Die neusten Snowden-Leaks wären es wert, dass sie als Artikel nicht nur in jeder Apple-Publikation bzw. in Apple-Foren als News auftauchten, sondern
überall, wo dem Smartphone-Boom gehuldigt wird – um vor allem ernsthaft von allen Menschen reflektiert zu werden. Denn die Reichweite der Leaks ist bedeutsamer als vielleicht auf dem ersten Blick ersichtlich.
In Unterlegung des bald legendären Apple-1984-Werbespots erläutert die NSA auf einer Folie den iPhone-Location-Service. Der Kommentar dazu:
"Wer hätte 1984 geahnt, dass dies “Big Brother” ist … und dass die Zombies zahlende Kunden sein würden?"
https://netzpolitik.org/2013/wer-ha...ass-die-zombies-zahlende-kunden-sein-wuerden/
Nein, dies ist nicht ein dahergesagtes Sprüchlein überwachungs-neurotischer Maniacs. So präsentiert vielmehr
die NSA die Möglichkeiten der Überwachung u.a. durchs iPhone. Alles klar? Zombi-Konsumkultur als Gesellschafts- und Überwachungsprinzip. Wer sind die Zombis? Aus der Sicht der Geheimdienstler:
Wir alle, so wir drauf eingestiegen sind.
Man hat lange Zeit Kritiker des Smartphone-Booms tendenziell als hysterische Verschwörungstheoretiker abgestempelt, wenn sie die Gefahren der Datenerfassungsmöglichkeiten zur Diskussion stellten und Regulation durch unsere Politik forderten. Mittlerweile wissen wir, dass den Geheimdiensten nichts mehr entgegenkam, als in Kooperation mit der Industrie eine freiwillige Selbstverwanzung der Menschen zu erreichen – oder wie die FAZ jüngst überschrieb: Die freiwillige Fußfessel…
http://www.faz.net/aktuell/feuillet...hone-die-freiwillige-fussfessel-12317519.html
Verschwörungstheorien haben sich damit also nicht erledigt, sondern wurden sachlich belegt, nur dass ausgerechnet die Bewertung durch die Geheimdienste selber
weitaus zynischer ausfällt, als es vielen vermeintlichen Verschwörungstheoretikern dereinst in den Sinn kam.
Als konkretes Beispiel einer Totalüberwachung wird im FAZ-Artikel Andrej Holm erwähnt, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berliner Humboldt-Universität ins Fadenkreuz geheimdienstlicher Ermittlungen geraten war.
Holm hatte Begriffe, wie „Prekarisierung“ und „Gentrifizierung“, in Artikeln benutzt, die man von Seiten einiger Ermittlungsbehörden in Zusammenhang mit angeblichen Terror-Gefahren brachte. Im Ergebnis bedeutete dies für Holm später Untersuchungshaft, Hausdurchsuchungen – vor allem aber Totalüberwachung seiner selbst, seiner Familie wie seines gesamten Umfeldes.
Wie sich später aus Ermittlungsakten ergab, wurde selbst das Abschalten seines Handys bereits als 'konspiratives Verhalten' ausgelegt. Denn, wie sich herausstellte, konnte man die Handys der Familie, Smartphones und Computer zur Überwachung gezielt verwenden: Kameras und Mikrofone wurden zur Gesprächsaufzeichnung genau so genutzt wie Funkzellenortungen Bewegungsprofile aufzeichneten. Nichts blieb unbeobachtet, und wenn Handys ausgeschaltet oder daheimgelassen wurden, legte man dies Holm und seiner Familie so aus, als habe er gar gezielt die Überwachung unterbinden wollen, also als habe er in krimineller Intention etwas zu verheimlichen. Die Lebensgefährtin von Holm, Anne Roth, führt seit 2007 darüber einen Blog, der Einblick in die Überwachung gibt, die man ihr und ihrer Familie bis heute antut – obwohl Holm längst von jedem Verdacht entlastet ist:
http://annalist.noblogs.org/page/78/
Hier ein Inteview Anne Roths mit Hintergründen:
[video=youtube;cFOGjJ6rjm4]https://www.youtube.com/watch?v=cFOGjJ6rjm4[/video]
Ist nur Andrej Holm, seine Lebensgefährtin und deren Umfeld betroffen? Nein, potentiell und tatsächlich sogar ganz konkret
wir alle. Denn längst hat der Überwachungswahn unserer Politiker wie der Geheimdienste Dimensionen erreicht, die nicht mehr demokratisch kontrolliert werden können – und schon lange nicht mehr demokratisch vereinbar, legitimiert noch verfassungsgemäß sind. Denn ohne Anlass, so ist jedem klar, werden ohnedies unsere Daten gesammelt; also in Verkehrung der Rechtsstaatsprinzipen wie der allgemeinen Unschuldsvermutung, die Grundrecht und Vorbedingung einer jeglichen Demokratie sind.
Allein die alltäglich gewordene Vorratsdatenspeicherung sollte indes ernsthaft aufrütteln. Der Grünenpolitiker Malte Spitz hat seine Daten von der Telekom eingeklagt. In der ZEIT hat man die erhaltenen Daten graphisch umgesetzt:
http://www.zeit.de/datenschutz/malte-spitz-vorratsdaten
Wie die NSA und somit auch unsere Geheimdienste Möglichkeiten und Entwicklungen verwenden, ist mit den Snowden-Leaks unlängst klar geworden. Wie wir Bürgerinnen und Bürger indes dabei betrachtet werden und dass die Methoden nichts mehr mit Terror-Bekämpfung, sondern allein mit Bevölkerungs-Kontrolle und machtmissbrauchender Überwachung zu tun haben, darf man heute getrost aus den jüngeren Leaks ableiten. Denn wir, wir sind die Zombis – wir, die für ihr 1984 sogar noch selber zahlen! Das ist der Zynismus der NSA, der mit den jüngsten Folien dokumentiert wird.
Ohnedies: nicht nur, dass '1984', also die von Orwell umrissenen Überwachungsstaats-Zustände, zynisch angerissen werden – nein, Zombis, das sind
nicht jene, die vor Terror-Gefahren
geschützt werden. Zombis, das sind vielmehr triebgesteuerte Monster, die nicht mehr zu den Lebenden gehören... Wenn uns Politik und Geheimdienste in einer solchen Weise betrachten, dann sollte uns das aufrütteln. Und nur, um es noch einmal klar auszudrücken: Die Zombis sind nach Auffassung der Dienste – wir.
Indes: die Firmen und ihre MitarbeiterInnen, ihre Schöpfer und Manager – wie z.B. Jobs und Gates und viele andere –, haben diesen dystopischen Entwicklungen augenscheinlich zynisch zugearbeitet. Dies ist u.a. den PRISM-Leaks zu entnehmen; also Informationen, denen die US-Regierung in keiner Weise widersprechen; nur die Firmen lügen uns weiter an... Was viele nicht wissen: Steve Jobs war lange Jahre Regierungsberater und Geheimnisträger. Ohne das Wissen und die Mitarbeit solcher Personen, wie Jobs und Gates, war PRISM und vieles andere ohnedies nicht möglich. Jene Menschen, denen wir als Kunden, manche gar als Fans Vertrauen schenkten, wandten sich damit aktiv und wissentlich gegen Bürger- und Menschenrechte, demokratische Werte wie Verfassungen. Apple, Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, so geht aus den PRISM-Leaks hervor, verrieten uns darüber – also uns, ihre zahlende Kundschaft, ihre Mitmenschen und Mitbürger; nach NSA-Slang also
die zahlenden Zombis...
Ganz nebenbei: Steve Jobs FBI-Akte ist 2012 teilweise veröffentlicht worden. Dazu gehörten auch Persönlichkeits-Gutachten, die alles andere als vorteilhaft ausfielen...
http://www.sueddeutsche.de/digital/...s-das-fbi-ueber-steve-jobs-notierte-1.1280480
Vielleicht sollte man auch den 1984-Commercial noch einmal mit anderen Augen betrachten. Denn
das haben Apple, Microsoft und viele andere Mitspieler tatsächlich geschafft: 1984 ist nicht, wie jenes 1984 in Orwells
Buch – nein, es ist viel raffinierter, viel zynischer, viel hinterhältiger...
https://www.youtube.com/watch?v=R706isyDrqI