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[preview]Diese lästige Zeitumstellung. Plötzlich ist alles eine Stunde früher. Und gekürzt wird selbstverständlich nicht während der Arbeitszeit an einem Werktag, sondern am hart und ehrlich verdienten Wochenende. Ich fühlte mich bestohlen und betrogen.[/preview]
Ich tippe hastig auf "Fahrinfo", es ist Montag morgen und alles fühlt sich seltsam suspekt an. Nur mein iPhone scheint gänzlich unbeeindruckt. Artig hat es sich autonom auf Sommerzeit umgestellt, der Wecker klingelte verlässlich zur rechten Zeit. Neben mir sind zahlreiche Schlafwandler in der Stadt zu sichten, scheinbare Leidensgenossen die alle nicht wirklich fit wirken. Ich gehe eilig die Straße entlang und suche mir via iPhone die nächste Busverbindung.
"Fahrinfo", ich sprach es eben an, hilft hierbei ungemein. Was täte ich wohl in diesem Moment zwei Jahre zuvor, als ich noch ein konventionelles Handy besaß? Doch keine Zeit jetzt darüber philosophieren. Das App zeigt nach kurzem Laden die nächste Busverbindung an. Verdammt. Ich habe noch 1 Minute für 800m. Mein Wesen strahlt nicht gerade vor Sportlichkeit, doch ich nehme die Herausforderung dieses Morgens an und beginne zu rennen. Der öffentliche Nahverkehr in Berlin zeichnet sich durch zeitliche Unregelmäßigkeiten gerade zu aus. Es folgt ein wehmütiger Blick zum davonfahrenden Bus, ich war zu langsam. Bitter. Denn ich wohne etwas Außerhalb, die einzig verfügbare Bus-Linie fährt nur in Intervallen von 20 Minuten. Genauso lange benötige ich bei flottem Schritt um bis zur U-Bahn zu gelangen. Ich entschließe mich in schlaftrunkenem Leichtsinn das schöne Wetter zu genießen und den bevorstehenden Weg zu wandern.
Genug Zeit, passende Musik auszuwählen um das Beste aus dem gerade erst angebrochenen Tag rauszuholen. Meine Wahl fällt auf "Misery" von Maximilian Hecker. Eine Empfehlung aus dem iTunes Store, die ich jedem ans Herz legen kann. Mit TwitterFon und der Facebook App mache ich mich kurz schlau wie es guten Freunden an diesem Morgen ergeht, die Transparenz der jugendlichen Gesellschaft ist schier unermesslich, wird schließlich jedes kleine Ereignis getwittert oder als Statusmeldung in diversen Social Communitys der Welt mitgeteilt. Einer meiner Freunde hat "WorldView", eine Application für's iPhone, entdeckt, mit der man Webcams aus aller Welt ansehen kann. Ich lad's mir schnell runter und träume von einem Spaziergang mit einem Café über den St. Peters Platz. Einfach toll.
Doch das RegenRadar prophezeit auch hervorragendes Wetter für Deutschland und ich arrangiere mich mit dem Gedanken, gleiche Wetterverhältnisse wie in Rom genießen zu können. Jetzt noch schnell einige Nachrichtenportale checken, meine Abo-Zeitung habe ich in der morgendlichen Hektik im Briefkasten zurück gelassen. Trotz technologischen Fortschritts, geschriebene Artikel auf Papier haben für mich eine andere Qualität. Doch Safari auf dem iPhone tut's an diesem Tag auch. Und während ich lese, dass Bahnchef Mehdorn bald seinen Stuhl räumen muss, was ein Gefühl der Gerechtigkeit nach dem verpassten Bus in mir hervorruft, passiert etwas schier Unglaubliches.
Ich stehe an der finalen Kreuzung vor der U-Bahn an der Ampel, ein Fahrradweg kreuzt diese. Das erste, was ich damals beim Führerschein erlernte im Rahmen der StVO war die "Rangfolge" von Verkehrsteilnehmern. Als Fußgänger bin ich schwächstes Mitglied des Straßenverkehrs und folglich müssen auch Fahrradfahrer für mich anhalten. Vorallem wenn ich unübersehbar gemeinsam mit 20 anderen an einer Ampel warte. Dennoch: Eine Geschwindigkeitssüchtige Dame in Rentenalter kommt mit geschätzten 15km/h auf mich zu. Der Blick auf's iPhone verwährt mir die Möglichkeit, sie zu beachten - nicht das ich das müsste... doch dann ging alles ganz schnell. Denn selbes gilt für ihren grauen Starr - ich muss unsichtbar für sie gewesen sein. Anders lässt sich kaum erklären, dass sie an mir vorbei rauschte, mich mit dem Fahrradlenker am iPod-Kopfhöhrer-Kabel erwischte, mir die Ohrstöpsel aus den Ohren katapultierte und trotz emotionalen Aufschrie meinerseits einen Zahn zulegte und mir somit auch gleich das komplette Phone aus der Hand riss.
Durch den Schwung beförderte sie das iPhone vor sich auf die Straße, wo es eine einzigartig seltsam-anmutende Gravur dank Asphaltierung erhielt. Ein Geräusch des Schlitterns, das ich nie wieder hören mag. Doch damit nicht genug; sie fuhr unbeirrt auch nochmals drüber - mit Vorder- und Hinterrad - ich konnte eine spontane Träne kaum verbergen, kamen mir diese Sekunden doch vor wie in Slow-Motion. Durch hochgradig freundliche Worte machte ich auf mich aufmerksam, doch sie fuhr davon. Eine iPhone-Killerin auf der Flucht. Von dem Fakt überzeugt, ich könne sie nach meinem vorhergegangen Ich-Renn-Dem-Bus-Hinterher-Training wieder einholen, sorgte ich mich vorrangig um das iPhone. Schließlich schaltet die Ampel gleich auf grün und eine Kolonne von PKW's brummten sehnsüchtig. Die Kopfhörer: Ihnen war zum Glück nichts passiert. Dann das iPhone selbst, es lag mit dem Glas nach unten, hätte ich doch bloß in diesem Moment keine Nachrichten darüber gelesen. Doch oh Freude: Alles funktionierte. Einfach alles. Von äußerlichen Blessuren abgesehen (das Glas war nicht gesplittert, lediglich eine kleine Schramme) war alles in Ordnung.
Ich ließ Fahrrad-Terror-Oma ziehen, denn sie wusste nicht, was sie tat. Und immerhin war sie so vernünftig und verzichtete offensichtlich bereits auf ein Auto, denn wer weiß, was sie damit alles anstellen würde.
Meinem Aufschrie folgte ein ernüchterndes Lächeln. Die Passanten nickten zustimmend. Zeitumstellung? Keine Spur. Alle waren hell wach. Vorallem ich. Morgen nehme ich dann aber lieber wieder den Bus.
Ich tippe hastig auf "Fahrinfo", es ist Montag morgen und alles fühlt sich seltsam suspekt an. Nur mein iPhone scheint gänzlich unbeeindruckt. Artig hat es sich autonom auf Sommerzeit umgestellt, der Wecker klingelte verlässlich zur rechten Zeit. Neben mir sind zahlreiche Schlafwandler in der Stadt zu sichten, scheinbare Leidensgenossen die alle nicht wirklich fit wirken. Ich gehe eilig die Straße entlang und suche mir via iPhone die nächste Busverbindung.
"Fahrinfo", ich sprach es eben an, hilft hierbei ungemein. Was täte ich wohl in diesem Moment zwei Jahre zuvor, als ich noch ein konventionelles Handy besaß? Doch keine Zeit jetzt darüber philosophieren. Das App zeigt nach kurzem Laden die nächste Busverbindung an. Verdammt. Ich habe noch 1 Minute für 800m. Mein Wesen strahlt nicht gerade vor Sportlichkeit, doch ich nehme die Herausforderung dieses Morgens an und beginne zu rennen. Der öffentliche Nahverkehr in Berlin zeichnet sich durch zeitliche Unregelmäßigkeiten gerade zu aus. Es folgt ein wehmütiger Blick zum davonfahrenden Bus, ich war zu langsam. Bitter. Denn ich wohne etwas Außerhalb, die einzig verfügbare Bus-Linie fährt nur in Intervallen von 20 Minuten. Genauso lange benötige ich bei flottem Schritt um bis zur U-Bahn zu gelangen. Ich entschließe mich in schlaftrunkenem Leichtsinn das schöne Wetter zu genießen und den bevorstehenden Weg zu wandern.
Genug Zeit, passende Musik auszuwählen um das Beste aus dem gerade erst angebrochenen Tag rauszuholen. Meine Wahl fällt auf "Misery" von Maximilian Hecker. Eine Empfehlung aus dem iTunes Store, die ich jedem ans Herz legen kann. Mit TwitterFon und der Facebook App mache ich mich kurz schlau wie es guten Freunden an diesem Morgen ergeht, die Transparenz der jugendlichen Gesellschaft ist schier unermesslich, wird schließlich jedes kleine Ereignis getwittert oder als Statusmeldung in diversen Social Communitys der Welt mitgeteilt. Einer meiner Freunde hat "WorldView", eine Application für's iPhone, entdeckt, mit der man Webcams aus aller Welt ansehen kann. Ich lad's mir schnell runter und träume von einem Spaziergang mit einem Café über den St. Peters Platz. Einfach toll.
Doch das RegenRadar prophezeit auch hervorragendes Wetter für Deutschland und ich arrangiere mich mit dem Gedanken, gleiche Wetterverhältnisse wie in Rom genießen zu können. Jetzt noch schnell einige Nachrichtenportale checken, meine Abo-Zeitung habe ich in der morgendlichen Hektik im Briefkasten zurück gelassen. Trotz technologischen Fortschritts, geschriebene Artikel auf Papier haben für mich eine andere Qualität. Doch Safari auf dem iPhone tut's an diesem Tag auch. Und während ich lese, dass Bahnchef Mehdorn bald seinen Stuhl räumen muss, was ein Gefühl der Gerechtigkeit nach dem verpassten Bus in mir hervorruft, passiert etwas schier Unglaubliches.
Ich stehe an der finalen Kreuzung vor der U-Bahn an der Ampel, ein Fahrradweg kreuzt diese. Das erste, was ich damals beim Führerschein erlernte im Rahmen der StVO war die "Rangfolge" von Verkehrsteilnehmern. Als Fußgänger bin ich schwächstes Mitglied des Straßenverkehrs und folglich müssen auch Fahrradfahrer für mich anhalten. Vorallem wenn ich unübersehbar gemeinsam mit 20 anderen an einer Ampel warte. Dennoch: Eine Geschwindigkeitssüchtige Dame in Rentenalter kommt mit geschätzten 15km/h auf mich zu. Der Blick auf's iPhone verwährt mir die Möglichkeit, sie zu beachten - nicht das ich das müsste... doch dann ging alles ganz schnell. Denn selbes gilt für ihren grauen Starr - ich muss unsichtbar für sie gewesen sein. Anders lässt sich kaum erklären, dass sie an mir vorbei rauschte, mich mit dem Fahrradlenker am iPod-Kopfhöhrer-Kabel erwischte, mir die Ohrstöpsel aus den Ohren katapultierte und trotz emotionalen Aufschrie meinerseits einen Zahn zulegte und mir somit auch gleich das komplette Phone aus der Hand riss.
Durch den Schwung beförderte sie das iPhone vor sich auf die Straße, wo es eine einzigartig seltsam-anmutende Gravur dank Asphaltierung erhielt. Ein Geräusch des Schlitterns, das ich nie wieder hören mag. Doch damit nicht genug; sie fuhr unbeirrt auch nochmals drüber - mit Vorder- und Hinterrad - ich konnte eine spontane Träne kaum verbergen, kamen mir diese Sekunden doch vor wie in Slow-Motion. Durch hochgradig freundliche Worte machte ich auf mich aufmerksam, doch sie fuhr davon. Eine iPhone-Killerin auf der Flucht. Von dem Fakt überzeugt, ich könne sie nach meinem vorhergegangen Ich-Renn-Dem-Bus-Hinterher-Training wieder einholen, sorgte ich mich vorrangig um das iPhone. Schließlich schaltet die Ampel gleich auf grün und eine Kolonne von PKW's brummten sehnsüchtig. Die Kopfhörer: Ihnen war zum Glück nichts passiert. Dann das iPhone selbst, es lag mit dem Glas nach unten, hätte ich doch bloß in diesem Moment keine Nachrichten darüber gelesen. Doch oh Freude: Alles funktionierte. Einfach alles. Von äußerlichen Blessuren abgesehen (das Glas war nicht gesplittert, lediglich eine kleine Schramme) war alles in Ordnung.
Ich ließ Fahrrad-Terror-Oma ziehen, denn sie wusste nicht, was sie tat. Und immerhin war sie so vernünftig und verzichtete offensichtlich bereits auf ein Auto, denn wer weiß, was sie damit alles anstellen würde.
Meinem Aufschrie folgte ein ernüchterndes Lächeln. Die Passanten nickten zustimmend. Zeitumstellung? Keine Spur. Alle waren hell wach. Vorallem ich. Morgen nehme ich dann aber lieber wieder den Bus.
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