Maksi
Gast
Geht es um das Anfertigen längerer wissenschaftlicher Arbeiten und Abhandlungen so wird immer sehr schnell LaTeX empfohlen - auch für Macuser und hier im Apfeltalk. Jedoch ist LaTeX vor allem im naturwissenschaftlich-technischen Bereich verbreitet und mag mit seiner Bedienung die typischen, technisch eher uninteressierten Studenten anderer Studienrichtungen abschrecken (vgl. Bild 1, ein typischer LaTeX-Screenshot). Hier verspricht LyX, eine Mischung aus WYSIWYG und WYSIWYM (die Entwickler selbst sprechen von letzterem) Abhilfe zu schaffen. Ein typischer LyX-Screenshot sieht wie in Bild 2 aus.
LyX ist OpenSource und insofern also »kostenlos« oder besser free as in free speech, not free beer (frei nach Richard Stallman bzw. auch hier). Es benötigt eine bestehende TeX-Installation, zu empfehlen wäre etwa MacTeX.
Ich möchte meine Rezension hier also bewusst an einer Zielgruppe ausrichten, die an TeX normalerweise nicht vorbeikommt, würde mich aber freuen, wenn auch einige technisch versiertere Anwender Vor- und Nachteile in diesem Thread zur Diskussion stellen würden. Die Rezension bezieht sich außerdem auf die vor wenigen Tagen neu erschienene und zum Vorgänger deutlich verbesserte Version 1.5.x, bei wesentlichen Updates werde ich dann noch jeweils ein Post anhängen. Was ich hier ebenso nicht leisten möchte noch kann, ist eine Diskussion der Vor- und Nachteile von LaTeX generell, all diese gelten aber in nahezu gleicher Weise auch für LyX.
Das Gute...
Verstecken des Codes
Der erste Vorteil von LyX ist auf den ersten Blick erkennbar und ganz offensichtlich. In LyX gibt es keine Tags zu sehen. Tags sind so ähnlich wie Forenformatierungen und HTML, in LaTeX sehen sie dann etwas anders und vereinfacht aus. In Bild 1 könnt Ihr die Tags eingefärbt sehen, in Bild 2 hingegen, dass es sie gar nicht gibt. Statt dessen zeigt LyX einem eine Pseudoformatierung an, nicht so, wie sie später tatsächlich aussehen wird (wenn man z.B. eine Stilvorgaben erstellt), aber nahe dran. Für Anwender, die sich wirklich auf ihren Inhalt und nicht auf die Befehle konzentrieren möchten ist das von Vorteil. Die jeweiligen benötigten Formatierungen werden aus einem Kontextmenü oben links ausgewählt - ähnlich wie in Word & Co.
Besonders praktisch ist dieses Verstecken bei Rand- und Fussnoten, Anmerkungen und dergleichen mehr, da sie in kleine Boxen geschrieben werden, die man bequem ein- und ausklappen kann. Ausgeklappt ist alles zu sehen (wie in normalem LaTeX auch), eingeklappt nur mehr ein Platzhalter mit kurzem Hinweis auf den Inhalt der Box (z.B. Eco 2003) - anders als in einem normalen LaTeX-Editor.
Auch das Einfügen von Literaturhinweisen ist in LyX eine Sache von nur wenigen Klicks: schön so!
Die Einstellungen
Einen Großteil der nötigen Einstellungen, die man sonst in einer Präambel schreiben würde (vgl. wieder Bild 1, oberer Abschnitt, ein Teil der Präambel) kann man in LyX in einem Extramenü einstellen, d.h. Dokumentklasse, Absatzeigenschaften, Schriftarten und -größen, Seitenränder, Bibliographie, Nummerierungen und Aufzählungen und dergleichen mehr bis hin zu speziellen Zusatzpaketen und -optionen, die ich manuell in der Präambel eingeben kann (vgl. Bild 3). Das erleichtert die Arbeit ungemein.
Die Navigation
Arbeitet man an einem großen Dokument, so muss man oft viel hin- und herscrollen. Da dies nicht selten etwas mühsam ist, wird oft empfohlen, ein Dokument bis zuletzt in mehrere einzelne Dokumente aufzuteilen und erst am Ende zusammenzufügen. Vielleicht mag so mancher LaTeX-Editor Lesezeichen setzen lassen um leichter im Dokument zu navigieren, jedoch wird selbst in vielen LaTeX-Foren häufig die Aufteilung eines großen Dokuments in mehrere kleine empfohlen. Im Gegensatz zu Word hat LaTeX ja auch keine Probleme, die Dokumente später zusammenzufügen. LyX hingegen macht automatisch aus allen von mir gesetzten Überschriften ein Navigationsmenü (vgl. Bild 4) und erleichtert das Herumscrollen in einem großen Dokument. Ich persönlich arbeite gerne in einem einzigen Dokument statt in vielen kleinen und finde diese Möglichkeit sehr praktisch.
LaTeX einfügen und Export nach LaTeX
LyX kann fast alles, was LaTeX kann und nichts, was LaTeX nicht kann, da es auf LaTeX aufbaut. Das heißt auch, dass es Befehle und Möglichkeiten geben kann, die LaTeX zwar kann, die in LyX aber nicht als Menübefehl oder Mausklick umzusetzen sind. Für diese Möglichkeit kann man eine kleine Box einfügen, genannt ERT. Diese Box enthält pures LaTeX und man kann dann jeden Befehl direkt hineinschreiben. Im Arbeitsfenster von LyX wiederum lässt sich diese Box ein- und ausklappenklappen, also mit sichtbarem Inhalt oder nur als Platzhalter (wobei auf der Schaltfläche die ersten Buchstaben des Befehls erkennbar bleiben).
Eine andere Möglichkeit ist es, LyX für die groben Arbeiten im Text zu benutzen und später die Datei als LaTeX-Datei zu exportieren und die Details händisch in einem LaTeX-Editor nachzutragen, wenn man sich dabei irgendwie besser fühlt. Eine aus LyX exportierte LaTeX-Datei sieht übrigens fast identisch mit einer händisch erstellten Datei aus, wer also an Code á la frühe Frontpage, Dreamweaver oder GoLive denkt, liegt hier völlig falsch. Es ist kein Buchstabe zu viel.
Die Einführung und das Tutorium
LyX enthält bereits eine gute und nette Dokumentation, die als LyX-Dokumente in LyX selbst (z.B. in einem eigenen Tab) aufrufbar sind. Diese sind vor allem für Anfänger leicht und verständlich geschrieben und laden zum Herumprobieren ein. Außerdem enthalten sie einige sinnvolle Übungsaufgaben. Diese Anleitungen werden allen Anfängern ans Herz gelegt und bestechen durch ihre auch für Nichttechniker verständliche Sprache. Und im Prinzip ist nicht mehr als eine längstens zweistündige Einarbeitung in LyX mit diesen Einführungen nötig, um sofort mit der Dissertation loszulegen. Bedenkt man, wie viele Jahre man sich in der Regel schon mit Word herumgeplagt und gelernt hat, ist das geradezu sensationell, dass man nach so kurzer Zeit so druckreife Ergebnisse erzeugen kann.
Die Fehlermeldungen
Wenn man in LyX nun ein Dokument als .pdf anschauen will (ein Klick auf .pdf genügt, läuft über pdflatex und braucht keine unnötigen mehreren Durchgänge, sondern macht das automatisch inkl. Literatur etc.) und es befinden sich Fehler darin, so bricht LyX ab und bringt eine kryptische Fehlermeldung. Ja, es ist dann möglich, auf die Meldung zu doppelklicken und ähnlich wie in TeXShop führt einen LyX an die Stelle, aber die Fehlersuche wird dadurch nicht erleichtert. Oft sehe ich mich dann genötigt, das ganze als LaTeX-Datei in TeXShop anzuschauen und den Fehler zu suchen. Dafür musste ich mir letztlich dann doch ausreichende LaTeX-Kenntnisse aneignen. Das hier ist also eine der ganz großen Nachteile von LyX. Zwar macht LyX von sich aus keine Fehler, ist aber auch nicht so bevormundend, dass es den Anwender bei jeder Aktion, die Fehler erzeugen könnte, davor warnt.
Die Stabilität
Nicht dass LyX unstabil wäre, ganz im Gegenteil. Auch von der Geschwindigkeit her ist es gegenüber jedem Word & Co.-Programm zu empfehlen (Pages eingeschlossen). Aber ein reiner Texteditor, wie es die meisten LaTeX-Editoren sind, ist eben doch noch mal ein Stück schneller und stabiler. Und ja, LyX kann auch schon mal abstürzen. Die 1.5-Betas sind bei mir immer wieder abgestürzt, automatische Sicherung gibt es auch keine. Mit der 1.5.0 sieht es momentan ziemlich stabil aus, aber ein klein wenig anfällig ist es immer noch, in einem Dokument etwa stürzt es noch regelmäßig bei der pdf-Vorschau ab. Ich denke, dass hier die folgenden Versionen Abhilfe schaffen werden, LyX 1.4.3 und 1.4.4 z.B. liefen bei mir absolut bombensicher und noch ein Stückchen schneller (auf einem iBook G4 mit 1,33GHz PPC).
Die Anpassung an eigene Wünsche und Bedürfnisse
Dieser Punkt ist schwierig zu diskutieren. LyX bietet einem die Möglichkeit, innerhalb der vorgegebenen Einstellungen und Vorlagen schnell und effizient zu arbeiten, ohne sich etwa in LaTeX einarbeiten zu müssen. Möchte man diese Vorlagen und Einstellungen nun anpassen, so braucht man zunächst einmal ausreichend Kenntnisse in Typographie, um nicht die an sich sehr guten Voreinstellungen zu verpfuschen und schließlich gute Kenntnisse in LaTeX. Und selbst wenn man beides mitbringt ist es immer noch einfacher, eigene Wünsche in eine LaTeX-Editor zu verwirklichen oder zumindest auszuprobieren. Hier bieten sich nur unzureichende Möglichkeiten in Verbindung mit LyX: man kann entweder das Dokument fertig schreiben, als LaTeX-Datei exportieren und händisch nachbearbeiten oder die eigenen Wünsche bestmöglichst in die LaTeX-Präambel im Dokumenteneinstellungsdialog von LyX einarbeiten.
Die Fehlerhaftigkeit
Viele Möglichkeiten von LaTeX sind bislang nur schlecht oder mangelhaft integriert. Dies hat mehrere Gründe, z.B. dass LaTeX in der aktuellen Version schon viele Jahre auf dem Buckel hat und im Laufe der Zeit durch zusätzliche Pakete erweitert wurde. Diese Zahl der Pakete ist aber sehr groß und ihre Qualität und Benutzung so heterogen, dass es kaum möglich ist, in LyX für jedes Paket eigene Menübefehle zu erstellen. In LaTeX kann man erst seit utf8x Umlaute und weitere Sonderzeichen in einem Text frei von der Leber weg ohne komplizierte Befehle schreiben. Vielleicht wird also mit LaTeX 3.x hier eine Änderung möglich, bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.
Ich etwa nutze gerne die Dokumentklasse Memoir, welche eine Erweiterung der Standardklassen ist und gleichzeitig für meinen Geschmack nicht so abgelutscht aussieht wie Komascript. Viele Menübefehle für Memoir sind aber nicht integriert sondern erzeugen sogar Fehlermeldungen, so muss ich denn z.B. einen 1,5-Zeilenabstand manuell mit einem anders lautenden Befehl in der Präambel einstellen als im Absatzmenü der Dokumenteinstellungen.
Weiters soll LyX keine so tolle Unterstützung für Formeln und ähnliches haben, da ich aber noch nie eine Formel geschweige denn etwas ähnliches gesetzt habe und wohl nie in meinem Leben brauchen werde, kann ich das an dieser Stelle absolut nicht einschätzen und möchte die Beurteilung anderen Anwendern überlassen.
Der mangelhafte Support
Leider gibt es praktisch keine Foren für LyX. Auch in vielen LaTeX-Foren wird man bei der Erwähnung von LyX eher angefeindet oder ausgelacht, mit sinngemäßen Antworten, man möge sich doch mit »richtigem LaTeX« beschäftigen. Dies wirkt für technisch eher uninteressierte Anwender leider sehr abschreckend, zumal auch viele Tipps & Tricks aus LaTeX-Foren einem solchen Anwenderkreis absolut unverständlich sind, allein von der Sprache her. Was LyX betrifft, so gibt es bislang eine englische, recht aktive Mailingliste und das LyX-Wiki auf der LyX-Website und leider nicht viel mehr. Von Büchern oder E-Books ganz zu schweigen. Das ist doch ein großer Nachteil, denn auch die recht guten (und u.a. deutschen) LyX-Hilfen beantworten einem nicht immer alle Fragen.
LyX eröffnet einem auf einfachem Wege ungeahnte Möglichkeiten in die Welt von TeX und LaTeX. Dabei ist LyX mehr als nur ein Einstieg. Mögen vielleicht technisch versiertere Anwender schnell weiterschreiten und mit purem LaTeX arbeiten wollen, ausgebildete Typographen evtl. schnell weiterschreiten und mit purem TeX arbeiten wollen, so kann doch ein für LaTeX bislang ungewöhnlicher und neuer Anwenderkreis (zu welchem auch ich mich zähle) mit LyX sehr gute Arbeit und Ergebnisse erzielen und mit ein wenig Einarbeitung in Typographie und LaTeX noch weitaus mehr auch in LyX erwirken. Was mir daran unter anderem gefällt ist die konsequenter als in LaTeX durchgesetzte klick & hübsch-Philosophie, welche mir auch am Mac generell Freude bereitet.
Links zur Rezension
LyX ist OpenSource und insofern also »kostenlos« oder besser free as in free speech, not free beer (frei nach Richard Stallman bzw. auch hier). Es benötigt eine bestehende TeX-Installation, zu empfehlen wäre etwa MacTeX.
LaTeX für die anderen
LyX für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler
LyX für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler
Ich möchte meine Rezension hier also bewusst an einer Zielgruppe ausrichten, die an TeX normalerweise nicht vorbeikommt, würde mich aber freuen, wenn auch einige technisch versiertere Anwender Vor- und Nachteile in diesem Thread zur Diskussion stellen würden. Die Rezension bezieht sich außerdem auf die vor wenigen Tagen neu erschienene und zum Vorgänger deutlich verbesserte Version 1.5.x, bei wesentlichen Updates werde ich dann noch jeweils ein Post anhängen. Was ich hier ebenso nicht leisten möchte noch kann, ist eine Diskussion der Vor- und Nachteile von LaTeX generell, all diese gelten aber in nahezu gleicher Weise auch für LyX.
Das Gute...
Verstecken des Codes
Der erste Vorteil von LyX ist auf den ersten Blick erkennbar und ganz offensichtlich. In LyX gibt es keine Tags zu sehen. Tags sind so ähnlich wie Forenformatierungen und HTML, in LaTeX sehen sie dann etwas anders und vereinfacht aus. In Bild 1 könnt Ihr die Tags eingefärbt sehen, in Bild 2 hingegen, dass es sie gar nicht gibt. Statt dessen zeigt LyX einem eine Pseudoformatierung an, nicht so, wie sie später tatsächlich aussehen wird (wenn man z.B. eine Stilvorgaben erstellt), aber nahe dran. Für Anwender, die sich wirklich auf ihren Inhalt und nicht auf die Befehle konzentrieren möchten ist das von Vorteil. Die jeweiligen benötigten Formatierungen werden aus einem Kontextmenü oben links ausgewählt - ähnlich wie in Word & Co.
Besonders praktisch ist dieses Verstecken bei Rand- und Fussnoten, Anmerkungen und dergleichen mehr, da sie in kleine Boxen geschrieben werden, die man bequem ein- und ausklappen kann. Ausgeklappt ist alles zu sehen (wie in normalem LaTeX auch), eingeklappt nur mehr ein Platzhalter mit kurzem Hinweis auf den Inhalt der Box (z.B. Eco 2003) - anders als in einem normalen LaTeX-Editor.
Auch das Einfügen von Literaturhinweisen ist in LyX eine Sache von nur wenigen Klicks: schön so!
Die Einstellungen
Einen Großteil der nötigen Einstellungen, die man sonst in einer Präambel schreiben würde (vgl. wieder Bild 1, oberer Abschnitt, ein Teil der Präambel) kann man in LyX in einem Extramenü einstellen, d.h. Dokumentklasse, Absatzeigenschaften, Schriftarten und -größen, Seitenränder, Bibliographie, Nummerierungen und Aufzählungen und dergleichen mehr bis hin zu speziellen Zusatzpaketen und -optionen, die ich manuell in der Präambel eingeben kann (vgl. Bild 3). Das erleichtert die Arbeit ungemein.
Die Navigation
Arbeitet man an einem großen Dokument, so muss man oft viel hin- und herscrollen. Da dies nicht selten etwas mühsam ist, wird oft empfohlen, ein Dokument bis zuletzt in mehrere einzelne Dokumente aufzuteilen und erst am Ende zusammenzufügen. Vielleicht mag so mancher LaTeX-Editor Lesezeichen setzen lassen um leichter im Dokument zu navigieren, jedoch wird selbst in vielen LaTeX-Foren häufig die Aufteilung eines großen Dokuments in mehrere kleine empfohlen. Im Gegensatz zu Word hat LaTeX ja auch keine Probleme, die Dokumente später zusammenzufügen. LyX hingegen macht automatisch aus allen von mir gesetzten Überschriften ein Navigationsmenü (vgl. Bild 4) und erleichtert das Herumscrollen in einem großen Dokument. Ich persönlich arbeite gerne in einem einzigen Dokument statt in vielen kleinen und finde diese Möglichkeit sehr praktisch.
LaTeX einfügen und Export nach LaTeX
LyX kann fast alles, was LaTeX kann und nichts, was LaTeX nicht kann, da es auf LaTeX aufbaut. Das heißt auch, dass es Befehle und Möglichkeiten geben kann, die LaTeX zwar kann, die in LyX aber nicht als Menübefehl oder Mausklick umzusetzen sind. Für diese Möglichkeit kann man eine kleine Box einfügen, genannt ERT. Diese Box enthält pures LaTeX und man kann dann jeden Befehl direkt hineinschreiben. Im Arbeitsfenster von LyX wiederum lässt sich diese Box ein- und ausklappenklappen, also mit sichtbarem Inhalt oder nur als Platzhalter (wobei auf der Schaltfläche die ersten Buchstaben des Befehls erkennbar bleiben).
Eine andere Möglichkeit ist es, LyX für die groben Arbeiten im Text zu benutzen und später die Datei als LaTeX-Datei zu exportieren und die Details händisch in einem LaTeX-Editor nachzutragen, wenn man sich dabei irgendwie besser fühlt. Eine aus LyX exportierte LaTeX-Datei sieht übrigens fast identisch mit einer händisch erstellten Datei aus, wer also an Code á la frühe Frontpage, Dreamweaver oder GoLive denkt, liegt hier völlig falsch. Es ist kein Buchstabe zu viel.
Die Einführung und das Tutorium
LyX enthält bereits eine gute und nette Dokumentation, die als LyX-Dokumente in LyX selbst (z.B. in einem eigenen Tab) aufrufbar sind. Diese sind vor allem für Anfänger leicht und verständlich geschrieben und laden zum Herumprobieren ein. Außerdem enthalten sie einige sinnvolle Übungsaufgaben. Diese Anleitungen werden allen Anfängern ans Herz gelegt und bestechen durch ihre auch für Nichttechniker verständliche Sprache. Und im Prinzip ist nicht mehr als eine längstens zweistündige Einarbeitung in LyX mit diesen Einführungen nötig, um sofort mit der Dissertation loszulegen. Bedenkt man, wie viele Jahre man sich in der Regel schon mit Word herumgeplagt und gelernt hat, ist das geradezu sensationell, dass man nach so kurzer Zeit so druckreife Ergebnisse erzeugen kann.
...und das Schlechte
Die Fehlermeldungen
Wenn man in LyX nun ein Dokument als .pdf anschauen will (ein Klick auf .pdf genügt, läuft über pdflatex und braucht keine unnötigen mehreren Durchgänge, sondern macht das automatisch inkl. Literatur etc.) und es befinden sich Fehler darin, so bricht LyX ab und bringt eine kryptische Fehlermeldung. Ja, es ist dann möglich, auf die Meldung zu doppelklicken und ähnlich wie in TeXShop führt einen LyX an die Stelle, aber die Fehlersuche wird dadurch nicht erleichtert. Oft sehe ich mich dann genötigt, das ganze als LaTeX-Datei in TeXShop anzuschauen und den Fehler zu suchen. Dafür musste ich mir letztlich dann doch ausreichende LaTeX-Kenntnisse aneignen. Das hier ist also eine der ganz großen Nachteile von LyX. Zwar macht LyX von sich aus keine Fehler, ist aber auch nicht so bevormundend, dass es den Anwender bei jeder Aktion, die Fehler erzeugen könnte, davor warnt.
Die Stabilität
Nicht dass LyX unstabil wäre, ganz im Gegenteil. Auch von der Geschwindigkeit her ist es gegenüber jedem Word & Co.-Programm zu empfehlen (Pages eingeschlossen). Aber ein reiner Texteditor, wie es die meisten LaTeX-Editoren sind, ist eben doch noch mal ein Stück schneller und stabiler. Und ja, LyX kann auch schon mal abstürzen. Die 1.5-Betas sind bei mir immer wieder abgestürzt, automatische Sicherung gibt es auch keine. Mit der 1.5.0 sieht es momentan ziemlich stabil aus, aber ein klein wenig anfällig ist es immer noch, in einem Dokument etwa stürzt es noch regelmäßig bei der pdf-Vorschau ab. Ich denke, dass hier die folgenden Versionen Abhilfe schaffen werden, LyX 1.4.3 und 1.4.4 z.B. liefen bei mir absolut bombensicher und noch ein Stückchen schneller (auf einem iBook G4 mit 1,33GHz PPC).
Die Anpassung an eigene Wünsche und Bedürfnisse
Dieser Punkt ist schwierig zu diskutieren. LyX bietet einem die Möglichkeit, innerhalb der vorgegebenen Einstellungen und Vorlagen schnell und effizient zu arbeiten, ohne sich etwa in LaTeX einarbeiten zu müssen. Möchte man diese Vorlagen und Einstellungen nun anpassen, so braucht man zunächst einmal ausreichend Kenntnisse in Typographie, um nicht die an sich sehr guten Voreinstellungen zu verpfuschen und schließlich gute Kenntnisse in LaTeX. Und selbst wenn man beides mitbringt ist es immer noch einfacher, eigene Wünsche in eine LaTeX-Editor zu verwirklichen oder zumindest auszuprobieren. Hier bieten sich nur unzureichende Möglichkeiten in Verbindung mit LyX: man kann entweder das Dokument fertig schreiben, als LaTeX-Datei exportieren und händisch nachbearbeiten oder die eigenen Wünsche bestmöglichst in die LaTeX-Präambel im Dokumenteneinstellungsdialog von LyX einarbeiten.
Die Fehlerhaftigkeit
Viele Möglichkeiten von LaTeX sind bislang nur schlecht oder mangelhaft integriert. Dies hat mehrere Gründe, z.B. dass LaTeX in der aktuellen Version schon viele Jahre auf dem Buckel hat und im Laufe der Zeit durch zusätzliche Pakete erweitert wurde. Diese Zahl der Pakete ist aber sehr groß und ihre Qualität und Benutzung so heterogen, dass es kaum möglich ist, in LyX für jedes Paket eigene Menübefehle zu erstellen. In LaTeX kann man erst seit utf8x Umlaute und weitere Sonderzeichen in einem Text frei von der Leber weg ohne komplizierte Befehle schreiben. Vielleicht wird also mit LaTeX 3.x hier eine Änderung möglich, bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.
Ich etwa nutze gerne die Dokumentklasse Memoir, welche eine Erweiterung der Standardklassen ist und gleichzeitig für meinen Geschmack nicht so abgelutscht aussieht wie Komascript. Viele Menübefehle für Memoir sind aber nicht integriert sondern erzeugen sogar Fehlermeldungen, so muss ich denn z.B. einen 1,5-Zeilenabstand manuell mit einem anders lautenden Befehl in der Präambel einstellen als im Absatzmenü der Dokumenteinstellungen.
Weiters soll LyX keine so tolle Unterstützung für Formeln und ähnliches haben, da ich aber noch nie eine Formel geschweige denn etwas ähnliches gesetzt habe und wohl nie in meinem Leben brauchen werde, kann ich das an dieser Stelle absolut nicht einschätzen und möchte die Beurteilung anderen Anwendern überlassen.
Der mangelhafte Support
Leider gibt es praktisch keine Foren für LyX. Auch in vielen LaTeX-Foren wird man bei der Erwähnung von LyX eher angefeindet oder ausgelacht, mit sinngemäßen Antworten, man möge sich doch mit »richtigem LaTeX« beschäftigen. Dies wirkt für technisch eher uninteressierte Anwender leider sehr abschreckend, zumal auch viele Tipps & Tricks aus LaTeX-Foren einem solchen Anwenderkreis absolut unverständlich sind, allein von der Sprache her. Was LyX betrifft, so gibt es bislang eine englische, recht aktive Mailingliste und das LyX-Wiki auf der LyX-Website und leider nicht viel mehr. Von Büchern oder E-Books ganz zu schweigen. Das ist doch ein großer Nachteil, denn auch die recht guten (und u.a. deutschen) LyX-Hilfen beantworten einem nicht immer alle Fragen.
Warum also LyX?
LyX eröffnet einem auf einfachem Wege ungeahnte Möglichkeiten in die Welt von TeX und LaTeX. Dabei ist LyX mehr als nur ein Einstieg. Mögen vielleicht technisch versiertere Anwender schnell weiterschreiten und mit purem LaTeX arbeiten wollen, ausgebildete Typographen evtl. schnell weiterschreiten und mit purem TeX arbeiten wollen, so kann doch ein für LaTeX bislang ungewöhnlicher und neuer Anwenderkreis (zu welchem auch ich mich zähle) mit LyX sehr gute Arbeit und Ergebnisse erzielen und mit ein wenig Einarbeitung in Typographie und LaTeX noch weitaus mehr auch in LyX erwirken. Was mir daran unter anderem gefällt ist die konsequenter als in LaTeX durchgesetzte klick & hübsch-Philosophie, welche mir auch am Mac generell Freude bereitet.
Links zur Rezension
- Kurze Beschreibung des LyX-Updates auf Version 1.5.2 (Post weiter unten)
- Update auf Version 1.5.3 (Post weiter unten)
- Kurze Beschreibung des LyX-Updates auf Version 1.5.4 (Post weiter unten)
- LyX-Website mit LyX-Wiki und der LyX-Mailingliste
- Wikipedia-Artikel zu TeX, LaTeX und LyX
- Die TeX-Kategorie im Apfelwiki
- GNU TeXmacs, das einen ähnlichen Ansatz wie LyX verfolgt
- Da ich es erwähnt habe, auch ein Link auf TeXShop als einen möglichen LaTeX-Editor unter OS X
- Eine deutschsprachige LaTeX-Gruppe, welche sich speziell an Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler, also eher LaTeX-ferne Studenten richtet und sowohl als Mailingliste als auch als Forum bedienbar ist
- Ein etwas veraltetes aber gut geschriebenes LyX-Tutorium der Fachschaft Psychologie an der Universität Marburg
- Leider werden selten die Nachteile von LaTeX diskutiert, u.a. deswegen, weil viele froh sind, sich dank LaTeX nicht mit Typographie beschäftigen zu müssen. Eine aufschlussreiche Diskussion habe ich mal hier gelesen
- LyX-Library eines auch auf der Mailingliste fleißigen LyX-Anwenders
- Kurzanleitungen, um BibTeX noch leichter in LyX zu nutzen als es ohnehin schon ist (z.B. BibDesk und JabRef)
- Beispiele für kommerzielle, auf LaTeX aufsetzende (so weit ich weiß) und ein ähnliches Konzept wie LyX verfolgende Programme: Publicon und Scientific WorkPlace
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