Die Union macht es richtig
von Hubertus Volmer
Der Blick auf die SPD zeigt der CDU ihre eigene Zukunft: Sie muss ihren eigenen Bedeutungsverlust akzeptieren, um handlungsfähig zu bleiben. Polarisierung wäre ein Fehler. Im Übergang zur "Post-Volkspartei" ist Angela Merkels Kurs daher alternativlos.
"Rückenwind" meinte Frank-Walter Steinmeier nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und im Saarland zu spüren. Tatsächlich sind die Ergebnisse vom Sonntag aber viel zu diffus, um als Signal für die Bundestagswahl zu dienen. Es ist das Saarland, das die Machtperspektiven der Zukunft bündelt: Auf absehbare Zeit werden wir ein stabiles Fünf-Parteien-System haben, in dem Mehrheiten sich häufig nur zu dritt organisieren lassen. Natürlich ist es möglich, dass Union und FDP am 27. September noch einmal ihre Wunschmehrheit bekommen. Nur dürfte es dann vorläufig das letzte Mal sein.
Denn die Volksparteien erodieren. "Es gibt in Deutschland nur noch eine Volkspartei, und das ist die CDU", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Wahlabend. Pofallas Hochmut war ebenso unangemessen wie die Hochstimmung in der Berliner SPD-Zentrale. Denn im Schatten der sozialdemokratischen Dauerkrise verliert auch die Union seit Jahren mehr oder weniger kontinuierlich an Zustimmung. 1998 war mit 35,1 Prozent der vorläufige Tiefpunkt, und die aktuellen Umfragen sehen kaum besser aus. Pofallas Chefin ist denn auch deutlich vorsichtiger: "Ich glaube", sagte Angela Merkel am Tag danach, "dass die CDU noch immer den Volkspartei-Charakter für sich in Anspruch nehmen kann."
Für die Union ist es nur ein schwacher Trost, dass die Erosion der SPD schneller voranschreitet als ihre eigene. Immerhin ist es ein Vorteil: Ein Blick auf die SPD offenbart der CDU ihre eigene Zukunft: Auch ihre Wählermilieus lösen sich auf, auch ihre Bindungskraft lässt nach. Die SPD hat es früher erwischt als die Union. Aber auch diese wird nicht verschont bleiben.
Der größte Fehler wäre nun, in Hektik zu verfallen. Aus Sicht der Union kann es derzeit keinen besseren Wahlkampf geben als den präsidialen Integrationskurs der Kanzlerin. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch warnte bei n-tv bereits vor einer "Diskussion von selbsternannten Hobbystrategen" in der CDU. Koch hat sehr erfolgreich polarisierende Wahlkämpfe geführt, aber er hat lernen müssen, dass Polarisierung zur falschen Zeit dem Gegner nutzt und der eigenen Bündnisfähigkeit schadet. Die aber ist im Fünf-Parteien-System immer wichtiger: Aus Sicht der Union ist eine weitere Öffnung zu den Grünen daher dringend geboten.
Die SPD hat viele Fehler gemacht, aus denen die Union gelernt hat. Schröders "neue Mitte" war ein Flop, mit dem die Sozialdemokraten einen großen Teil ihrer Kernwählerschaft verprellt haben, ohne neue Wählergruppen dauerhaft an sich binden zu können. Die Union kann daraus lernen, dass eine Volkspartei ihren Niedergang beschleunigen oder verlangsamen, nicht aber aufhalten kann. Der Umgang der SPD mit den Linken war und ist von überraschender Kurzsichtigkeit: Jahrelang ließen Sozialdemokraten sich ihren Umgang mit der PDS von der Union diktieren, und noch immer ist die SPD nicht souverän genug, auch nur zu erwägen, ob die Rolle des Juniorpartner in einer rot-roten Regierung möglicherweise angenehmer wäre als in einer Koalition mit der CDU. Bei Schwarz-Grün in Hamburg hat die Union ihrerseits gezeigt, dass sie vergleichsweise geschmeidig über ihren Schatten springen kann.
Die Zukunft der Union ist die einer Post-Volkspartei. Wenn sie diese Perspektive akzeptiert, wird sie handlungsfähig und der zentrale Machtfaktor im deutschen Parteiensystem bleiben. Merkel und Koch haben das verstanden.