Vielleicht beruht unsere Geschichte der Synchronisation von Filmen darauf, dass Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, als Filme für das Massenpublikum allgemein noch in den Startlöchern standen, die Filmkultur der Deutschen bereits ziemlich ausgeprägt war?
Damit meine ich, dass die Deutschen sich von Anfang an sehr für den Film begeistert haben und man mit Filmvorführungen Geld verdienen konnte. Andererseits war das Erlernen weiterer Sprachen außer Latein, Altgriechisch und Französisch für die Massen noch ungewöhnlich, Englisch als Fremdsprache begann sich im Unterricht damals nur sehr langsam durchzusetzen.
Wir hatten zu Stummfilmzeiten einige der besten Regisseure und Filme der Filmgeschichte hervorgebracht. Stummfilme aus anderen Ländern waren auch kein Problem, die entsprechend übersetzten Tafeln konnten schnell reingeschnitten werden; die Begleitmusik brauchte keine Übersetzung.
Technisch möglich waren Tonfilmvorführungen schon seit Anfang 1900, aber kommerziell erfolgreich wurden
"Talkies" erst ab Ende der 1920er Jahre. In Europa, wo es schon sehr viele berühmte (Stumm-) Filmschaffende gab - wurden die Tonfilme skeptisch diskutiert, weil die Dialoge vom künstlerischen Zweck ablenken konnten.
Die kommerzielle Verbreitung von Tonfilmen begann in Amerika, d.h. das Film liebende, und nur Deutsch verstehende Massenpublikum konnte den Handlungen irgendwann nicht mehr folgen, als der Ton mehr und mehr zum Handlungsträger wurde und sich damit auch die Bildsprache änderte.
Als schließlich die produzierenden Studios in Hollywood dazu übergingen, Filme erst im nachhinein (in der eigenen Sprache) zu vertonen (synchronisieren), hat die hiesige Filmwirtschaft sicher erkannt, wie man ohne eigene Verfilmung das Angebot der Kinos dramatisch steigern konnte, nämlich durch Synchronisation.
Soweit meine persönliche Theorie/Erklärung.
Fakt ist, dass es deutsche Synchronisationen von Anfang an gab. "Ich küsse Ihre Hand, Madame" (1929) war der erste europäische, synchronisierte Spielfilm - allerdings wurde dort nur ein Gesang vertont, ansonsten gab es keine Dialoge. Daraufhin folgten noch im gleichen Jahr "G'schichten aus der Steiermark" (A), "Das Land ohne Frauen" (D), und "Atlantik" (D), alle drei mit ausgeprägten Dialogszenen.
Noch ein Aspekt ist die dänisch-deutschen Firma "Tobis Klangfilm", die von Anfang an in Europa die Technik für Tonfilme lieferte, und möglicherweise daran interessiert war, ihre Produkte zu vermarkten, indem sie die Produktion von synchronisierten Filmen eventuell förderte.
Die Inhalte der letzten zwei Absätze und auch einiges davor habe ich aus dieser Quelle zusammengefasst:
http://en.wikipedia.org/wiki/Sound_film
Ein abstruse (und bitte nicht allzu ernst zu nehmende) Erklärung der weiteren Förderung von synchronisierten Filmen selbst nach Hitlers Putsch wäre vielleicht
dessen Vorliebe für Walt Disney Filme (die auch seit Ende der zwanziger Jahre vertont wurden), seine möglicherweise schwach ausgeprägte Beherrschung der englischen Sprache, und
seine Ambitionen diese zu verstehen und nachzuahmen.