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Es ist schon eigenartig, dass es manchmal eine ganze Generation überdauert, bis ein Fehler erkannt wird. Liegt es daran, dass uns die Konsequenzen nicht bewusst sind? Oder schlimmer noch; wir nicht wollen, dass sie uns bewusst werden? Sie uns völlig egal sind? Schon in der Schule wurde ein jeder von uns mit dem Satz Geschichte wiederholt sich konfrontiert. Längst sind wir zu dem gläsernen Kunden geworden, vor dem zu werden wir uns immer fürchteten. Die mediale Aufmerksamkeit des Kaufes eines weltweit genutzten Internetmessengers durch Facebook ist der beste Anlass, einmal nachzuhaken. Und dort zu beginnen, wo es völlig abwegig erscheint. Ein kurzer Ausflug: Was Marlboro mit Whatsapp zu tun hat – und warum wir nahezu immer heucheln, wenn wir uns selbst Besserung geloben.[prbreak][/prbreak]
[h2]„Ich hab’s dir ja gesagt“[/h2]
Spätestens seit Will Smith als Robert Clayton Dean 1998 unschuldig zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt wurde oder Tom Cruise im Neo-Noir-Streifen Minority Report durch ein System der Totalüberwachung selbst zur Zielscheibe wird, ist das Thema beim Popcorn-Kino-Besucher angekommen. Unzählige Bücher gibt es darüber, tausendfach warnen uns Wissenschaftler, Philosophen und Kabarettisten. Seit Jahrzehnten schon. Im vergangenen Jahr tat dies ein mittlerweile sehr bekannter Ex-Geheimdienstler. Edward Snowden legte einen Skandal offen; besser, er belegte ihn. Denn dass irgendjemand irgendwo einen Plan verfolgt, uns nach und nach immer durchsichtiger zu machen, war das, was man ein offenes Geheimnis nennt. Jedoch; so kamen Details einer tatsächlichen, umfassenden Datensammlung ans Licht. Private und geschäftliche Gespräche über E-Mail, SMS oder das klassische Telefonat werden abgegriffen – selbst bei Politikern wie unserer Kanzlerin. Das ist Fakt. Aber Fakt ist auch, dass sich seit Bekanntwerden nichts änderte. Das wirklich Schlimme daran ist nicht das Duckmäusertum unserer Regierung, wie es der Linke-Fraktionschef Dr. Gregor Gysi in seinem zur Rede des Jahres 2013 gewähltem Manifest nennt. Wir sind scheinbar nicht in der Lage, diese Geschichte auf uns selbst zu projizieren. Uns klar zu machen, dass nur wir diejenigen sind, die unser höchstes Gut schützen können: unsere Privatsphäre. Das hat vor allem mit Bequemlichkeit zu tun – aber auch damit, dass die Aufklärung ohne Schmerzen kommt. Womit wir beim Aufstieg und Fall der Zigarette wären.
[h2]„Dont be a Maybe“[/h2]
Wer in den 60ern, 70ern, 80ern, 90ern und sogar den frühen 2000ern aufgewachsen ist, sieht die Bilder noch vor sich: Überall wird munter gequalmt. Was heute ein No Go ist, war früher voll gesellschaftlich akzeptiert. Im Restaurant, dem Auto und sogar zuhause. Dort, wo sich eventuell auch Kinder aufhielten. Irgendwo war jedem schon klar, dass es nicht wirklich gesund sein kann, sich eine Mischung aus Teer und Nikotin in die Lunge zu ziehen. Was man aber völlig ignorierte, war die Gefahr durch das passive Einatmen des Kippen-Qualmes. Erst spät wurden Studien repräsentativ genug. Und wenn man sich einmal vor Augen hält, dass der Fehler des völlig unbefangenen Konsums heute noch jährlich 165.000 Kindern weltweit das Leben kostet – dann möchte man gar nicht wissen, wie diese Zahl früher aussah. Als noch nicht, wie im Oktober vergangenen Jahres geschehen, ganze Werbekampagnen der Zigarettenkonzerne kurzerhand verboten wurden. Als man noch nicht, wie heute, eher kritisch beäugt wird, wenn man sich mal eben eine anzündet. Als noch keine Schocksprüche und Ekelbilder die Packungen zierten. Der Triumphzug des Marlboro-Mannes ist vorüber. Das zeigen die Zahlen des verkauften Tabaks, die zwar langsam sinken, aber immerhin. Jedoch erst nachdem wir über ein halbes Jahrhundert lang unbeschwert schmorten, was das Zeug hielt. Und Millionen Menschen ihr Leben ließen. Was schmerzlich zeigt, wie schwer es doch ist, uns zu einem Umdenken zu bewegen, wenn wir uns erst einmal an etwas gewöhnt haben. Selbst dann, wenn es uns augenscheinlich schadet.
Inbegriff der Coolness: Der Marlboro-Mann. In der Werbung werden wir ihn so schnell nicht wiedersehen. cell2soul.typepad.com
[h2]Deinen täglichen Post gib uns heute[/h2]
Ist es bei unserem Umgang mit sozialen Netzwerken oder Messengern nicht genau dasselbe? Seit Jahren nutzen wir sie, laden das Urlaubsfoto hoch und liken unseren Lieblingsmusiker. Dass so auch der Reiseunternehmer sieht, wo wir gerne hinfliegen, dürfte klar sein. Auch die Musikindustrie nutzt Like-Anzahl und -Frequenz längst als Indikatoren dafür, wer angesagt ist und wer nicht. So kann gezielt Werbung geschaltet werden. Und so verdient Facebook sein Geld. Wissen ist Macht, das steht schon lange geschrieben. Unsere Handlungen und Selbstdarstellungen sind für alle einsehbar, die das Unternehmen um Mark Zuckerberg dafür bezahlen. Der hat vergangene Woche den größten Deal in der Geschichte von Internetfirmen abgeschlossen. 19 Milliarden US-Dollar. Jedoch nicht für den Code oder das Design von Whatsapp – sondern für seine 450 Millionen Nutzer und deren Telefonnummern. Das reicht aber noch nicht aus, um zu begreifen, was das Unternehmen so wertvoll macht. Freilich wird Zuckerberg einiges dafür tun, den ohnehin bereits angeschlagenen Ruf des Chatprogrammes bezüglich Datenschutz etwas zu entschärfen – ein fader Beigeschmack bleibt aber. Wir sehen jetzt nämlich, dass unsere Telefonnummer mit Geld gekauft werden kann – und damit nahezu alles was sich so auf unserem Telefon befindet, Smartphone sei Dank. Kurz nach der Meldung des Kaufes überschlugen sich im Netz die Nachrichten und Kommentare. Auch von einer Massenabwanderung weg von Whatsapp und hin zu vermeintlich sicheren, verschlüsselten Chat-Programmen war schnell die Rede. Die blieb aber bisher aus. Aus einem simplen Grund: Wir sind längst süchtig.
[h2]Morgen hör’ ich damit auf, ich schwörs[/h2]
Wir sind süchtig nach der schnellen, einfachen Kommunikation. Während andere Messenger kaum Nutzer finden, sind über Whatsapp nahezu alle unsere Freunde erreichbar. Wir wollen nicht warten, bis die alle etwas anderes nutzen. Der Blick in Whatsapp nach dem Aufstehen, während dem Mittagessen und vor dem Schlafengehen gehört mittlerweile einfach dazu. Erst am Samstagabend waren die Server für einige Stunden down – was zur Folge hatte, dass nahezu alle anderen Kanäle wie Facebook und Twitter plötzlich völlig überlaufen waren. Vom Onlineauftritt der lokalen Zeitung bis zur Zeit und Spiegel Online berichteten alle über den Ausfall. Das zeigt den wirklichen Stellenwert des Unternehmens – und auch, dass wir noch nicht bereit für einen Wechsel sind. Allen Warnungen, die uns wachrütteln wollen zum Trotz. Es steht in den Sternen, was für ein kollektives Umdenken passieren muss. Vermutlich dauert das noch ein wenig. Solange, bis wir die Konsequenzen unseres Handelns wirklich zu spüren bekommen. Vielleicht nicht durch Krankheiten, wie es bei der Zigarettengeschichte der Fall war. Spätestens aber dann, wenn das in so vielen Filmen dargestellte Szenario des Überwachungsstaates endgültig zur Realität geworden ist – und unser Leben so durchsichtig wie Glas.
Der Autor wirft an dieser Stelle regelmäßig einen Blick auf Vergangenes und Kommendes. Ob ernst oder luftig – die Kolumne widmet sich interessanten Themen, rechnet gerne ab und dichtet noch lieber dazu. Der Apfelblick spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.
[h2]„Ich hab’s dir ja gesagt“[/h2]
Spätestens seit Will Smith als Robert Clayton Dean 1998 unschuldig zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt wurde oder Tom Cruise im Neo-Noir-Streifen Minority Report durch ein System der Totalüberwachung selbst zur Zielscheibe wird, ist das Thema beim Popcorn-Kino-Besucher angekommen. Unzählige Bücher gibt es darüber, tausendfach warnen uns Wissenschaftler, Philosophen und Kabarettisten. Seit Jahrzehnten schon. Im vergangenen Jahr tat dies ein mittlerweile sehr bekannter Ex-Geheimdienstler. Edward Snowden legte einen Skandal offen; besser, er belegte ihn. Denn dass irgendjemand irgendwo einen Plan verfolgt, uns nach und nach immer durchsichtiger zu machen, war das, was man ein offenes Geheimnis nennt. Jedoch; so kamen Details einer tatsächlichen, umfassenden Datensammlung ans Licht. Private und geschäftliche Gespräche über E-Mail, SMS oder das klassische Telefonat werden abgegriffen – selbst bei Politikern wie unserer Kanzlerin. Das ist Fakt. Aber Fakt ist auch, dass sich seit Bekanntwerden nichts änderte. Das wirklich Schlimme daran ist nicht das Duckmäusertum unserer Regierung, wie es der Linke-Fraktionschef Dr. Gregor Gysi in seinem zur Rede des Jahres 2013 gewähltem Manifest nennt. Wir sind scheinbar nicht in der Lage, diese Geschichte auf uns selbst zu projizieren. Uns klar zu machen, dass nur wir diejenigen sind, die unser höchstes Gut schützen können: unsere Privatsphäre. Das hat vor allem mit Bequemlichkeit zu tun – aber auch damit, dass die Aufklärung ohne Schmerzen kommt. Womit wir beim Aufstieg und Fall der Zigarette wären.
[h2]„Dont be a Maybe“[/h2]
Wer in den 60ern, 70ern, 80ern, 90ern und sogar den frühen 2000ern aufgewachsen ist, sieht die Bilder noch vor sich: Überall wird munter gequalmt. Was heute ein No Go ist, war früher voll gesellschaftlich akzeptiert. Im Restaurant, dem Auto und sogar zuhause. Dort, wo sich eventuell auch Kinder aufhielten. Irgendwo war jedem schon klar, dass es nicht wirklich gesund sein kann, sich eine Mischung aus Teer und Nikotin in die Lunge zu ziehen. Was man aber völlig ignorierte, war die Gefahr durch das passive Einatmen des Kippen-Qualmes. Erst spät wurden Studien repräsentativ genug. Und wenn man sich einmal vor Augen hält, dass der Fehler des völlig unbefangenen Konsums heute noch jährlich 165.000 Kindern weltweit das Leben kostet – dann möchte man gar nicht wissen, wie diese Zahl früher aussah. Als noch nicht, wie im Oktober vergangenen Jahres geschehen, ganze Werbekampagnen der Zigarettenkonzerne kurzerhand verboten wurden. Als man noch nicht, wie heute, eher kritisch beäugt wird, wenn man sich mal eben eine anzündet. Als noch keine Schocksprüche und Ekelbilder die Packungen zierten. Der Triumphzug des Marlboro-Mannes ist vorüber. Das zeigen die Zahlen des verkauften Tabaks, die zwar langsam sinken, aber immerhin. Jedoch erst nachdem wir über ein halbes Jahrhundert lang unbeschwert schmorten, was das Zeug hielt. Und Millionen Menschen ihr Leben ließen. Was schmerzlich zeigt, wie schwer es doch ist, uns zu einem Umdenken zu bewegen, wenn wir uns erst einmal an etwas gewöhnt haben. Selbst dann, wenn es uns augenscheinlich schadet.
Inbegriff der Coolness: Der Marlboro-Mann. In der Werbung werden wir ihn so schnell nicht wiedersehen. cell2soul.typepad.com
[h2]Deinen täglichen Post gib uns heute[/h2]
Ist es bei unserem Umgang mit sozialen Netzwerken oder Messengern nicht genau dasselbe? Seit Jahren nutzen wir sie, laden das Urlaubsfoto hoch und liken unseren Lieblingsmusiker. Dass so auch der Reiseunternehmer sieht, wo wir gerne hinfliegen, dürfte klar sein. Auch die Musikindustrie nutzt Like-Anzahl und -Frequenz längst als Indikatoren dafür, wer angesagt ist und wer nicht. So kann gezielt Werbung geschaltet werden. Und so verdient Facebook sein Geld. Wissen ist Macht, das steht schon lange geschrieben. Unsere Handlungen und Selbstdarstellungen sind für alle einsehbar, die das Unternehmen um Mark Zuckerberg dafür bezahlen. Der hat vergangene Woche den größten Deal in der Geschichte von Internetfirmen abgeschlossen. 19 Milliarden US-Dollar. Jedoch nicht für den Code oder das Design von Whatsapp – sondern für seine 450 Millionen Nutzer und deren Telefonnummern. Das reicht aber noch nicht aus, um zu begreifen, was das Unternehmen so wertvoll macht. Freilich wird Zuckerberg einiges dafür tun, den ohnehin bereits angeschlagenen Ruf des Chatprogrammes bezüglich Datenschutz etwas zu entschärfen – ein fader Beigeschmack bleibt aber. Wir sehen jetzt nämlich, dass unsere Telefonnummer mit Geld gekauft werden kann – und damit nahezu alles was sich so auf unserem Telefon befindet, Smartphone sei Dank. Kurz nach der Meldung des Kaufes überschlugen sich im Netz die Nachrichten und Kommentare. Auch von einer Massenabwanderung weg von Whatsapp und hin zu vermeintlich sicheren, verschlüsselten Chat-Programmen war schnell die Rede. Die blieb aber bisher aus. Aus einem simplen Grund: Wir sind längst süchtig.
[h2]Morgen hör’ ich damit auf, ich schwörs[/h2]
Wir sind süchtig nach der schnellen, einfachen Kommunikation. Während andere Messenger kaum Nutzer finden, sind über Whatsapp nahezu alle unsere Freunde erreichbar. Wir wollen nicht warten, bis die alle etwas anderes nutzen. Der Blick in Whatsapp nach dem Aufstehen, während dem Mittagessen und vor dem Schlafengehen gehört mittlerweile einfach dazu. Erst am Samstagabend waren die Server für einige Stunden down – was zur Folge hatte, dass nahezu alle anderen Kanäle wie Facebook und Twitter plötzlich völlig überlaufen waren. Vom Onlineauftritt der lokalen Zeitung bis zur Zeit und Spiegel Online berichteten alle über den Ausfall. Das zeigt den wirklichen Stellenwert des Unternehmens – und auch, dass wir noch nicht bereit für einen Wechsel sind. Allen Warnungen, die uns wachrütteln wollen zum Trotz. Es steht in den Sternen, was für ein kollektives Umdenken passieren muss. Vermutlich dauert das noch ein wenig. Solange, bis wir die Konsequenzen unseres Handelns wirklich zu spüren bekommen. Vielleicht nicht durch Krankheiten, wie es bei der Zigarettengeschichte der Fall war. Spätestens aber dann, wenn das in so vielen Filmen dargestellte Szenario des Überwachungsstaates endgültig zur Realität geworden ist – und unser Leben so durchsichtig wie Glas.
Der Autor wirft an dieser Stelle regelmäßig einen Blick auf Vergangenes und Kommendes. Ob ernst oder luftig – die Kolumne widmet sich interessanten Themen, rechnet gerne ab und dichtet noch lieber dazu. Der Apfelblick spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.
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