal auf einer Friedensdemo war?“. Scherz beiseite, so fing die Akte an: Ich bin 1994(!) auf einer Demonstration kontrolliert worden. Kontrolliert, nicht etwa angezeigt, angeklagt, oder irgendeiner Straftat beschuldigt. Nein, als Teilnehmer registriert.
Desweiteren ist offensichtlich mein Bekanntenkreis durchleuchtet worden. So wurde mir vorgehalten, daß ich von 1999 bis 2002 Gesellschafter einer GmbH für Softwareentwicklung war. In dieser Firma, soll es eine Person gegeben haben, die vorbestraft gewesen sei. Jetzt sollte ich bitte erklären, was ich mit dieser Person zu tun gehabt hatte, und wie es habe sein können, daß man eine solche Person beschäftigt.
Frage: Was hat die politische Einstellung eigentlich mit der Pilotenlizenz zu tun?
An dieser Stelle entwickelte sich eine Diskussion zum Thema politische Einstellung. Diese Diskussion zwischen mir und der Behörde für Luftsicherheit war mehrfach absurd: Zum Einen ging es ja nicht um Tatsachen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit meiner Person gerechtfertigt hätten. Es ging ja noch nicht einmal um meine Person selbst, sondern um meinen Bekanntenkreis.
Zum Anderen sagte Herr S. am Ende, er könne das letztlich sowieso nicht beurteilen, denn er sei schließlich kein Polizist, sondern Beamter der Luftsicherheitsbehörde. Dennoch sollte ich ihm gegenüber nun die Natur meiner politischen Einstellungen, meines Bekanntenkreises und meiner Freude am Fliegen erläutern.
Das schlimmste aber ist, daß ich auch ganz aktuell zu politischem Extremismus neige. Wie der Verfassungsschutz weiß, bin ich nämlich „Halter eines Bauwagens“. Und in diesem Zusammenhang mit Straftaten wie Nötigung registriert!
Neben der Tatsache, dass Bauwagen im Allgemeinen keine Halter haben, da sie nicht als Kfz zugelassen sind, läßt sich diese Geschichte wie folgt auseinanderdröseln: Ich wohne in Hamburg St. Pauli. Außerdem bin ich Halter eines Allrad-Gelände-LKW‘s, mit dem ich einige Reisen z.B. in die Sahara unternommen habe, bevor ich für so etwas wegen meines neuen Hobbies Fliegen kein Geld mehr hatte
. Dieser LKW ist nun auf der Strasse vor meinem Wohnhaus geparkt gewesen, als auf eben dieser Strasse eine Demonstration zum Thema „Erhalt von Bauwagenplätzen“ stattfand. Diese Demonstration endete in einer Strassenblockade, in deren Verlauf die Polizei diverse LKW und Bauwagen abschleppen ließ.
Da mir schon klar war, daß die Polizei hier nicht zwischen teilnehmenden und nicht teilnehmenden Fahrzeugen unterscheiden würde, war ich im Verlauf der Polizeiaktion zum Einsatzleiter vorgedrungen, hatte ihm auseinandergesetzt, daß mein LKW a) nicht an der Aktion teilnimmt, b) schon seit vier Wochen auf diesem Parkplatz gestanden hat und c) keine Blockade der Strasse begeht, da er am Strassenrand auf einer legalen Parkfläche steht. Wir waren dann übereingekommen, daß ich den Wagen einfach wegfahre und woanders parke, was ich dann auch getan habe. Zu keinem Zeitpunkt ist gegen mich ermittelt oder Anzeige erstattet worden, zumindest weiß ich nichts davon, und wenn, dann wäre es sicherlich ein Leichtes gewesen, die Angelegenheit richtigzustellen, denn es hat an diesem Tag bestimmt genug beweissichernde Fotos etc von der Parksituation auf dieser Strasse gegeben.
Musterbeispiel aus Schlampigkeit und Hörensagen
Ein solche Chance auf Richtigstellung hat man aber nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Gegenüber den – unrichtigen, schlampig ermittelten – Behauptungen, die hier in den Akten des Verfassungsschutzes stehen, kann man sich vor keinem Gericht wehren.
Normalerweise liegen solche Akten in einem tiefen Keller der entsprechenden Behörden, wo sie hingehören, aber im Fall der Zuverlässigkeitsprüfung werden sie als Grundlage für eine Rechtebeschneidung des Einzelnen genutzt, gegen die dieser sich nicht auf rechtsstaatlichem Wege wehren kann. Was, wenn nicht das, ist Behördenwillkür?
Nun, in meinem Fall ist die Sache gut ausgegangen. Herr S. sagte mir am Ende des Gespräches, er persönlich habe keine Zweifel im Sinne meiner Zuverlässigkeit als Luftfahrzeugführer, es sei aber nicht an ihm, das abschliessend zu entscheiden. Aber eine Woche später hatte ich das positive Ergebnis der Zuverlässigkeitsprüfung dann in der Tasche.