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Gesellschaftliche Entwicklungen

markthenerd

Cellini
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Beiträge
8.746
Auf Grund der Reaktionen zu einem Link den ich einwarf eröffne ich dieses Thema.

Selbst involviert in diese Phase der gesellschaftlichen Entwicklung mache ich mir immer wieder Gedanken und habe Diskussionen. In der Nachkriegsphase herrschte die Devise "Zucht und Ordnung". Väter gaben ihren Söhnen Anleitungen für den kommenden Krieg.

A. S. Neill war plötzlich in aller Munde. Allerdings legte ein Grossteil der Möchtegern-Realisierer seine Thesen skurill aus. So erzählte mir ein Skilagerhaus Betreiber, dass ein Antiautoritäres Lager in seinem Haus durchgeführt wurde. Das Haus ohne Abwaschmaschine und dergleichen erforderte das Mitmachen der Schüler in der Küche. Nun war der Lehrer Neill Fan und liess den Schülern freie Bahn was sie tun oder nicht tun wollten. Was taten die wohl? Richtig - natürlich alle ordentlich ausschlafen. Leider hatten sie vergessen die Heinzelmännchen zu rufen.

Auch im Familienkreis wurde der (zuvor zu) autoritäre Erziehungstil verpönt. Nach Einschätzung nicht weniger war die anschliessende Entwicklung teilweise bizarr.

Die erste Reaktion zitiere ich hiermit.
A.S. Neill und seine Schule basierten nie auf Beliebigkeit oder Grenzenlosigkeit, das unterstellten immer nur Kritiker. An seiner schule gab es immer klare Regeln, nur wurden die von der Gesamtheit der Schüler und Lehrer aufgestellt. Das haben autoriätshörige Typen halt nie verstehen können.
Summerhill ist nicht pädagogisch gescheitert, sondern politisch. Politiker/innen mögen keine selbständigen, am Ende sogar ganz basisch-bürgernah, anarchistisch denkende, alles immer wieder (über-)prüfende, jungen Menschen. Nicht unter Thatcher, nicht unter Kohl, nicht unter Merkel.
 

Freshcoeur

Cripps Pink
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Beiträge
152
Ganz hundert Prozent klar, um was sich die Diskussion in diesem Thread drehen soll, ist es mir zwar nicht, aber ich lese in deinem und dem zitierten Beitrag Gedanken zu autoritärer und antiautoritärer Erziehung und allgemein zur gesellschaftlichen Entwicklung (und wahrscheinlich auch den damit verbundenen Vorstellungen "richtigen" Erziehens.)

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass auch heute noch der überwiegende Teil der Eltern in der Erziehung einen Weg finden, der mit ihren eigenen als auch den gesellschaftlichen Wertvorstellungen einigermassen übereinstimmt und sich ihre Kinder zum überwiegenden Teil zu erwachsenen Personen entwickeln, welche ihr Leben selber gestalten und meistern können. Insofern halte ich nicht allzuviel von erziehungspessimistischen Ansichten.

Meiner Meinung nach einige der klügsten Gedanken zu Erziehung, den Folgen autoritärerer wie auch antiautoritärer Erziehung (die ich selber aus meiner Praxiserfahrung bestätigen kann), stammen von Haim Omer, einem israelischen Psychologen, der sich seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mit neuen Phänomenen der Erziehung befasst. Dazu publizierte er mehrere Bücher. In seiner Analyse kommt er zum Schluss, dass sich seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Erziehungsberatungsstellen insbesondere zwei Tendenzen bei Eltern feststellen liessen:

1. Erziehungsunsicherheit. Gesellschaftlich ist ein autoritärer Erziehungsstil seit dem Zweiten Weltkrieg verpönt (u.a. aufgrund der Schriften von Adorno zu Autorität und Gehorsam oder dem berühmt-berüchtigten Milgram-Experiment). Omer weist aber auch darauf hin, dass die antiautoritäre Erziehung nicht etwa zu selbstbewussten, selbstständigen und verantwortungsvoll handelnden Mitmenschen führt, sondern im Gegenteil geringes Selbstwertgefühl, ein gesteigertes Risiko zu Drogenkonsum usw. bei den so erzogenen Personen feststellbar ist. Diese Aussagen untermauert Omer mit Hinweisen auf entsprechende Forschungsergebnisse. Unabhängig von der Forschung scheint der Gedanke der antiautoritären Erziehung vielen Eltern ebenfalls suspekt, was dazu führt, dass völlig unklar wird, wie und auf was hin erzogen werden soll.
2. Ohnmächtige Eltern. Aufgrund des "Erziehungsvakuums" geraten die tradierten Rollen in der Familie ins Wanken. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass Kinder beginnen Eltern sprachlich zu demütigen, zu erpressen oder gar zu schlagen. Vielleicht mag dies hier überraschen und man könnte den Eindruck erhalten, dass es sich dabei um ein marginales Problem handelt. Tatsächlich ist es so, dass das Phänomen ohnmächtiger Eltern in den Beratungsstellen jedoch zunimmt, gesellschaftlich aber immer noch ein sehr grosses Tabu darstellt (vgl. dazu z.Bsp. diesen Bericht).

Omer blieb jedoch nicht in seiner Analyse stecken, sondern entwickelte ein Konzept und Handlungsanweisungen, wie diesen Phänomenen begegnet werden kann. Es handelt sich dabei nicht um ein generelles Erziehungskonzept, welches Allgemeingültigkeit besitzt, sondern es berücksichtigt die Tatsache, dass viele Eltern Wege für eine geglückte Erziehung selber finden. In denjenigen Fällen, bei denen die Erziehungsabsichten der Eltern "aus dem Ruder zu laufen drohen", schlägt Omer ein Vorgehen der Eltern vor, welches auf den Prinzipien des gewaltlosen Widerstandes von Ghandi und elterlicher Präsenz anstelle von Macht und Gehorsam beruht. Meiner Meinung nach besticht das Konzpet dadurch, dass es einen "dritten Weg" neben autoritärer und antiautoritärer Erziehung aufzeigt und neue Sicht- und Handlungsweisen ermöglicht.

Mehr dazu gibts

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