Es ist interessant, wo der Zug hinfährt. Und damit meine ich die gesamte IT-Branche.
Vor 10 Jahren war noch völlig klar, dass Content Creation auf leistungsstarken Maschinen stattzufinden hatte, dass Business-Applikationen á la SAP auf Dell- oder Fujitsu-Towern zu laufen hatten und dass Privatanwender entweder den Spiele-PC im Haushalt hatten oder das 300,-€-Discounter-Notebook. Manche Freaks hatten schon immer Apple-Geräte, aber für die meisten war das inkompatible Quälerei, Hipstertum oder schlicht zu teuer. Etablierte IT'ler der Fraktion "Ich schalte bei Windows XP die Klassik-Ansicht an, damit es so aussieht wie 3.1" belächelten Apple und trugen lieber Thinkpads in ihren schwarzen Umhänge-Laptoptaschen mit sich herum. Ihre Termine und Kontakte steckten im Blackberry, wenn der Chef es bezahlte oder im Windows-Messenger, wenn man selbst ein Smartphone kaufen musste. Dafür war das etwas cooler und hatte schon drei Spiele-Apps...
Und dann kam das iPhone. Und das iPad. Und erst wurde es als Spielzeug genutzt. Und irgendwann fingen einige Leute an, völlig gegen die Regeln zu verstoßen und mit ihrem iPad in Meetings zu erscheinen, um damit Notizen zu machen. Oder zum Kundentermin die Präsentation via Tablet zu präsentieren. Manchen gefiel Apples Line-Up so sehr, dass sie - zwei Jahre zuvor noch Spötter - ihren Gamer-PC gegen ein Macbook austauschten. Und wieder zeigten ganz freche Zeitgenossen, dass man sogar ganze Firmen gründen konnte, Geld verdienen, indem man nur die Consumerprodukte von Apple nutzte. Manche Leute verdienten sogar richtig viel, indem sie Content nur auf ihrem Macbook Air kreierten. Das ganze fing mit -naturgemäß flexiblen- Startups und Kleinstfirmen an. Irgendwann merkten aber auch die großen Konzerne, dass ihre Mitarbeiter es dankend annahmen, wenn die IT ihnen anstelle des klobigen Blackberry auch mal ein iPhone anbot. Irgendwann fingen die ganz großen wie SAP an, sogar Apps für iOS zu entwickeln, mit denen Unternehmen ihre Produkte nutzen konnten.
Natürlich gibt es sie noch, die Keller, in denen die "richtige IT" in Form von Servern und Datenspeichern steht. Und natürlich ist da nirgendwo ein Apfel drauf. Und natürlich gibt es auch noch die Pferdeschwanz-Metalshirt-Admins, die mit Hingabe ihr "ipconfig -all" und "net start spooler" in die Windows-Shell tippen. Aber für 90% der arbeitenden Bevölkerung in unserer Dienstleistergesellschaft besteht "arbeiten" eben aus Telefonieren, kommunizieren, Texte schreiben, Tabellen pflegen, Termine vereinbaren und dann wieder kommunizieren.
Und all das lässt sich auf so ziemlich jedem Gerät erledigen, das der Markt zu bieten hat.
Ich finde Windows in einigermaßen aktueller Version nicht schlecht, habe beruflich ein Lenovo-Notebook, welches wirklich alle Tasks mit Bravour erledigt. Privat nutze ich meine IT in Form von wirklichen Rechnern immer weniger. Spielen habe ich schon in der Last-Gen auf aktuelle Konsolen ausgelagert und schnelle Web-Recherchen oder das Bedienen der zahlreichen Kommunikationskanäle geht mit dem iPhone auf dem Sofa bequemer. Wenn ich mal zuhause arbeite, dann auf dem Dienstlaptop. Mich an einen Desktop zu setzen, einen festen Ort in der Wohnung aufsuchen zu _müssen_, ist mir mittlerweile absolut fremd. Im Sommer arbeite ich lieber auf der Terrasse, wenn Konzentration nötig ist, allein im Arbeitszimmer und wenn es mir da zu einsam ist, am Wohnzimmertisch während die Family spielt oder fernsieht. Mein alter Mac Pro fristet ein Dasein als Mediacenter - weil ich ihm etwas gutes tun wollte. Nutze ihn aber nicht wirklich, weil es einfacher ist, einen USB-Stick direkt an den Fernseher zu hängen...
Microsoft hat einen guten Ruf im Businessbereich, aber sie wollen das Apple-Erlebnis kopieren. Manches davon machen sie ganz gut, ihre Infrastruktur funktioniert. Wer ein Windows Phone, eine Xbox One und ein aktuelles Notebook und/oder Tablet mit Windows 8.1 hat, der kann damit all das machen, was Apple-User auch können, wenn sie alle iDevices, appleTV und einen Mac nutzen. Vielleicht sogar mehr.
Aber sie sind einfach zu spät. Das iPad ist DER Inbegriff des Tablets, und den Platz des Zweiten belegt schon Android über den Preis. Wer 600,-€ ausgeben will und kann, der greift halt zum iPad. Wer nur 200,-€ hat (oder gewillt ist, zu investieren), der kauft ein Acer- oder Samsung-Gerät. Das Surface hochpreisig zu machen ist zunächst ein mutiger Schritt gewesen. Offenbar ist der Markt aber bereits so gesättigt, dass es die Plattform nicht so leicht hat.
Wie gesagt - ich finde es sehr interessant, wie sich alles so entwickelt. Apple wird immer mehr zum Esoterik-Minimalistenverein, ich sehe schon das nächste Produkt, egal was es ist, in Form eines völlig gleichmäßigen Alublocks und das Video, in dem Johnny Ive es mit sanfter Stimme und in die Ferne gerichtetem Silberblick beschreibt, vor Augen. Microsoft bringt mal eben eine neue Konsole heraus, mit einem Mangel an Planung, der nichtmal bei einer Kindergeburtstagsparty verzeihbar wäre. Software muss man jetzt mieten oder abonnieren, was Hobbyisten und Freelancer immer mehr von "richtigen Business" abschneidet. Dafür kann man bald in seinem Audi mit 230 km/h auf der linken Spur Facebookposts verfassen... letzteres übrigens auch ein völlig neuer Berufszweig - sofern man nicht den Anspruch hat, mit seiner Arbeit Geld zu verdienen.