- Registriert
- 04.01.04
- Beiträge
- 2.529
Ich habe mir lange überlegt, ob ich diesen Thread starten will, weil ich doch etwas Angst habe, dass auch der wieder in eine Polemik ausbrechen wird. Ich machs nun aber trotzdem, weil mich das Thema interessiert, aber halt einfach mit der dringenden Bitte:
Es geht hier nicht darum zu sagen, dass und weshalb diese und jene Partei oder KandidatIn besser ist oder aber die Unterstützer der Gegenseite direkt für den Niedergang Deutschlands verantwortlich sind. Es geht mir in diesem Thread nur darum, wovon ihr ausgeht, was die Zukunft Deutschlands bringen wird. Nimmt mich Wunder, ob wir uns darauf beschränken können. Wer rumpolemisieren will soll doch dies bitte im anderen Thread machen oder noch besser gerade ganz unterlassen, danke.
Also, ich habe für mich ein wenig die Karten zurecht gelegt und bin zu folgenden Annahmen gekommen:
- Ampel scheitert an FDP. Würde sie da wieder zurückkrebsen, wäre das Vertrauen über Jahre hin endgültig zerstört. Auch ist nicht anzunehmen, dass Westerwelle da dabei wäre, genauso wenig wie anzunehmen ist, dass Teile der FDP nur wegen der Regierungsbeteiligung denjenigen wegintrigieren würden, der die Partei endlich wieder auf eine zweistellige Prozentzahl gebracht hat.
- Schwarzrot unter Merkel scheitert an Schröder. Dass andere Teile der SPD Schröder desavouieren und hinter seinem Rücken mit Merkel zusammengehen, halte ich für ausgeschlossen - noch nie in den letzten 8 Jahren stand die SPD so deutlich hinter Schröder, man weiss, wem man die Aufholjagd der letzten Monate zu verdanken hat. Und dass Schröder nicht als Merkels Vizekanzler zur Verfügung steht, hat er derart deutlich gemacht, dass er da nicht mehr zurück kann.
- Rotschwarz unter Schröder scheitert an der Union, denn das Abtreten des Kanzleramtes obwohl man die grösste Fraktion ist, wäre vom erniedrigendsten, was sich eine Partei antun kann. Und vor allem braucht es Leute, die eine solche Entscheidung in der Partei vorlegen und durchbringen, und sich damit jeglicher zukünftiger Karriere entledigen würden. So einen Schritt würde man niemandem verzeihen, egal in welcher Partei.
- Jamaika wird zwar noch von niemandem kategorisch ausgeschlossen, aber man muss sich doch eines bewusst sein: Die Politik von Schwarz/Gelb hat im konkreten immer auf grüne Prestigeobjekte gezielt, da kann die union nun nicht einfach so mir nichts dir nichts auf einen raschen Türkeibeitritt, auf Atomausstieg, auf eine hohe Ökosteuer etc. eingehen. Und die Grünen haben null Anlass, sich zu verkaufen. Wenn man sich schon nur daran erinnert, wie schwer es war, die Grünen in eine Koalition mit der SPD zu bringen und vor allem auch drin zu behalten, kann sich ausrechnen, wie winzig die Chance ist, dass sich die Grünen mit FDP und Union ins Bett legen - sogar wenn Schwarz/Gelb derartige Zugeständnisse machen würden, dass man sie nicht mehr von Rot-Grün unterscheiden könnte.
- Sämtliche Konstellationen mit der Linkspartei sind ausgeschlossen, insb. auch geduldete Minderheitsregierungen. Abgesehen von massivsten Aversionen auch auf persönlicher Ebene (und auch die spielen bekanntlich eine gewaltige Rolle), haben Gysi und Lafontaine keinen anlass, Stabilität ins Land zu bringen. Sie sind angetreten als Oppositionspartei, die Reformen verhindern will, und genau das werden sie auch sein. Der weitere Programmpunkt - die bisherigen Reformschritte zurückzudrehen - ist ebenfalls nicht geeignet, um mit irgendeiner anderen Partei zusammenarbeiten zu können.
Was bleibt? Ein Rücktritt von Schröder würde zwar eine Schwarz-Rote Koalition ermöglichen, ist aber extrem unwahrscheinlich. Noch nie in den letzten 8 Jahren stand die Partei derart deutlich hinter ihm, auch die gröbsten Reformgegner wissen genau, wem man die Aufholjagd im Wahlkampf zu verdanken hat. Ausserdem stehen der SPD bei einem Schröder-Rücktritt mehrere Jahre Selbstzerfleischung ins Haus, weil die klare parteiinterne Niederlage der Reformgegner noch nicht sonderlich lange her ist.
Merkel hingegen ist angeschlagen - wirklich dicht stand die Partei nie hinter ihr, immer gab es Landesfürsten, die bei jeder Möglichkeit gegen sie gearbeitet haben. Und nun dies: Ein Wahlkampf, in dem man innert wenigen Monaten über 10 Prozentpunkte verliert. Wo man die sicher geglaubte Mehrheit nicht erreicht hat. In der Vergangenheit wurden Unions-Politiker auch schon für zu kleine Gewinne in die Wüste geschickt, ich wäre sehr erstaunt, wenn Frau Merkel nach diesem Debakel nicht sehr bald uns sehr effektiv angegriffen würde. Das Einzige was sie IMHO retten könnte, wäre ein schneller Erfolg in den Koalitionsverhandlungen - und genau den wirds aus den obigen Gründen nicht geben.
Die Frage ist nur, ob nach einem Verzicht/Abgesägtwerden von Merkel (wer könnte dann kommen? Koch? Wulff? Merz? Oder gar Schäuble?) Schröder die Hand zum Kompromiss bieten und sich in eine grosse Koalition als Vizekanzler fügen würde. Ausgeschlossen hat er bisher nur eine SPD unter Kanzlerin Merkel.
Allerdings wäre auch eine solche grosse Koalition relativ zügig zum Scheitern verurteilt, länger als 2 Jahre schienen mir selbst im besten Fall unwahrscheinlich, dafür gibt es in der deutschen Politik mit den mächtigen Landesfürsten zuviele One-Man-Players, die eine solche Regierung massiv destabilisieren würden (und zwar auf beiden Seiten).
Also hat man auch mit einem Merkelrücktritt nur die Wahl, ob man schon in ein paar Monaten oder erst in zwei Jahren wieder wählen kann.
Bleibt noch - wie wir Schweizer ähnliche Konstellationen nennen - die Koalition der Vernunft. Gestern wurden die beiden grossen Parteien abgewählt, aber die Reformgegner haben auch nicht mehr als 8% erhalten. Schwarz-Gelb-Rot-Grün als gleichberechtigte Partner nur um der Reformen willen, die Minister zu je einem Viertel verteilt. Die Regierung wäre nicht erpressbar, weil jeder Austritt einer Partei der Regierung immer noch eine Kanzlermehrheit bedeuten würde.
Bedingung 1: Weder Schröder noch Merkel könnten ins Kanzleram (sonst kann die jeweils andere Partei nicht mithelfen ohne das Gesicht zu verlieren. Wer wäre denn sonst noch da? Guido for President?)
Bedingung 2: Eine massive Veränderung in den deutschen Politikmechanismen, insb. die Erkenntnis, dass Kompromisse auch etwas gutes sein können.
Beides halte ich für unwahrscheinlich, deshalb gibts das wohl auch nicht... Aber schön fände ich es schon, so schweizer Verhältnisse im grossen Kanton. Man darf ja noch träumen....
Es geht hier nicht darum zu sagen, dass und weshalb diese und jene Partei oder KandidatIn besser ist oder aber die Unterstützer der Gegenseite direkt für den Niedergang Deutschlands verantwortlich sind. Es geht mir in diesem Thread nur darum, wovon ihr ausgeht, was die Zukunft Deutschlands bringen wird. Nimmt mich Wunder, ob wir uns darauf beschränken können. Wer rumpolemisieren will soll doch dies bitte im anderen Thread machen oder noch besser gerade ganz unterlassen, danke.
Also, ich habe für mich ein wenig die Karten zurecht gelegt und bin zu folgenden Annahmen gekommen:
- Ampel scheitert an FDP. Würde sie da wieder zurückkrebsen, wäre das Vertrauen über Jahre hin endgültig zerstört. Auch ist nicht anzunehmen, dass Westerwelle da dabei wäre, genauso wenig wie anzunehmen ist, dass Teile der FDP nur wegen der Regierungsbeteiligung denjenigen wegintrigieren würden, der die Partei endlich wieder auf eine zweistellige Prozentzahl gebracht hat.
- Schwarzrot unter Merkel scheitert an Schröder. Dass andere Teile der SPD Schröder desavouieren und hinter seinem Rücken mit Merkel zusammengehen, halte ich für ausgeschlossen - noch nie in den letzten 8 Jahren stand die SPD so deutlich hinter Schröder, man weiss, wem man die Aufholjagd der letzten Monate zu verdanken hat. Und dass Schröder nicht als Merkels Vizekanzler zur Verfügung steht, hat er derart deutlich gemacht, dass er da nicht mehr zurück kann.
- Rotschwarz unter Schröder scheitert an der Union, denn das Abtreten des Kanzleramtes obwohl man die grösste Fraktion ist, wäre vom erniedrigendsten, was sich eine Partei antun kann. Und vor allem braucht es Leute, die eine solche Entscheidung in der Partei vorlegen und durchbringen, und sich damit jeglicher zukünftiger Karriere entledigen würden. So einen Schritt würde man niemandem verzeihen, egal in welcher Partei.
- Jamaika wird zwar noch von niemandem kategorisch ausgeschlossen, aber man muss sich doch eines bewusst sein: Die Politik von Schwarz/Gelb hat im konkreten immer auf grüne Prestigeobjekte gezielt, da kann die union nun nicht einfach so mir nichts dir nichts auf einen raschen Türkeibeitritt, auf Atomausstieg, auf eine hohe Ökosteuer etc. eingehen. Und die Grünen haben null Anlass, sich zu verkaufen. Wenn man sich schon nur daran erinnert, wie schwer es war, die Grünen in eine Koalition mit der SPD zu bringen und vor allem auch drin zu behalten, kann sich ausrechnen, wie winzig die Chance ist, dass sich die Grünen mit FDP und Union ins Bett legen - sogar wenn Schwarz/Gelb derartige Zugeständnisse machen würden, dass man sie nicht mehr von Rot-Grün unterscheiden könnte.
- Sämtliche Konstellationen mit der Linkspartei sind ausgeschlossen, insb. auch geduldete Minderheitsregierungen. Abgesehen von massivsten Aversionen auch auf persönlicher Ebene (und auch die spielen bekanntlich eine gewaltige Rolle), haben Gysi und Lafontaine keinen anlass, Stabilität ins Land zu bringen. Sie sind angetreten als Oppositionspartei, die Reformen verhindern will, und genau das werden sie auch sein. Der weitere Programmpunkt - die bisherigen Reformschritte zurückzudrehen - ist ebenfalls nicht geeignet, um mit irgendeiner anderen Partei zusammenarbeiten zu können.
Was bleibt? Ein Rücktritt von Schröder würde zwar eine Schwarz-Rote Koalition ermöglichen, ist aber extrem unwahrscheinlich. Noch nie in den letzten 8 Jahren stand die Partei derart deutlich hinter ihm, auch die gröbsten Reformgegner wissen genau, wem man die Aufholjagd im Wahlkampf zu verdanken hat. Ausserdem stehen der SPD bei einem Schröder-Rücktritt mehrere Jahre Selbstzerfleischung ins Haus, weil die klare parteiinterne Niederlage der Reformgegner noch nicht sonderlich lange her ist.
Merkel hingegen ist angeschlagen - wirklich dicht stand die Partei nie hinter ihr, immer gab es Landesfürsten, die bei jeder Möglichkeit gegen sie gearbeitet haben. Und nun dies: Ein Wahlkampf, in dem man innert wenigen Monaten über 10 Prozentpunkte verliert. Wo man die sicher geglaubte Mehrheit nicht erreicht hat. In der Vergangenheit wurden Unions-Politiker auch schon für zu kleine Gewinne in die Wüste geschickt, ich wäre sehr erstaunt, wenn Frau Merkel nach diesem Debakel nicht sehr bald uns sehr effektiv angegriffen würde. Das Einzige was sie IMHO retten könnte, wäre ein schneller Erfolg in den Koalitionsverhandlungen - und genau den wirds aus den obigen Gründen nicht geben.
Die Frage ist nur, ob nach einem Verzicht/Abgesägtwerden von Merkel (wer könnte dann kommen? Koch? Wulff? Merz? Oder gar Schäuble?) Schröder die Hand zum Kompromiss bieten und sich in eine grosse Koalition als Vizekanzler fügen würde. Ausgeschlossen hat er bisher nur eine SPD unter Kanzlerin Merkel.
Allerdings wäre auch eine solche grosse Koalition relativ zügig zum Scheitern verurteilt, länger als 2 Jahre schienen mir selbst im besten Fall unwahrscheinlich, dafür gibt es in der deutschen Politik mit den mächtigen Landesfürsten zuviele One-Man-Players, die eine solche Regierung massiv destabilisieren würden (und zwar auf beiden Seiten).
Also hat man auch mit einem Merkelrücktritt nur die Wahl, ob man schon in ein paar Monaten oder erst in zwei Jahren wieder wählen kann.
Bleibt noch - wie wir Schweizer ähnliche Konstellationen nennen - die Koalition der Vernunft. Gestern wurden die beiden grossen Parteien abgewählt, aber die Reformgegner haben auch nicht mehr als 8% erhalten. Schwarz-Gelb-Rot-Grün als gleichberechtigte Partner nur um der Reformen willen, die Minister zu je einem Viertel verteilt. Die Regierung wäre nicht erpressbar, weil jeder Austritt einer Partei der Regierung immer noch eine Kanzlermehrheit bedeuten würde.
Bedingung 1: Weder Schröder noch Merkel könnten ins Kanzleram (sonst kann die jeweils andere Partei nicht mithelfen ohne das Gesicht zu verlieren. Wer wäre denn sonst noch da? Guido for President?)
Bedingung 2: Eine massive Veränderung in den deutschen Politikmechanismen, insb. die Erkenntnis, dass Kompromisse auch etwas gutes sein können.
Beides halte ich für unwahrscheinlich, deshalb gibts das wohl auch nicht... Aber schön fände ich es schon, so schweizer Verhältnisse im grossen Kanton. Man darf ja noch träumen....