grad komische laune - vielleicht ist der Text etwas OT geraten …
Was die Agenturen und Typo3 angeht ist das so ein zweischneidiges Schwert. Viele Agenturen bieten Typo3 an - weil die „unwissenden” Kunden mal was davon gehört haben. In einem konstruktiven Gespräch werden Sie dann in der Regel davon überzeugt, dass sie eben nicht ein großes, 10 Jahre altes, kostenloses System für viel Geld an ihre eigenen Bedürfnisse angepasst bekommen brauchen, sondern dass ein schlankes, auf ihre Anforderungen hin entwickeltes Redaktionssystem für durchaus weniger Geld besser passen würde …
Es gibt natürlich auch Halunken, die dem Kunden Typo3 an die Backe argumentieren um für dieses marode Fossil dann Unsummen in Rechnung zu stellen. Nicht zuletzt gehen in den letzen anderhalb Jahren gut die Hälfte der für Typo3 bereitgestellten Budgets dafür drauf, dass die umsetzende Agentur dem Typo3 versucht moderne Webstandards oder sogar Barrierefreiheit beizubringen …
Ich kenne hier in Berlin auch eine Agentur, die besonders dubios Argumentiert: Auf der einen Seite machen Sie Werbung mit den Worten, dass der Firmengründer und zwei Angestellte zusammen ein Typo3-Buch geschrieben haben - auf der Anderen Seite bekommt man auf deren Seite zunächst das Hauseigene (ursprünglich für Projekt XYZ entwickelte) Redaktionssysten „soundsocms” angepriesen und von ihren Typo3-Ambitionen ist nur in einem Untermenü zu lesen.
Ich glaube außerdem folgendes, und das hat gar nichts mit Typo3 als solches zu tun: Die Softwarelandschaft ist im Wandel - ebenso die Kundenansprüche. Sie haben eine (geschäfts) Idee und wollen möglichst schnell an's Netz (bevor jemand anders, der die gleiche Sendung über ein erfolgreiches US-Startup gesehen hat, auf die gleiche bahnbrechende Idee kommt). Da müssen die Entwicklungszyklenen schneller werden, und die Webprojekte müssen schneller erweiterbar sein. Mit herkömmlichen, organisch gewachsenen Redaktionssystemen kommt man da nicht weiter. Zumal ein „web2.0”-Problem im Begriff „Redaktionssystem” selbst zu finden ist. Redaktionssysteme gehen nämlich von einer Flussrichtung aus:
Redakteur > Redaktionssystem > Webseite > Besucher
Der Web2.0-Aspekt der dieser Tage so hochgejubelt wird, ist aber nicht gradlinig und ist schon gar nicht auf nur eine Webseite beschränkt. Da gibt es „soziale Netzwerke” und Software, die das Verhalten oder besser die Aktionen die User auf verschidenen Seiten durchführen in einem Profil bündeln. Es gibt Browserplugins, die jede Webseite die der User länger als ZEIT X besucht automatisch an del.icio.us überträgt …
„Redaktionssysteme” als solche werden in Zukunft also nur noch in diesen „Redaktionsprozess” zu finden sein - agile Webseite und auf eCommerce ausgerichtete Seiten werden gänzlich neue Wege einschlagen. Das wird durch die Typo3-Entwickler sogar selbst vorhergesehen: Typo3 Version5 wird von Grundauf neu geschrieben und bis auf den Namen unter der Haube nichts gemein haben - DENN: die Typo3-Entwickler-Community entwickelt ein neues Framework: Flow3 das wie ZEND, PERA, CAKE PHP funktionen und Funktionsweisen vorgibt, und das Entwickeln von Webseiten besonders elegant und einfach machen soll. Mit Flow3 wird ein Referenzprojekt entwickelt - Typo3 Version5 (Codename: „Phoenix”) - ein Redaktionssystem das alle in Typo3 verfügbaren Funktionen darstellen und ausnutzen wird. Und wer den vollen Umfang nicht braucht, der kann eben mit Flow3 ein schlankes, projektorientiertes Tool schreiben.
Lustige Randerscheinung ist
http://forge.typo3.org/ - dort werden die Entwicklung von Typo3 Version 5 und von Flow3 koordiniert - und das bug-tracking von bugs.typo3.org (derzeit sind über 3700 Fehler in Typo3 Version4 bekannt und haben einen „nicht behoben” status) wird gerade ebenfalls nach forge.typo3.org portiert. Was daran lustig ist: unter forge.typo3.org ist ein Bug-Tracking System namens
redmine installiert. Ein Bug-Tracking system das mit dem Rails-Framework in der Sprache Ruby entwickelt wird. Ruby und Rails ist nämlich genau die Kombination, die gerade massiv PHP das Wasser abgräbt und Flow3 enthält ziemlich viele Rails-Aspekte - nur eben in PHP nachgemacht.
Aber die Entwicklung von PHP nahm ja in den letzten anderhalb Jahren zuweilen bedenkliche Züge an (Core-Entwickler verabschiedeten sich, weil die Firma ZEND eine israelische ist, der beste PHP-Sicherheitsexperte hat das Handtuch geworfen weil kein Entwickler die von ihm angekreideten Probleme wirklich lösen wollte, die Core-Entwickler haben sich in zwei Lager gespalten - die Einen wollen mit PHP6 weiterhin zu PHP5 und 4 weitestgehend kompatibel sein - die Anderen wollen mit PHP6 ganz strikte objektorientiertheit einführen wollen prozeduralem code aus PHP5 oder älter gar nicht mehr parsen), so dass die Suche nach Alternativen auf auf der Ebene der Sprache und des Entwicklungsframeworks für viele (auf nachhaltigige und qualitativ hochwertige programmierung bedachte) Entwickler noch bevorsteht und sich viele im Moment sowieso grad neu orientieren …
Geschwindigkeit spielt beim Umsetzen neuer Projekte eine große Rolle, so dass die Wahl der Sprache und des Entwicklerframeworks maßgeblich die Entwicklungszeit und damit auch einen Teil des Erfolgs bestimmt: OpenBC hat mit der Umbennung in xing auch einen Wandel innerer Qualitäten vollzogen: von 50.000 Zeilen PHP-Code ist man (mit neu implementierten Features) auf 15.000 Zeilen Ruby&Rails-Code runter gebrochen …
Vielleicht ein exkurs noch zu diesem Wandel: in Berlin hat das Projekt-Zukunft (angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen) mit 5 Monaten Unterschied zwei Portale ins Netz gestellt. das im Januar gestartete
Museumsportal Berlin (Typo3) und
Interactive City Berlin (Ruby & Rails).
Diese Entwicklung zeigt zwei vorher schon geschilderte Aspekte: Typo3 ist nicht die erste Wahl für agile Webseiten mit Benutzer-Interaktion - und - die Welt dreht sich weiter und Programmiersprachen kommen und gehen - und so gern ich auch in PHP programmiert hab (als ich mit PHP angefangen hab, hieß es noch PHP/FI (personal homepage processor / form interpreter)) ist es um die Sprache nicht gerade gut bestellt …