Ich kann dich beruhigen. Ich war bisher dafür. Du musst mich verwechseln.
Du hast geschrieben, es gäbe "keine Strategie, keine Vorbereitung, keinen Plan" und man drehe sein Fähnchen im Winde und das würde jetzt jedem klar. Das nenne ich, einfach dagegen sein.
Es gab kein auf, zu, auf zu! Die Geschäfte haben seit November geschlossen. Im März, also vier Monate später, hat man leicht geöffnet. Solche Einschränkungen sind verfassungsrechtlich streng beschränkt. Nach so langer Zeit ist es daher verständlich, dass man lockern möchte. Die Bevölkerung hat es ja auch gefordert.
Verschienene Mediziner haben gewarnt, dass es dafür zu früh sei und die Mutationen das Risiko zudem erhöhen. Jetzt hat man die Quittung anhand der steigenden Zahlen, dass die Lockerung tatsächlich zu früh kam und macht, was man auch bisher in diesem Fall getan hat: man verschärft!
Ich sehe in der zu frühen Lockerung sogar den Nachweis dafür, dass das Konzept, das Alice Weidel gestern Nacht in heute up:date genannt hat, uns erst recht in die Katastrophe führen würde und dass sie die Zahlen der Wissenschaft nicht versteht oder ignoriert.
Das ist nicht meine Aufgabe. Aber es wäre die der Regierung. Ich würde jedenfalls nicht alle paar Wochen dieses halbherzige auf-zu-auf-zu betreiben, falsche Hoffnungen auf Basis fauler Kompromisse wecken und dann auch noch zur Krönung Entscheidungen zurücknehmen.
Ich habe auch nicht gesagt, dass Du die Aufgabe übernehmen sollst. Aber wer etwas als falsch kritisiert, muss auch Alternativen aufzeigen.
Ich sehe seit einem Jahr monatlich die Ministerpräsidenten zusammenkommen, danach tragen Merkel, Söder und ein weiterer Ministerpräsident die Ergebnisse vor und am nächsten Tag macht jedes Bundesland seine eigene Abwandlung der Beschlüsse. Schließlich kippen Gerichte auch noch einzelne Beschlüsse.
So ist es. Vielleicht wäre es mal an der Zeit, über das Verfahren oder die Strukturen nachzudenken.
Das bedeutet, Du sprichst von einer Änderung des Grundgesetzes. Das ist mit Sicherheit nicht das, was uns jetzt einen zeitlichen Vorteil verschaffen würde. Ganz im Gegenteil: Das wäre ein jahrelanger Prozeß.
Die föderale Struktur hat ihre Gründe und auch ihre Vorteile. Sie ist vielleicht sogar jetzt ein Vorteil, aber es wirkt nicht so, weil der Föderalismus Diskussionen erzwingt.
PS: Und bitte nicht falsch verstehen: Ich bin sehr FÜR Maßnahmen.
Es geht mir gar bei meinen Kommentaren zu Dir nicht darum, ob jemand für mehr oder weniger harte Maßnahmen ist. Es geht mir um die pauschale Kritik an der Politik und den tieferen Blick, was eine scheinbar einfache Kritik und Forderung genau bedeutet.
Auf 3sat laufen auch Nachrichtensendungen aus Österreich und der Schweiz. Dort diskutiert man das gleiche wie bei uns. Die Maßnahmen ähneln sich auch sehr. Unterschiede sind meistens nur zeitlich versetzt, weil sich das Infektionsgeschehen nicht überall identisch entwickelt. Hinzu kommt, das bei uns in einem halben Jahr der Bundestag neu gewählt wird und sich deshalb natürlich jetzt jeder möglichst gut in Szene setzen will. Dazu hat sich schon immer geeignet, die Schwachstellen der anderen anzugreifen, anstatt seine Stärken herauszustellen.