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SilentCry

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Hm. Ich bin da wohl eher einer Meinung mit deinem Freund.
Ein plastisches Beispiel (das man sicher wieder zerlegen kann wie jedes Beispiel, jeden Vergleich): Ich fürchte mich nicht vor Verbrechern, ich bin groß und stark, bewaffnet und akzeptiere ein gewisses Lebensrisiko. Gegen einen Einbrecher kann ich mich wehren. Gegen ein paar auch, denn sie müssten schon mit viel Todesverachtung rangehen um ein wirtschaftlich relativ unrentables Ziel wie mich zu überwältigen.
Staatliche Gewalt aber ist unüberwindbar. Gerät man zu Unrecht in die Mühlen eines Überwachungs- und/oder Polizeistaates, dann ist man chancenlos (es sei denn man gibt alles auf, flieht und versteckt sich im Untergrund) weil man anders als nach einem Angriff durch klassische Verbrecher Welle um Welle von organisierter Gewalt abwehren müsste, was man nicht kann.
Im Extremfall würde ich eine Anarchie einem totalitären Polizeistaat vorziehen, die Anarchie mag potentiell gewalttätiger sein, aber die Gegenmaßnahmen, die einem selbst zur Verfügung stehen, sind auf Augenhöhe mit dem Angreifer. In einem Polizeistaat ist das nicht so.

Zudem muss ein klassischer Verbrecher einen wirtschaftlichen Nutzen haben. Für 2,50 Euro setzt der keine Armee ein und ein 100 Millionen Euro Equipment. Ein Polizeistaat schon. Die Aktionen eines totalitären Regimes müssen nicht wirtschaftlich sein, dieses verfolgt andere Ziele. Da ist auch Lieschen Müller wert, mit einer Armee gejagt zu werden.

Man sieht es ja schon. Dein Freund ist nicht alleine. Die Maßnahmen des Überwachungsstaates Europa sind schon so allgegenwärtig, dass sich Menschen wie er und ich ununterbrochen beobachtet fühlen. Erst vor kurzem diskutierten wir, ob es in Österreich eigentlich giftige Pflanzen gibt. Googeln wollte ich es nicht, wer weiß, in welches Raster man kommt, wenn man vom Hausanschluss aus nach Giftpflanzen sucht - vor allem falls dann in zeitlicher Nähe vielleicht ein Giftmord passiert...

Du wirst dir jetzt denken "Hach wie absurd".
Also bitte, Beispiel 4

heise schrieb:
Vor drei Wochen wurde der Berliner Stadtsoziologe Andrej H. unter dem Verdacht der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a" festgenommen. Als Grund für die Festnahme nannte die ermittelnde Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe die Benutzung von Vokabeln, die auch in Schriften der sogenannten "Militanten Gruppe" vorkommen.
[...]
Dabei stellte sich heraus, dass BKA-Beamte mit einer Google-Suche nach den Begriffen "Gentrification" und "Prekarisierung" auf den Stadtsoziologen aufmerksam wurden. Die Tatsache, dass der Soziologe zu den Begriffen forschte, die für die Aufwertung oder Abwertung von Stadtvierteln benutzt werden, genügte offenbar den BKA-Beamten, um eine Verbindung zur "militanten Gruppe" herzustellen. "Das reichte für die Ermittlungsbehörden für eine fast einjährige Observation, für Videoüberwachung der Hauseingänge und Lauschangriff", [...]

Ein Jahr Überwachung, Festnahme, Anklage ... wegen Suchbegriffen in Google.
Nein, mein Lieber, wer sich im Europa des dritten Jahrtausends überwacht fühlt, ist _nicht_ paranoid. Und wer bei einem Vorgehen wie diesem nicht die Ansätze eines Polizeistaates erkennt, dessen Wunsch nach einer heilen Welt verstehe ich zwar, die dazu notwendige "Blindheit" kann ich aber nicht nachvollziehen.

Wohin das alles gehen soll sieht man hier: Beispiel 5
Bürokraten erlassen Tötungsbefehle, gedungene Mörder und Drohnen mit staatlichem Segen führen diese dann aus. Keine Anklage, keine Verteidigung, keine Verhandlung, keine Transparenz. Nur selbsternannte Richter, die im Schatten mit Überwachungsmitteln heimlich Informationen zusammen tragen und dann die Henker los schicken. Mal gerne auch ganz offensichtlich gegen einen komplett Falschen - aber was macht das schon. Wobei: Diese Vorgehensweise ist IMMER falsch, in dem Fall war sie falsch UND kafkaesk.
 

Cohni

Ananas Reinette
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Du wirst dir jetzt denken "Hach wie absurd".
Nee, mein erster Gedanke war "bizarr". ;) Dann bin ich spazieren gegangen und konnte eine ganze Weile darüber nachdenken.

Im Extremfall würde ich eine Anarchie einem totalitären Polizeistaat vorziehen, die Anarchie mag potentiell gewalttätiger sein, aber die Gegenmaßnahmen, die einem selbst zur Verfügung stehen, sind auf Augenhöhe mit dem Angreifer. In einem Polizeistaat ist das nicht so.
Ich würde in keinem von beiden leben wollen. Den Polizeistaat kenne ich schon, die Anarchie fordert mir zu viele Opfer bei schwächeren Menschen, die eben nicht wie Du aus dem Beispiel auf Augenhöhe mit dem Verbrecher kämpfen können.
Außerdem entwickelt sich doch aus der Anarchie möglicherweise wieder irgendeine Diktatur, da sich Zusammenschlüsse bilden würden, die dann wieder irgendwelche eigenen Interessen vertreten möchten, Machtkämpfe usw. Ich bin überzeugt, eine "ordentliche" Anarchie funktioniert nur in kleinen Gruppen.

Wenn Du mir jetzt jedoch die Pistole auf die Brust setzen würdest und mir ausschließlich entweder oder anbieten, dann wüsste ich es ehrlich nicht. Meine Kriterien wären in einem solchen Extremfall nicht meine persönliche Freiheit, sondern erstmal jene, dass ich das Leben meines Sohnes und seiner Mutter schützen wollen würde. Das wäre die erste Priorität für mich. Im Zweifel Polizeistaat. Kleinbürgerlich, spießig? Klar. Aber ich würde mein Kind für keine Ideologie der Welt opfern und wenn dies zur Folge hätte, in einem Polizeistaat zu leben, dann ist es eben so. Im Zweifel der goldener Käfig, bis das Balg flügge ist...

Nur zum Glück ist dies eine theoretische Frage.

Man sieht es ja schon. Dein Freund ist nicht alleine. Die Maßnahmen des Überwachungsstaates Europa sind schon so allgegenwärtig, dass sich Menschen wie er und ich ununterbrochen beobachtet fühlen.
Richtig. Es gibt viele Menschen, die sich beobachtet fühlen. Allerdings gibt es ebenso viele Menschen, die das nicht tun. Wer ist jetzt der Buhmann? Seid Ihr paranoid oder sind wir blind? Sind wir zu blöd, die Welt zu erkennen oder seid Ihr es?

Weißt Du, was ich glaube? Dass wie so oft eine Mischung aus beiden richtig und berechtigt ist. "Eure" Seite übertreibt, aber ihr habt einen guten Grund dazu, denn es gibt genügend Beispiele staatlichen Versagens. "Unsere" Seite vertraut vielleicht ein bisschen zu sehr dem guten Selbstgang der Dinge.

Deswegen bin ich auch sehr gerne bereit über die Dinge nachzudenken, die Du aufzeigst. Auch wenn Du es nicht glaubst, ich lerne für mich selber daraus. Da ich aber auch die andere Seite kenne, nämliche jede Menge Beispiele, wo es nicht so extrem gelaufen ist, wie in Deinen Beispielen, weiß ich, dass die alltägliche Praxis nicht dem Muster der Deiner Extrembeispiele folgt. Für mich sind das und bleiben das Ausnahmen.

Du kannst mir nicht einfach Blindheit vorwerfen. Ich nehme das nicht übel nebenbei bemerkt. Ich mag Dir bloss zu bedenken geben, dass ich sozusagen die andere Seite aus persönlicher Erfahrung und dem täglichem Leben kenne. Mit so einer anderen Seite steige ich nämlich jeden Tag ins Bett, um mal genauer zu sein.

So ein Überwachungsstaat funktioniert nicht nur von der Spitze her, der muss bis ins Glied durchorganisiert sein. Dazu möchte ich ganz bescheiden wiedermal auf meine Lebenserfahrung aus der anderen "Republik" verweisen. Ich kenne den Überwachungsstaat aus eigener Erfahrung. Hast Du die auch SilentCry?

Es gibt keinen Masterplan. Dass der Apparat fürchterlich klappert mag ich gar nicht bestreiten. NSU, Deine Beispiele...alles richtig und alles anklagenswert. Aber es ist kein System, denn jenen Ereignissen stehen tausende andere Ereignisse gegenüber, wo es richtig, wo es sauber gelaufen ist. Nämlich so, wie die Gesetze es vorsehen.

Natürlich ist es absolute Sch..., wenn man unschuldig ins Visier kommt. Aber Deiner Feststellung, dass man schutzlos ist, möchte ich heftig widersprechen. Natürlich gibt es immer ein Restrisiko, dass man sogar unschuldig verurteilt wird. Es mag zynisch klingen, aber das Rechtssystem ist kein imaginäres Gebilde, es arbeiten Menschen darin und die machen Fehler. Leider manchmal mit sehr tragischen Folgen. Was ist eigentlich aus Andrej H. geworden? Freispruch? Wenn ja, hätte das System in dem Falle funktioniert. Jedenfalls so, dass Fehler korrigiert wurden.

Dein Beispiel 5 kann ich nicht zerreden. Wie auch? Warum sollte ich? Das ist Amerika. Hier ist Deutschland und ich sehe uns gesellschaftlich in der Entwicklung einhundert Jahre voraus. Meine Meinung zu den Drohnen habe ich schon geschrieben. Ich bin auch ohne wenn und aber gegen die Todesstrafe.

Aber wie gesagt. Hier ist Deutschland und nicht Amerika. Das kannst Du nicht als Beispiel für uns herleiten. Falsch, kannst Du schon. Ich finde nur, dass dies nicht richtig ist. Völlig andere Entwicklungswege...
 

SilentCry

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Ich gebe dir insofern Recht, dass kein Gremium Grauer Männer / Frauen / Transgender existiert, das die Geschicke der Welt leitet. (Das wäre einfach, man müsste sie nur aufspüren und eliminieren und die Welt würde ein freier, bunter Ort lustigen Treibens). Aber die Saat geht von selbst auf. Wie ein Meta-Organismus haben sich Ausbeutung und Überwachung ausgebreitet und wie ein (relativ instinktgetriebener) Organismus funktioniert er auch.

In der Wirtschaft sorgt dieser organische Ansatz dafür, dass (so gut wie) nur menschenverachtender Abschaum in die Höhe kommt. In der Politik nur die Wendehälse und Lobbyhuren (sorry für die plastischen Vergleiche, ich will es aber klar und deutlich machen), im "Rechtsstaat" nur die Law and Order-Fraktion (weil sie in der Mechanik des Organismusses mit _Effektivität_ punkten können und die Menschen nicht erkennen können, oft im Wahn der Rache gefangen, wie unmenschlich das Kriterium "Effektivität" ist [1]) und im Polizeibeamtentum bevorzugt der Metaorganismus Leute wie Ziercke, die einfach die Aufhebung von Bürgerrechten fordern können weil sie sich selbst als "über dem Gesetz" ansehen. Einem Menschen, der sich mit denen, die er beschützen soll, GLEICH stellt, käme nie auf so absurde Ideen wie VDS oder Bundestrojaner. Damit würde er für das organische Konzept ein Fremdkörper, das Immunsystem würde ihn vernichten.

Also nein, es ist kein Masterplan, aber die Welt ist von einer Art "imaginärem Pilzgeflecht" bedeckt, dessen organischer Habitus ein Muster erkennen lässt, nämlich das des Überwachungs- und Polizeistaates in dem Konzerne herrschen und Gewaltentrennung nur noch als die Wahl verstanden werden kann, friedlich zu verhungern oder von einer Polizeidrohne bei einer Demo erschossen zu werden. Das ist, wohin dieser Metaorganismus strebt.

Um auf deine Frage zu antworten: Nein, ich komme nicht aus der DDR. Aber man muss keinen Lungenkrebs haben um zu erkennen, dass man keinen will. Und so weit weg, wie wir alle glauben, ist das gegenwärtige Europa von der DDR nicht mehr, was die Haltung der Macht zum Bürger betrifft und der Anspruch "des Staates" (besser: "der Verwaltungsorgane", denn "der Staat" sollten eigentlich _wir_ sein) auf totales Wissen und totale Kontrolle über den Einzelnen betrifft.

[1] Effektivität
Beispiel: Um Verbrechen an Frauen zu verhindern wäre es extrem effektiv, alle Frauen in Sicherheitsverwahrung zu nehmen. Oder alle Männer. Oder alle Männer zu töten. Oder alle Frauen. Generell könnte man zivile Verbrechen dadurch verhindern, dass wir alle morgens aus unseren Zellen geholt, in Ketten zur Arbeit geführt und am Abend wieder in Einzelzellen eingesperrt werden. Effektiv ja. Menschenwürdig? Nein. Das ist ein extremes Beispiel aber genau so wird argumentiert, wenn es um die Totalüberwachung geht. Moshammers Mörder wurde aufgrund einer illegal behaltenen DNA-Probe gefasst. Ist es gut, Mörder zu fassen? Sicher. Ist es effektiv, eine DNA-Datenbank dazu zu haben? Bestimmt sogar. Aber will ich in einem System leben, das mein Genom vor hält um mich wie einen Hund an der Leine zu führen? Bestimmt nicht. Aber das Argument der Effektivität blendet jede Form von "lebenswert" aus. Es ist für sich genommen umso besser, je totalitärer die Maßnahme ist!
 

Cohni

Ananas Reinette
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Um auf deine Frage zu antworten: Nein, ich komme nicht aus der DDR. Aber man muss keinen Lungenkrebs haben um zu erkennen, dass man keinen will. Und so weit weg, wie wir alle glauben, ist das gegenwärtige Europa von der DDR nicht mehr, was die Haltung der Macht zum Bürger betrifft und der Anspruch "des Staates" (besser: "der Verwaltungsorgane", denn "der Staat" sollten eigentlich _wir_ sein) auf totales Wissen und totale Kontrolle über den Einzelnen betrifft.
Den ersten Teil dieser Aussage kann ich unterschreiben. Ich habe auch nicht den Faschismus in Deutschland erlebt und weiss dennoch, welch geschichtliche und menschliche Katastrophe dies war.
Andererseits kann ich meine eigenen persönlichen Erfahrungen nicht mit dem Wissen um die Geschichte vergleichen und widerspreche Dir im letzten Punkt. Nein, das gegenwärtige Europa ist sehr wohl meilenweit von der DDR entfernt.
Aber das Argument der Effektivität blendet jede Form von "lebenswert" aus. Es ist für sich genommen umso besser, je totalitärer die Maßnahme ist!
Wie kommst Du denn auf diesen Schluß. Schau Dir die Natur an. Ein unfassbar effektives System, wenn der Mensch sich nicht einmischt. Ein effektives System, was auf Leben ausgerichtet ist. In sich auf ziemlich brutale Art und Weise.

Man kann das doch nicht auf das Rechtssystem an sich ummünzen.

Außerdem negierst Du den Wunsch des Menschen in Ruhe und Sicherheit zu leben. Eine Gesellschaft funktioniert nicht ohne Regelrahmen. Der Mensch ist nunmal ein höchst ambivalentes Wesen und dem muss doch Rechnung getragen werden.

Du negierst wiederum die Tatsache des Zieles im Strafrecht. Wie die ganze Geschichte umgesetzt wird, ist eine andere Frage.

Dafür haben wir doch die gesellschaftliche Kontrolle. Nicht einmal mehr ungeprüft Doktor kann man werden...;).

Deine Vergleiche hinsichtlich der Effektivität sind sicherlich absichtlich übertrieben, um zu veranschaulichen. Aber in diesem Fall passen sie gar nicht, weil Du die Ziele der Maßnahmen verdrehst. Natürlich kann man durch "Ausschalten" der potentiellen Opfer die Gefahr für sie selber an sich quasi vernichten. Extremer Opferschutz.
Dies ist doch aber viel zu einseitig gedacht, wenn man das auf das Strafrecht bezieht. Das Strafrecht hat viel mehr Ziele, als nur den Opferschutz. Es geht vorrangig darum, einem Straftäter habhaft zu werden und wenn es denn gelingt zu beweisen, dass er tatsächlich Normen verletzt hat, geht es auch um die Bestrafung, die Sühne.

Was passiert in einer anarchischen Gesellschaft bei einem konkreten Vorfall? Wobei Gesellschaft und anarchisch sich irgendwie widerspricht. Gesellschaft folgt ja immer irgendwelchen Regeln.

Eine Frau wird auf offener Straße vergewaltigt. Danach tötet der Täter die Frau. Schauen die anderen Mitglieder der Gemeinde zu? Verhindern sie die Tat oder lassen sie sie geschehen, weil es ja eine freie Entscheidung des Täters war, sich die Frau zu nehmen? Wahrscheinlich nicht, oder. Man wird ihn greifen und vielleicht lynchen. Wäre das nicht auch eine Art Recht?

Man kann sich über die Art und Weise der Umsetzung streiten. Man kann sich natürlich über Dinge, wie Quellen-TKÜ usw. streiten. Alles kein Problem. Aber ich bitte doch auch zu beachten, welches Ziel im Kleinen das Strafrecht zum Beispiel hat.
 

SilentCry

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Ich bin kein Gegner des Rechtsstaates, im Gegenteil. Aber ich bin ein erklärter Feind des Präventivstaates. Der Versuch, jedes Lebensrisiko auszuschalten führt zu einer inkasernierten Gesellschaft im Gleichschritt. Leben in der Gummizelle, mit 7x24 Videoüberwachung. Was ich unter "Leben" verstehe, ist anders.
 

Cohni

Ananas Reinette
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Dann sind wir überraschenderweise gar nicht so weit voneinander entfernt von dem, was wir eigentlich beide wollen.
 

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Stahls Winterprinz
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Ich bin kein Gegner des Rechtsstaates, im Gegenteil. Aber ich bin ein erklärter Feind des Präventivstaates. Der Versuch, jedes Lebensrisiko auszuschalten führt zu einer inkasernierten Gesellschaft im Gleichschritt. Leben in der Gummizelle, mit 7x24 Videoüberwachung. Was ich unter "Leben" verstehe, ist anders.


Sehr schön sieht man das am Waffenrecht. Fast alle Parteien wollen den privaten Schusswaffenbesitz einschränken oder extrem stark reglementieren, stärker als das bisher der Fall ist.

Obwohl die Gefahr für den Normalo durch legale (!) Schusswaffen zu vernachlässigen ist.

5-10 Tote jedes Jahr durch legale Schusswaffen, meistens Beziehungstaten oder sowieso durch Berufswaffenträger.

Demgegenüber stehen z.B. 4000 Verkehrstote, von denen geschätzt 2/3 auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind. Das wird aber nie thematisiert.
 

SilentCry

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Na, mit einer überzüchteten Karre durch die Gegend rasen ist ja auch wichtiger als dieses unnütze Bedürfnis zur Selbstverteidigung.
 

Irving

Lambertine
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Bei Netzpolitik werden aktuell (mal wieder) die Probleme der Quellen-TKÜ auch in Unterscheidung zur Online-Durchsuchung angerissen.
https://netzpolitik.org/2013/leistu...ht-die-quellen-tku-gesetzeskonform-zu-machen/

Allein die technische Unmöglichkeit wird ja u.a. bereits in Diplomarbeiten dargelegt...
https://netzpolitik.org/2012/angeza...rbar-und-damit-grundsatzlich-abzulehnen-sind/

Ansonsten kann man nur raten, sich mit den Fragen zu beschäftigen, warum ein Rechtsstaat seinen Behörden per se nicht Möglichkeiten einräumen darf, die allein schon auf Grund der technischen Besonderheiten problematischste Dimensionen eröffnen, die vom Rechtsstaat ausgeschlossen sind. Anders als in Bayern, wo die dortige Justizministerin tatsächlich öffentlich sogar den Rechtsstaat verhöhnen kann (Lieber einen zu viel, als einen zu wenig wegsperren...), hat wenigstens das Bundesverfassungsgericht ansatzweise bereits das Problem erkannt. Konform zum Bundesverfassungsgericht bestätigt auch ein Bundesanwaltliches Gutachten: "Eine Ermächtigung zur Infiltration eines informationstechnischen Systems, die diesen Anforderungen gerecht wird, enthält die Strafprozessordnung nicht."
https://fragdenstaat.de/files/foi/7011/Gutachten_Quellen_TK.pdf
http://www.golem.de/news/quellen-tk...grundlage-fuer-staatstrojaner-1301-97125.html
http://www.faz.net/aktuell/feuillet...t-quellen-tkue-fuer-unzulaessig-12037611.html


Zur Rechtswidrigkeit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung noch eine Arbeit von Richter Ulf Buermeyer und Prof. Dr. Matthias Bäcker...
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/09-10/index.php?sz=8

Auch aktuell wird von den meisten Experten Sinn und Möglichkeit der Umsetzung bezweifelt. Das wird so bleiben.
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Experten-raten-von-Staatstrojanern-ab-1805611.html

Wer sich mit den technischen Hintergründen beschäftigt und die Staatsrechtsprinzipien anwendet wie auch Effektivitätsstudien berücksichtigt, wird am Ende nur zu der einen Überzeugung gelangen können: Der Rechtsstaat darf nicht präventiv Waffen ziehen, die er im Zweifelsfall nicht entschärfen kann... Und die Polizei wie auch die Dienste sollten sich im Inland überlegen, ob die Selbstkriminalisierung dem ihnen anvertrauten Auftrag entsprechen kann. Die Bürger müssen indes abwägen, ob sie Politiker fördern, die mit laienhaften Begründungen Bürger fehlinformieren wie Behörden dabei unterstützen, fortdauernd Grundgesetzbruch zu begehen. Dass ausgerechnet unsere 'Gesetzeshüter' Gesetze fordern, um eben diese zu umgehen – ach, das sollte uns nicht nur zu denken geben, sondern auch Mitarbeiter der Behörden langsam mal irritieren...

Weitere Informationen:
http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20120005
http://blog.beck.de/2008/06/20/lg-hamburg-quellen-tku-unzulassig
http://www.ccc.de/system/uploads/103/original/Schaar-Bericht.pdf
https://netzpolitik.org/2012/online...-halt-einsatz-von-staatstrojaner-fur-illegal/
http://www.ccc.de/de/updates/2011/staatstrojaner
http://ijure.org/wp/archives/685
http://www.internet-law.de/2013/01/bka-kauft-wieder-kommerzielle-trojanersoftware.html

Vorträge vom CCC...
http://www.youtube.com/watch?v=NjcCgHD1EBo
http://www.youtube.com/watch?v=zAV-hTpperU
 

Cohni

Ananas Reinette
Unvergessen
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@Irving
Es diskutieren die Experten, ob 100a,b für die Quellen-TKÜ ausreicht oder nicht. Wenn sie überhaupt technisch sauber umsetzbar wäre. Es scheint eher nicht so, aber wer weiß.

Dass über die Rechtsgrundlage diskutiert wird, beweist aber auch eines. Es gibt verschiedenen Meinungen dazu, auch innerhalb der Juristerei. Jetzt kann man natürlich Partei für die eine Seite oder andere Seite ergreifen und der jeweiligen Gegenseite profan ausgedrückt vorwerfen, sei hätte Böses im Sinn. Das ist natürlich Unsinn.

Aus unserer Diskussion...und ich beachte jetzt mal nicht die kleine persönliche Eskalation...habe ich für mich mitgenommen, dass es auf jeden Fall nötig ist, Rechtsklarheit zu schaffen. Sei es durch Novellierung der entsprechenden TKÜ-Normen oder einen völlig anderen technischen Ansatz. Oder man lässt es ganz sein, was nicht sehr zukunftsorientiert wäre.

Ich persönlich möchte keinen Überwachungsstaat, bin aber der Meinung, dass die Strafverfolgung technisch der Entwicklung angepasst werden muss. Sonst macht es keinen Sinn.

Das Internet hat sich zu einem Lebensraum entwickelt, in welchem und mit welchem genauso Straftaten begangen werden, wie im realen Leben. Erkläre doch bitte, warum man dann nicht ebenso die Straftatenverfolgung diesem Umstand anpassen soll? Es sei denn Du negierst grundsätzlich die Notwendigkeit staatlicher Gewaltenausübung. Dann ist ganze Diskussion natürlich sinnfrei.

Jetzt stelle ich wieder die Frage. Was unterscheidet ein strafrechtlich relevantes Telefonat über den herkömmlichen Weg von einem über den Computer geführtes?

Die Gesellschaft muss sich fragen, ob sie auch Straftaten bekämpfen möchte, die mit Hilfe des Internet begangen werden. Und vor allem in welchem Maße.

Das Problem in den letzten Jahren war die emotional aufgeheizte Diskussion. So etwas führt selten zu konstruktiven Lösungen, mit denen die Mehrheit leben kann.

Das entscheidende Pünktchen ist die Mehrheit. Wie gesagt, wünschte ich mir da viel mehr Transparenz der Straße und weniger Parteienpolitik. Was wollen die Menschen? Du und SilentCry kennt in Mehrheit Menschen, die Bedenken vor einem Überwachungsstaat haben bzw. diesen schon längst sehen. Ich wiederum kenne in der Mehrheit Menschen, die es eben nicht so sehen.
Und nu?

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und meine dies ernst Irving!
 

Irving

Lambertine
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Cohni, du antwortest auf einen Beitrag, der lediglich noch eine Informationszusammenstellung für Interessierte darstellt. Dabei belegst du aber erneut, dass du dich mit der Problematik des Themas nur höchst einseitig beschäftigst – und das grundlegendste sogar ignorierst: einen aufgeklärten Begriff des Rechtsstaates. Diese Beharrlichkeit, rechtlich unabwendbare Realität rundweg abzuweisen, ist bald unfassbar.

Der Rechtsstaat ist in deinen Ausführungen komplett zur Disposition gestellt – und dabei verwendest du Machbarkeits- wie Notwendigkeitsfloskeln, wie sie tatsächlich ausschließlich von Behördenvertretern geäußert werden (oder von Menschen, die sich aus grobem Unverständnis hinsichtlich der tatsächlichen Lage haben beschwatzen lassen). Aber statt immer wieder die gleichen Versuche zu starten, z.B. Executiv-Notwendigkeiten alternativlos zu proklamieren, kann ich nur empfehlen, dass du dich endlich mal mit politischer Bildung beschäftigen solltest. Hinsichtlich des Begriffs des Rechtsstaates scheinen deine Lücken maßlos zu sein. Indessen – auch das hatte ich bereits festgehalten – bin ich der Überzeugung, dass dies nur ein Element ist, mit dem du bewusst spielst. Denn Bildung könnte man sich ja aneignen, wenn einen ein komplexes wie wichtiges Thema interessiert. Und dann wäre es dir nicht mehr möglich, in einem Zug die propagierten Überwachungsmaßnahmen zu relativeren und zu begründen – und den Rechtsstaat zu vertreten.

Zum Rahmenproblem der Software ist ansonsten ja sowieso festgestellt worden: die technische Umsetzung ist nicht möglich. Angesichts des Wesens von 'Software' (was sie ist ist und was sie immer manipulierbar macht) wird dies auch in Zukunft so sein. Und selbst, wenn sich dieser Umstand ändern sollte (was bislang nicht zu erwarten ist), bleibt der unverrückbare Rechtsaspekt bestehen, dem du dich rundweg verschließt.

Indessen gibt es, wie du schreibst, aber nicht verschiedene 'Meinungen', sondern unterschiedliche 'Interessen'. Dies ist vor allem angesichts der Vertreter der Ermittlungsbehörden während der Verhandlungen deutlich geworden; die übrigens auch überhaupt nicht 'emotional' ausfielen, sondern in denen vor allem die Vertreter der Behörden lediglich dadurch auffielen, eine sehr laxe Auffassung vom Rechtsstaat zu haben – und geradezu keine Kompetenz hinsichtlich des Wesens des Internets wie von Software. Und auch geht es nicht darum, jemandem 'Böses' zu unterstellen – sondern technische wie menschliche Realitäten und vor allem das Wesen des 'Rechts' anzuerkennen. All dies übergehst du und ersetzt es mit vordergründigen Notwendigkeitsfloskeln.

Sowieso – da liegst du ebenfalls falsch – ist es nicht nötig Rechtsklarheit erst noch zu schaffen. Denn sie existiert ja bereits. Sie wurde nur von Ermittlungsbehörden wiederholt missachtet. Dies hat das Bundesverfassungsgericht deutlich festgestellt. Die Bundesanwaltschaft hat es begutachtet.

So oder so argumentierst Du völlig auf der Bahn einiger Behörden und spielst mit Begrifflichkeiten, die stets haarscharf tendenziös Rechtsstaatlichkeit ausschalten, so, als gäbe es sie gar nicht oder als sie könnte beliebig mal eben zur Disposition gestellt werden. Da schreibst du beispielsweise, dass natürlich auch das Internet kein rechtsfreier Raum sein dürfe und auch dort Verbrechensbekämpfung stattfinden müsse – als wäre das Internet ein 'Ort', der überwacht werden müsse.

Und ich sage: Richtig! Nur genau hier muss man doch bereits fragen: ja, warum soll er dann von Seiten der Ermittlungsbehörden plötzlich zum rechtsfreien Raum werden? Warum sollen Möglichkeiten gestattet werden, die jenseits des Internets gröbste Rechtsverstöße (und zwar Grundrechte!) darstellen? Das Paradoxum: Mit der Begründung, das Internet aus einer proklamierten Rechtsfreiheit zu holen, nehmen sich die Interessenten das Recht heraus, jegliches Recht zu opfern... Müsste man doch eigentlich mal drüber irritiert sein, oder? Aber das alles auszuführen, ist hinfällig, da ja bereits in obigen Links hinreichend erklärt (wenn man die nicht liest... na ja...).

Einen weiteren großen Lapsus begehst du angesichts deiner Ansicht, 'das entscheidende Pünktchen sei die Mehrheit'.

Hiermit belegst du ein grobes, ja, fatales, wenn auch weit verbreitetes Missverständnis hinsichtlich der Demokratie und dem Rechtsstaat. Denn jede demokratische Entscheidung oder Mehrheit hat ihre Grenze an den Staatsrechtsprinzipien – an der Verfassung wie den Grundrechten der Menschen. Werden diese aufgestoßen, hat der Staat automatisch seine Legitimation verspielt.

Mal so als Beispiel, um es deutlich zu machen: Stell dir vor, morgen würde sich die Mehrheit dafür entscheiden, eine Diktatur zu wollen... Und stell dir vor, eine Wahlmehrheit (während die meisten Menschen gar nicht mehr wählen gehen, weil sie 'politverdrossen' sind) entscheidet gar, Menschen bestimmter sozialer Klassen zu Zwangsarbeiten zu nötigen...

Jeder sollte bereits ahnen, dass dies hinsichtlich einer freiheitlichen Demokratie, die dem Gemeinwohl unter Wahrung aller Menschnwürde anzudienen hat, ein Widerspruch wäre. Darum hat die Aufklärung dem Rechtsstaat Vorgaben gesetzt: die Staatsrechtsprinzipien. D.h. jeder Politiker müsste seine Entscheidungen, seine Interessen eben diesen Prinzipien unterordnen – um des Wohles und Erhaltes des Staates und damit des Gemeinwohls wegen, und nicht um ihn eigenen Interessenlagen oder vermeintlichen Notwendigkeiten zu opfern.

Die Defizite allein bei Politikern sind diesbezüglich bereits haarsträubend. Die gesellschaftliche Entwicklung macht ohnehin deutlich, wie fatal bereits die Schieflage ist – und sollte deutlich machen, wie katastrophal es wäre, wenn der letzte Rest dieses Prinzips eingerissen würde. Aber die Lässlichkeit, mit diesen Werten und Grundätzen umzugehen, ist gefährlich geworden. Das zieht sich durch bis hin zum Bürger. Aber eben auch die Ermittlungsbehörden sind da nicht auszunehmen – denn auch dort arbeiten keine besseren Menschen, als sonstwo.

Aber ist dir das wirklich nicht klar? Hast du rechtsstaatliche Grundlagen denn so völlig verdrängt? Oder ignorierst du einfach diese grundlegendsten Aspekte des Rechtsstaates? Es ist ohnedies haarsträubend, wie idealistisch schönfärbend oder naiv deine Auffassung hinsichtlich staatlicher Behörden und ihrer Akteure ist.

Ein Beispiel:

Bei einer normalen Hausdurchsuchung wird bereits ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte eines Menschen genommen. Das ist keine Bagatelle, auch wenn ein solcher Eingriff zum Schutz des Rechtsstaates unter hohen Vorgaben möglich sein muss. Indessen: in der Regel ist der Mensch, bei dem eine Hausdurchsuchung stattfindet, auch selber vor Ort. Nichts passiert da bestenfalls hinter seinem Rücken. Des gleichen kann ein Mensch, dessen Wohnung polizeilich durchsucht wird, Zeugen einfordern, die weitere Maßnahmen der Polizeibeamten überwachen können. Auch wenn der Betroffene nicht vor Ort ist, bleibt eine Restkontrolle der Beamten untereinander bestehen. Dies sorgt bereits für ein beträchtliches Maß an Rechtssicherheit. Und zwar für beide Seiten – für die Ermittler wie für den von einer Durchsuchung betroffenen Bürger. So oder so bleibt auch der Aufwand noch bestehen – wie auch die Notwendigkeit der richterlichen Verfügung

Bei Softwaremaßnahmen sind Kontrollen aber nicht möglich. Richterliche Verfügungen können komplett umgangen werden. Es wird ja nur ein Programm gestartet... Ohnedies genügt ein nicht offensichtlicher Code, eine unbekannte oder verheimlichte Funktion (diese muss nicht einmal von den Polizeibehörden bewusst implementiert gewesen sein, sondern kann – wie im Fall Dikitask – auch durch die Softwarefirma oder sonst Dritte unbemerkt implementiert sein), um eine Quellen-TKÜ oder Online-Durchsuchung zu manipulieren. Auch ausführende Beamten müssen davon rein gar nichts mitbekommen, stünden aber später vor der Diskreditierung ihrer eigentlichen Aufgabe.

Die Naivität vor allem bei technischen Laien ist in diesen Dingen aber maßlos. Ebenso abwegig ist bald schon, wie sich auch Polizeibeamte selber der Gefahr ihrer Diskreditierung aussetzen. Auch hinsichtlich der möglichen Manipulation von Seiten des Verdächtigen (auch von dieser Seite kann ja Code verändert werden) – wie aber auch hinsichtlich der Behördenseite, Zulieferer, unbekannter Driter etc. Software ist eben immer und grundsätzlich manipulierbar, vor allem über den Weg des Internets – und von allen bekannten wie unbekannten Akteuren.

Es ist indes nicht nur blauäugig, zuletzt auch Ermittlungsbehörden nun geradezu noch idealisiert als brave Rechtswächter darzustellen. Die Wirklichkeit, wie sie innerhalb der Polizeigewerkschaft bekannt ist und von Menschenrechtsorganisationen wie von unzähligen Juristen nachhaltig beklagt wird, sieht doch ganz anders aus.

Eine kleine Ahnung davon, kann man allein schon anhand der Ermittlungsverfahren gegen Polizisten ablesen – und über ihren anschließenden Verlauf.

Allein in NRW sind in einem Jahr mehr als 1400 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten eingeleitet worden. Zu einer Verurteilung kam es nur in 17 Fällen.
http://www.derwesten.de/nachrichten/verfahren-gegen-polizisten-fast-immer-eingestellt-id4768765.html

Das Ungleichgewicht, so wird auch von Polizeibeamten eingestanden, entsteht u.a. aus den im Artikel genannten Gründen. Es 'menschelt' also... Auch zu Lasten betroffener Bürger, denen man nicht rundweg unterstellen sollte, sie wollten Polizeibeamten lediglich etwas 'anflicken'. Nein, auch unter Polizeibeamten gibt es zig schwarze Schafe, die ihre KollegInnen wie ihren vom Bürger anvertrauten Dienst damit nachhaltig mit diskreditieren. Es lohnt, sich mit diesem Thema mal zu beschäftigen und entsprechende Recherche zu betreiben. Vor allem redliche Polizeibeamte selber müssten dann eigentlich auch bereits Bedenken entwicklen, wenn man sie hinsichtlich problematischer Ermittlungswege noch oebendrein auf den Servierteller setzt... Ein komplexes Thema.

So oder so haben wir es eben nicht nur mit 'Superhelden' zu tun und mit Behörden, die sakrosankt wären. Darauf gilt es, Rücksicht zu nehmen - eben auch, um Bürger, die in Ermittlungen geraten sind, wie aber auch ehrenwertere Beamte rechtsstaatlich zu schützen.

Überdies gibt es noch viele weitere Probleme innerhalb der Justiz zu berücksichtigen. Z.B. das Thema Rechtsstaatlichkeit der Judikative. So z.B. die Frage nach der Unantastbarkeit richterlichen Verhaltens. Dieses Problem ist mittlerweile dermaßen weitreichend, dass unzählige JuristInnen wie selbst RichterInnen feststellen, dass anhand dieses Aspektes (wie weiterer) der Rechtsstaat an dieser Stelle geradezu aufgelöst ist. Folgende Festrede ist eine von Juristen dazu gerne zitierte Schrift, weil sie das Problem auch für Laien durchaus nachvollziehbar darlegt, ohne zu verflachen (dort dargelegte Aspekte mit dem Hintergrund Zivilrecht gelten auch für das Strafrecht):
http://www.hu-marburg.de/homepage/justiz/info.php?id=134#text

Ein Rechtsstaat behält nur dann seine Legitimität, wenn er der Freiheit seiner Bürger dient – also den Staatsrechtsprinzipien. Sind diese gefährdet, eben auch z.B. durch erleichterten Amts-Missbrauch, Beweismittelmanipulation (beider Seiten) usw., gehören potentielle Gefahren bei der Gesetzgebung wie hinsichtlich der alltäglichen Praxis der Executive wie Judikative berücksichtig und eingedämmt.

Diesbezüglich steht jedes Rechtssystem jederzeit auf der Kippe – eben weil wir keine Naivität pflegen dürfen, sondern den Menschen in all seinen Kontexten und seinen komplexen Verflechtungen, eben auch angesichts von Negativ-Effekten berücksichtigen müssen. Auch und vor allem innerhalb der Behörden – weil eben genau dort das Recht vertreten und geschützt werden muss. Verbindlich und abgesichert für jeden Akteur. Wenn aber dazu der Rechtsvertreter verbrecherisch wird oder sich verbrecherischer Manipulation aussetzt, ist die Legitimation verspielt. Ohne Rechtsstaat, also ohne umgesetzte Staatsrechtsprinzipien wie prinzipiell gewahrte Grundrechte, gibt es gar keinen Staat mehr, der überhaupt noch Judikativ- und Executiv-Maßnahmen legitimieren kann. 'Das Recht' erledigt sich dann. Genau darum setzt das Verfassungsgericht bereits enge Grenzen und wird diese sogar noch verschärfen müssen, weil eben die technische Unmachbarkeit hinsichtlich rechtlich abgesicherter Softwareeingriffe berücksichtigt werden muss – und Grundrechte wie prinzipielles Recht nicht zur Disposition gestellt werden dürfen. Es geht dabei um nichts weniger, als um den Rechtsstaat – das empfindlichste Gut der menschlichen Zivilisation.

Jede Lässlichkeit wird bitter bezahlt. Und wie schnell das kippen kann, sieht man an den USA, die hinsichtlich der Anti-Terrorgesetzgebung wie der daraus abgeleiteten Sonderrechte, juristisch wie staatsrechtlich nicht mehr der zivilisierten Welt zuzuordnen sind. Hinsichtlich des Begriffs des Rechtsstaats sind sie vielmehr in voraufklärerische Zeiten zurückgefallen, in denen der Bürger komplett entrechtet ist – und ja selbst schwerste Folter schon lange wieder Alltag sind. Insofern darf man fesstellen: der Terrorismus hat damit sogar einen Sieg über den Rechtsstaat davongetragen, der so folgenreich wie offensichtlich ist – dass es jedem, der den Rechtsstaat durch übergriffige Maßnahmen gefährdet, mittlerweile peinlich sein muss, entsprechende Maßnahmen mit Verbrechensbekämpfung oder Terrorbekämpfung zu begründen.
 
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Cohni

Ananas Reinette
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Ich wünsche Dir dennoch schönes Wochenende.
 

SilentCry

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...
Das Internet hat sich zu einem Lebensraum entwickelt, in welchem und mit welchem genauso Straftaten begangen werden, wie im realen Leben. Erkläre doch bitte, warum man dann nicht ebenso die Straftatenverfolgung diesem Umstand anpassen soll?

Nein, eben nicht. "Im Internet" werden per se überhaupt keine Straftaten begangen. Man kann "im Internet" niemanden bestehlen, niemanden ermorden (außer in WoW...) und niemanden vergewaltigen oder entführen. Nicht einmal "betrügen" kann man "im Intenet" alleine jemanden. Um etwas zu einer Straftat werden zu lassen, muss es den Schritt aus dem reinen virtuellen Raum in die physische Realität machen. Man kann vielleicht jemandem ein Produkt im Internet aufschwatzen. bezahlt werden jedoch muss in echtem Geld.

Man kann eine Bombenbauanleitung laden, die Komponenten aber müssen in der realen Welt geliefert, zusammengebaut und gezündet werden. Ebenso kann eine Pädophile einen Minderjährigen anlocken, vergewaltigen muss sie ihn aber körperlich, dazu muss er zu ihr, sie muss die Gelegenheit bekommen, alle müssen weg schauen. Etc.

Würde man _ernsthaft_ Kinderpornografie bekämpfen wollen dann sollte man bei der Entstehung ansetzen und bei etwaigen Zahlungsverkehren. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Ermittlerstab sich in ein KP-Forum einschleust und dann mit klassischen Methoden jemanden fest nimmt, der KP verkauft, spätestens wenn die Überweisung auf sein Konto eingeht und die Bilder den Ermittler erreicht haben.

Was hingegen strikt abzulehnen ist ist, "das Internet" in eine riesige Wanze zu verwandeln weil man eben keine echte Ermittlungsarbeit mehr leisten sondern es sich mittels totaler Überwachung schlicht einfach machen will.

Das Internet und die Kommunikation darüber ist aber nur die eine Seite. Dass das, was ich im Internet schreibe, von Schnüfflern verwendet werden kann um sich daraus etwas (egal wie real oder wie absurd) zu konstruieren, ist mein Risiko. Das Risiko gehe ich auch ein, wenn ich irgendwo etwas sage.

Die andere Seite ist, den (heimlichen) Zugriff auf den Computer zu erzwingen. In meiner Anschauung ist mein Computer die Erweiterung meines Kopfes, meines Gehirns. Darin hat niemand, _niemand_, und zwar aus _überhaupt keinem Grund_ auch nur daran zu denken herumzuschnüffeln. Das ist für mich nicht verhandelbar, es geht _niemanden_ etwas an, was ich denke - ergo auch nicht, was ich am Computer gespeichert habe. Da gibt es für mich kein "aber" und kein "wenn". An der Grenze ist Schluss.

Ein System, das das nicht respektiert, ist kein Rechtsstaat sondern ein Überwachungsstaat. Für mich schließt sich das gegenseitig aus, ein Überwachungsstaat kann kein Rechtsstaat sein, denn dann ist "Recht" zu "Unrecht" geworden, wenn ein System seinen Schergen erlauben will, in meinem Gehirn herumzuschnüffeln.