Ich würde gerne wissen, wieviele von denen hier, die im Brustton der Überzeugung Samsung als Plagiator ohne eigene Ideen verurteilen zu Hause einen schicken Samsung-Flachbildschirm stehen haben...
...ich würde gern wissen, wer hier im Forum NUR Klebeband von Tesa, Cornflakes von Kelloggs, Taschentücher von Tempo, Cola der Coca Cola AG kauft, oder ob einfach die dreisten Kopien und Plagiate gekauft werden, weil sie billiger/besser sind?
...und zu den unzähligen Designbeispielen aus Autoindustrie und Co: Es geht ja garnicht darum, ob andere Branchen genauso vom Patentsystem profitieren (wobei fraglich ist, ob nach Bauhaus und "form follows function" ein einfaches "so einfach und reduziert wie möglich" als eigentändiges Design gelten darf)...
Es geht vielmehr darum, dass das Patentsystem in seiner jetzigen Form einer dringenden Überarbeitung bedarf. Es stammt aus dem Industriezeitalter, wo Erfindungen aus Einzelteilen zusammengebaute Geräte waren. Der Erfinder - zumeist eine
natürliche Person- sollte mit einem Patent vor wirtschaftlichem Schaden bewahrt werden - nicht weniger, aber
auch nicht mehr!
Die Gründerväter dieser Idee wollten ganz sicher nicht milliardenschweren Unternehmen ein Instrument des Wettbewerbs in die Hand drücken... Wenn Schlüsseltechnologien durch Patente in den Händen von Konzernen liegen, dann kann u.U. die ganze Forschung ausgebremst werden.
In der Autoindustrie ist das nicht ganz so wichtig (obwohl es z.B. Folgen haben kann, wenn Ölkonzerne Patente auf erneuerbare Energien von kreativen Start-Ups aufkaufen und dann zurückhalten) - aber in der Technologiebranche können durch Patente auf gewisse Techniken durchaus Schäden entstehen, die uns alle betreffen.
Einfach mal ein konstruiertes Beispiel:
Fall A: Monitorhersteller XY baut hochauflösende Displays für den
Consumer-Notebooksektor. Apple verklagt XY wegen Patentrechtsverletzungen auf die Retina-Technik.
Folge: Der Kunde muss weiterhin ein teures MBP kaufen oder auf hochaufgelöste Displays verzichten.
Nicht schlimm, weil er ja schliesslich bei dringendem Bedarf diesen
durch den Patenthalter befriedigt bekommt.
Fall B:Panelhersteller YZ baut hochaufgelöste DIsplays in für den medizinischen Bereich optimierte Workstations ein. Apple verklagt YZ wegen Patentrechtsverletzung auf die Retina-Technik.
Folge: Krankenhäuser und Ärzte müssen auf ultra-hochauflösende Endoskopie-Aufnahmen im mobilen Bereich verzichten, bis nach jahrelanger Forschung eine Alternativtechnik erfunden wurde, die aber völlig unterschiedlich von Retina-Technik funktioniert.
Apple bietet aber - weil nicht lohnenswert - keine mobilen Endoskopie-Lösungen an. Folge: Es gibt erst Jahre später gleichwertige Lösungen - bis dahin geht in der Diagnostik unnötigerweise Potential verloren.
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Es ist nicht Aufgabe der Nutznießer der aktuellen Rechtslage, diese zu ändern. Will sagen, keiner kann Apple einen Vorwurf machen (höchstens den Verrat der Hippie-Werte ihres Gründers Steve Jobs).
Es ist aber Aufgabe des Gesetzgebers, ein Klima zu schaffen, in dem nicht die Weiterentwicklung von Gesellschaft und Technik durch Konzerninteressen gestoppt werden kann. Ich weiß, dass das in unseren westlichen Gesellschaften, wo Politik von Lobbyismus geprägt ist, nie passieren wird.
Dennoch muss ich das ganze System nicht gutheißen und erst recht nicht hier verteidigen...
Und wenn jetzt jemand fragen sollte, wie das gehen kann: z.B. indem das Patentsystem so angepasst wird, dass Technologien, auf denen aufbauend weiter geforscht und entwickelt werden kann, grundsätzlich lizensierungspflichtig sind, und zwar ohne zeitliche Verzögerung durch den Patenthalter.
So hätte Apple Samsung die Techniken geben müssen, gegen eine Lizenzgebühr, die einen "wirtschaftlichen Schaden Apples" verhindert. Ganz im Sinne der Erfinder des Patentrechts.
So hat am Ende jeder etwas von neuen Techniken, und der Erfinder noch ein wenig mehr (quasi als Lohn für die Erfindung).