Das Problem ist doch, dass die Schüler fast mehr Zeit bei ihrem Lehrer verbringen als bei der Familie... Von daher vertrete ich die Meinung, dass ein Lehrer eben mehr als nur die Fächer vermitteln sollte.
Prinzipiell gebe ich Dir da sogar Recht. Das Problem ist allerdings vielschichtiger Natur:
- ich bin ausgebildet worden, um Stoff zu vermitteln (und ich hoffe, dass ich das auf witzige, spannende, anregende, nachdenkliche, tolle, aufregende, anspruchsvolle Weise mache)
- ich bin nicht zum Sozialarbeiter, Therapeuten, Erzieher ausgebildet worden
- ich habe sehr wenig Zeit um sehr viel Stoff zu vermitteln
In NRW ist die Schulzeit gerade von 13 auf 12 Jahre verkürzt worden. Stoffkürzungen hat es nur sehr bedingt gegeben. Mehr Stunden sind zwar an einigen Stellen zugebilligt, aber, verständlich, aufgrund erhöhter Belastung der Schüler bereits wieder in der Diskussion.
Ich unterrichte Musik. Das sind pro Klasse 2 Stunden in der Woche. Also 90 Minuten. Ich unterrichte derzeit 6 Klassen in Musik. Das macht also 12 Stunden Musik in der Woche. In jeder Klasse sitzen durchschnittlich 28 Schüler. Ich unterrichte also in 12x45 Minuten (540 Minuten) 6x28 Schüler (168).
Ich habe also 168 Individuen vor mir. Jede(r) mit eigenem Leben, eigenen Erfahrungen, eigenen Problemen. Rein statistisch habe ich somit für jeden Schüler jede Woche 3,2 Minuten Zeit. 3,2 Minuten.
Wie soll ich in 3 Minuten (pro Woche!) auf Schüler individuell eingehen? Wie soll ich jeden dort packen, wo er zu packen ist? Wie soll ich neben der Vermittlung von musikalischer Theorie, musikalischem Spielspaß, Musikgeschichte, Rock, Pop, Jazz, Klassik, etc. da auch noch die Werte vermitteln, die eigentlich das Elternhaus vermitteln sollte?