ich stelle mal eine frage in den raum, die zur dikussion anregen soll:
ist religion das gefährlichste was der mensch je erfunden hat?
Ist Religion gefährlich?
Gab es nicht mal einen Spiegel-Titel in die Richtung?
Jedenfalls ist die Antwort: Definitiv nein! Die Religion ist nicht gefährlicher als alles andere, was der Mensch so anstellt. An Ideologien, vom Faschismus bis zum Kommunismus, sollte ebenso gedacht werden, wie an so vermeintlich rationale Dinge wie unser Wirtschaftssystem (ich vermeide das Wort "Kapitalismus" ausdrücklich). Unsere Art, mit unserem Planeten umzugehen, ist viel gefährlicher als jede Religion, ebenso haben atomare, (bio-) chemische und sonstige Weltuntergangsszenarien keinen religiösen Ursprung.
Oder sind heute Geld und Technik unsere Religion? Man hat manchmal sehr diesen Eindruck.
Kurz und gut: Ereignisse wie 9/11 haben viel mit Verblendung, Fundamentalismus, Brutalität und Grausamkeit zu tun - und wenig mit dem Islam als Religion.
Wenige Monate nach dem 11. September 2001 war ich in New York und erlebte eine Stadt, die sich langsam von ihrer Schockstarre erholte. So sehr ich die Traumatisierung der US-Amerikaner und die Welle von Patriotismus verstand, so wenig verstand ich, dass man die Lehren aus 9/11 nicht begreifen wollte. Wobei das vorrangig auf die US-Regierung zutrifft. Ich persönlich habe viele US-Amerikaner kennengelernt, die sich bei allem Patriotismus kritisch zur Rolle ihres Landes in der Welt und zur weltumspannenden Dominanz des "American Way Of Life" geäußert haben. Sie meinten, man müsse innehalten, nach den Ursachen des Terrors forschen, Selbstkritik üben und eine intelligente Bekämpfung des Terrorismus betreiben.
Es folgte jedoch mit der Cowboy-Mentalität der Bush-Krieger genau das, was in den aufgeklärten westlichen Staaten nicht hätte passieren dürfen: Fundamentalismus wurde mit Fundamentalismus beantwortet, Irrsinn mit Irrsinn.
Wir hatten Glück, dass sich die Bedrohung durch den Terrorismus nicht in dem Maße realisiert hat, wie es am 11. September 2001 zu befürchten war. Und wir in Deutschland hatten ganz besonders Glück, weil bisher keine Bombe in der Berliner U-Bahn hochgegangen ist. Aber die Art und Weise, wie der Terrorismus landläufig bekämpft wird, sät neuen Terrorismus. Dem Terrorismus - das kann man gut sehen, wenn man sich die Tage mit der RAF beschäftigt - liegt zumeist eine Mischung aus extremen Ungerechtigkeitsempfinden und tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplexen zugrunde. Er hat seine Ursache in realen Gegensätzen, Brüchen und Problemen, die er zwar nicht löst, die aber auch nicht ignoriert werden können.
So hat man aus dem 11. September nicht gelernt. Nicht in den USA, nicht in Deutschland. Nach wie vor halten wir unser Leben, unsere Verfassung, unsere Kultur, unseren Konsum und unsere Freiheit für das Maß aller Dinge. Wir sind die Guten. Wir lassen nichts anderes gelten.
Und trotzdem: Wir (die "zivilisierte Welt") sind genauso ursächlich für den 11. September wie diejenigen, die die Flugzeuge ins WTC geflogen haben. Wir sollten uns auch Gedanken über unseren Anteil an dieser Katastrophe machen, weil wir nur dann wirklich genug tun, um soetwas nicht wieder erleben zu müssen.
H.