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Pierre Morel - Frankreich, 2008
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Ich kann ja nachvollziehen, dass man trotz der weitverbreiteten Methode "Originaltitel beibehalten ist cool" Angst hat, zu wenig Deutsche wären so intelligent, mit "Taken" etwas anfangen zu können. Aber es ärgert mich, dass die Verantwortlichen dann wieder nicht genug Eier in der Hose haben, es bei "96 Stunden" zu belassen. Nein, es muss natürlich der deutsche Titel ganz cool mit "Hours" daherkommen, das Wort kennt schließlich auch der größte Depp und ganz bestimmt wird so ein markiger Titel 200% mehr Besucher in die Kinos locken. Diese "Übersetzung" ist derart absurd, dass man bis zur letzten Woche so gut wie nirgends im Netz irgendetwas zu einem Film namens "96 Hours" finden konnte. Die Vorschau zu "Taken" hatte ich schon vor einigen Wochen gesehen, jedoch im O-Ton-Kino, daher auch als O-Ton-Vorschau mit O-Titel - und trotzdem antwortete ich auf die Frage, ob schon jemand "96 Hours" gesehen hätte nach kurzer Recherche mit: "Nie von gehört, Wiki spuckt mir auch nix aus, wenn ich nach dem Titel suche?!"
Aber sei's drum, eigentlich Zeitverschwendung, sich noch über irgendwelche Aktionen der Contentmafia den Kopf zu zerbrechen. In den letzten Tagen erreichten mich immer mehr positive Meinungen zu dem Film und für mich war ohnehin seit dem Trailer klar, dass er angeschaut werden würde und gestern hatte ich endlich Zeit dafür.
Kurz und knackig: Absolut geiler Film! Action ohne Wenn und Aber, kein Anspruch aber trotzdem nicht hirnlos. Er hat eindeutig nicht enttäuscht, diese Kombination ist heute ja leider nicht mehr so häufig zu finden.
Ich möchte vor dem Spoiler-Teil gar nichts zur Story sagen. Wer den Trailer noch nicht kennt: Nicht anschauen, und direkt ins Kino. Es geht doch nichts über ein vollkommen unvoreingenommenes Filmerlebnis.
Liam Neeson bedarf hoffentlich keiner Einführung, und auch diese Rolle verkörpert er makellos. In gewisser Weise kann man zwischen ihm und dem Film eine Parallele ziehen: Althergebracht, klassisch, gut. Nicht spektakulär, nicht revolutionär - ruhig, besonnen und gut. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die übrigen Charaktere alle in seinem Schatten stehen. Das macht aber nichts, ist er doch das zentrale Element des Films.
Gefreut habe ich mich auch sehr über das Wiedersehen mit Maggie Grace, (vermutlich) besser bekannt als "Shannon" aus LOST, die ihre Rolle ordentlich erfüllt hat: eine naive Teenie-Kuh mit relativ wenig Hirnwindungen. Da ich ihre Leistung bei LOST sehr überzeugend fand, würde ich es daher hier auf die Rolle schieben, die a) sehr klein und b) nicht sehr facettenreich ist, dass man von ihrem Talent kaum Notiz nimmt.
Die zweite positive Überraschung im Film kam nach etwa 20 Minuten, als unerwarteterweise das absolut großartige "Tick Tick Boom" von den noch großartigeren "The Hives" prominent im den Film verwendet wurde.
Erstaunt hat mich allerdings die Tatsache, dass der Film schon vor fast einem Jahr (!) in Frankreich in den Kinos war. In englischsprachigen Gefilden (UK, Australien) auch schon im letzten Sommer bis Herbst - die USA bekamen ihn jedoch auch erst diesen Januar, die dortige Kinofassung musste vorher noch entschärft werden.
Schade, dass man auch als O-Ton-Kinogeher meist erst zum Deutschlandstart in den Genuss von Filmen kommt, die andernorts auf Englisch schon seit vielen Monaten laufen. Aber dann wieder wundern, warum die Leute weiterhin fleißig Raubkopieren.
Spoilerbeginn. Die Story ist wirklich übel. Dass solche Zustände nicht allzu fern von der Realität sind, muss nicht diskutiert werden - ob die Opfer nun junge Mädchen vom Flughafen oder aus Osteuropa sind, ändert wenig daran, wie schrecklich das eigentlich ist. Trotzdem war ich froh, dass Bryan nicht irgendwann angefangen hat, den Retter aller Zwangsprostituierten von Paris zu spielen. Es war wichtig und richtig (für den Film!), dass er seinen Fokus zu keinem Zeitpunkt von der kompromisslosen Befreiung seiner Tochter auf irgendwelche moralisch heren Ziele gewechselt hat. Dabei wäre er nämlich absolut chancenlos gewesen und der Film wahrscheinlich ins Lächerliche abgedriftet, da er sowohl an Realismus eingebüßt als auch mächtig an Pathos zugewonnen hätte. Schon lange hab ich nicht mehr so begeistert mit einem kaltblütigen "Erst-Schießen-Dann-Fragen"-Held mitgefiebert, manchmal wollte ich fast "Jawoll, du dreckiger Bastard!" rufen, wenn er wieder einen Schurken seinem gerechten Schicksal zugeführt hat. Gut, ich übertreibe ein wenig, aber eine gewisse Genugtuung während der blutigen Suche nach seiner Tochter lässt sich nicht leugnen.
Sehr angenehm fand ich auch, dass der kurze Twist vor dem Ende auch wirklich kurz war und nicht großartig aufgebauscht wurde. Eine Minute und schon ging die muntere Hatz weiter. Ebenso wie am Ende keine künstliche Theatralik aufgebaut wurde, indem man "den Oberbösewicht" noch große Reden schwingen hätte lassen. Spoilerende.
Fazit: Anschauen, 90 Minuten (sogar die Länge ist klassisch und althergebracht) gut unterhalten werden und mit Liam Neeson mitfiebern wie einst in der guten, alten Zeit mit John McClane.