Ich finde Ozelots Ansichten zu iOS 7/ 8 interessant, denn iOS7/ 8 ist unbestreitbar weit weniger visuell gestaltet, stattdessen ist es textlastig und verzichtet mit voller Absicht auf gestalterische Raffinesse. Das ist kein Zufall, denn mit iOS7/8 hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen, der einer Veränderung der Zusammensetzung von Apples Kundschaft Rechnung trägt. An dieser Stelle geht es um den Unterschied zwischen Visualität und Ausführung-Orientierung der User.
Visualität wird von Menschen geschätzt, die aufgrund weniger assoziativer Hinweise in der Lage sind schnell Zusammenhänge zu erkennen, aufgrund derer sie ihre Entscheidungen treffen. Zum Beispiel eine Funktion auszulösen oder nicht. Wenn sie dabei einen Fehler machen, stört es sie nicht so sehr, denn ihr visuelles Gedächtnis speichert den Fehler bzw. dessen Korrektur. Visuell veranlagte Menschen wollen schnell zum Ziel kommen, aber sie wollen es auch geniessen. Wenn sie also aufgrund einer visuellen Fehlinterpretation ein Interface falsch bedienen, dann macht es ihnen wenigstens Spaß und sie geniessen es einfach. Visuell veranlagte Menschen lesen eher keine Bedienungsanleitungen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.
Die Textlastigkeit von iOS7/ 8 und die Abwesenheit von gestalterischer Raffinesse wird von Menschen, die nicht visuell begabt sind, sondern eher ausführungsgesteuert sind, als "Übersichtlichkeit" geschätzt. Diese Menschen sind froh, wenn ihnen etwas ausbuchstabiert wird, denn dann haben sie das Gefühl, alles richtig zu verstehen und alles richtig zu machen. Solche Menschen lesen sogar Bedienungsanleitungen und sind froh darüber eine zu haben, um sich auf eine Aufgabe vorzubereiten.
Visuell begabte Menschen empfinden die Textfixierung von iOS 7/ 8 als umständliche Hausmeisterei und werden dabei ungeduldig. Sie empfinden die Flachheit und Simplifizierung der Icons und Oberflächen in iOS7/ 8 als reizlos und fühlen sich ästhetisch unterfordert. Sie haben das Gefühl fremdgesteuert zu sein und nicht mehr Herr über "ihr" Interface zu sein.
Apple war jedoch immer die Plattform für visuell veranlagte Menschen. Das Interface des Macs war erfolgreich wegen seiner intuitiven Bedienung, aufgrund visueller Orientierung. Während Windows immer die Plattform für ausführungsgesteuerte Menschen war, die eine hohe Frustrationstoleranz gegenüber einer komplizierten und umständlichen Hermeneutik hatten, solange sie am Ende ein brauchbares Ergebnis erzielen konnten. Den traditionellen Mac-Usern war das immer zu wenig. Es musste auf dem Weg zum Ergebnis das richtige Feeling haben.
Mit iOS7/8 und dem halb-flat-Design von Yosemite gehört diese Unterscheidung der Vergangenheit an. Und zwar mit voller strategischer Absicht. Denn die meisten Menschen sind mittlerweile so sehr daran gewöhnt jede Umständlichkeit mit zu machen, solange sie das Gefühl haben, alles richtig und keine Fehler zu machen. Das richtige Feeling wird jetzt durch die Markenzugehörigkeit ersetzt. Das Feeling der Marke ersetzt jetzt das Feeling des Interface.
Über Steve Jobs weiß man, dass er ungeduldig war, der Intuition den Vorzug vor Kompliziertheit gab und eine unglaubliche Freude an gestalterische Raffinesse hatte. Steve Jobs war ein visuell veranlagter Mensch. Aber - die meisten Menschen sind so ziemlich das Gegenteil von Steve Jobs. iOS 7/ 8 trägt dem Rechnung. Mit gewissem Erfolg, wenn man die empörten Kommentare auf Ozelots Beiträge richtig liesst.