Dann spreche ich dich ganz sachlich an, indem ich dir sage, dass du dich und deine Meinung hier viel zu wichtig nimmst.
Fühlst du dich angegriffen?
Nein. Aber mal anders, um es nachvollziehbar darzustellen: Ich bin sendungsbewusst und meinungsstark genug, um meinen Standpunkt wehrhaft zu argumentieren und zu verteidigen, denn ich argumentiere nicht unüberlegt oder aus dem Bauch heraus. Ich bin aber bereit meinen Standpunkt zu ändern, wenn ein mich überzeugendes Argument vorgebracht wird.
Warum sollte ich mich also durch (d)eine
Meinung angegriffen fühlen - sie stellt ja erst mal nur ein für mich ein eventuelles Endergebnis eines Meinungsbildungsprozesses, der mir in seinen Einflussgrößen gar nicht vollständig bekannt ist, dar?!
Ich fühle mich auch nicht angegriffen, wenn du lieber HipHop als meine Musik lieber hörst, Levis hübscher findest als Hilfiger-Jeans oder lieber Burger als Lasagne isst. Denn ich gehe erstmal davon aus, dass du diese Meinung ebenfalls aus einem bestimmten Grund heraus fällst: Dahinter steht eine Beurteilung. Diese ist Resultat persönlicher Erfahrungen, Einschätzungen, Werte, ...
Warum "zum Teufel" sollte ich dich, der einen vollkommen anderen Lebensweg, Einstellungen, Erfahrungen (...) - die mir zudem unbekannt sind - hat als ich, dafür kritisieren, dass du zu einer anderen Beurteilung - auch über mich - kommen solltest, als ich? Selbst wenn ich eine fundamental andere Sicht der Dinge habe?
Es besteht nur ein Unterschied, ob du sagst, dass das deine
Meinung ist (und sogar ggf. noch begründest) oder Formulierungen fallen wie "
oberlehrerhaft beflegelt", "
Die Relation haben Menschen verloren, die im warmen zu Hause mit einer niedlichen Krippe Weihnachten feiern und gleichzeitig Kinder im Jemen verhungern und verrecken lassen." usw.
Und sollte es da dann zu einer Diskussion kommen, geht es "plötzlich" um semantische Spitzfindigkeiten und die Aussage ist ja gar nicht direkt gegen jemanden gerichtet gewesen.
Ich weiß nicht wie es bei dir ist, aber ich kann durchaus sehr gut damit leben, wenn jemand einen anderen Standpunkt hat und man sich hierzu in der Sache(!) "streiten" (im Sinne von: sachlich austauschen, diskutieren) kann. Ich kann auch gut damit leben, wenn mich jemand nicht leiden kann, das offen sagt, aber dennoch gut über ein Thema diskutieren kann.
Ich habe aber durchaus ein Problem damit, wenn Diskussionen - direkt oder unterschwellig - ins Persönliche abdriften, Unterstellungen zu selbst in die Aussagen gedeuteten Standpunkten/Meinungen gemacht werden oder man - statt klar zu (s)einem Standpunkt zu stehen - die oben zitierte Form des "Angriffs" genutzt wird. Das ist nämlich das gleiche rhetorische Stilmittel, wie es z.B. von bestimmten politischen Flügeln gerne genutzt wird - da dann unter dem Deckmantel des "Das war doch gar keine Aussage zu/über ...! Aber man wird doch mal fragen dürfen?!").
Man kann gerne am Ende mit unterschiedlichen Meinungen auseinander gehen, weil keinen die Argumente bzw. der Standpunkt des anderen überzeugt hat. Aber bis zum Ende sollte man, unabhängig von der Meinung über den anderen oder zu seinem Standpunkt, angemessen und respektvoll miteinander umgehen.