• Apfeltalk ändert einen Teil seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), das Löschen von Useraccounts betreffend.
    Näheres könnt Ihr hier nachlesen: AGB-Änderung
  • Wir haben den Frühjahrsputz beendet, Ihr auch? Welches Foto zu dem Thema hat Euch dann am Besten gefallen? Hier geht es lang zur Abstimmung --> Klick

Autismus-Spektrum - Neuro-Diversität

SomeUser

Ingol
Registriert
09.02.11
Beiträge
2.084
Moin!

Um den "Ich habe was neues"-Thread nicht zuzuspammen, mal ein Spin-Off dazu - und ich packe das ganze mal nicht in den normalen "Diskussionsthread", da es hier um ein eigenständiges Thema geht, was vielleicht allgemein zur Diskussion rund um solche Themen einlädt.

Nun aber mal zum Thema:

Kurzfassung: Wie ich gestern, nach so einigen, einigen, einigen, Gesprächen bestätigt bekommen habe, liege ich im sog. "Autismus-Spektrum" oder auch "Autismus-Spektrum-Störung" (ASS) oder mittlerweile auch in letzter Zeit "Neuro-Diversität".

Den meisten sind dann unter dem Begriff des Autismus wohl am ehesten die krassen Fälle bekann: Rainman oder Inselbegabte, die kaum selbst lebensfähig sind, aber irgendwelche Begabungen besitzen, wie ganze Skylines detailgetreu aus dem Gedächtnis nachzeichnen zu können oder komplexe Matheaufgaben "einfach so" lösen zu können. Teilweise häufig sogar falsch dem Autismus zugeordnet. Alles aber natürlich nur Extrembeispiele.

Hier ist der Begriff des Spektrums sehr hilfreich: Es ist also ein weites Feld. Es gibt viele Symtome, also z.B. Verhaltensweisen, die auf ASS hinweisen, aber auch einfach "normal" sein können. Klassisches Beispiel: Viele Autisten haben Probleme mit Smalltalk. Es gibt aber auch welche, bei denen das nur sehr schwach auftritt, umgekehrt viele "normale" Leute, die damit ebenso Probleme haben. Es gibt also einen bunten Strauss an an Symptomen. Da kann ich empfehlen, einfach mal ein wenig quer zu lesen, wenn es interessiert.

Wie kam es also nun bei mir dazu?
Ich habe in den letzten Jahren, basierend auf Gesprächen, Feedback zu bestimmten Situationen, Selbstreflektion etc. pp. gespiegelt bekommen, dass es viele Situationen gibt, in denen ich, sagen wir, "sozialuntypisch" handle:
  • ja, auch ich hasse Smalltalk. Ich habe überhaupt kein Gespür diese Momente, ich halte sie für beklemmend, unangenehm und unnütz.
  • ich vermeide, wenn möglich Augenkontakt, wenn es geht
  • ich habe extrem große Schwierigkeiten nonverbale Kommunikation wahrzunehmen oder richtig zu deuten
  • ich kann im professionellen Umfeld extrem sicher agieren - weil ich einen "Plan", einen "Rahmen" quasi ein Korsett habe - ich weiß, was zu tun ist. Im privaten habe ich das nicht: Eine Unterhaltung ist zumeist nicht zielgerichtet. Sie folgt "Regeln" die ich nicht greifen kann.
  • ich lege in vielen Bereichen wiederholte Handlungen etc. vor: Ich habe bestimmte Routinen, die ich versuche einzuhalten (keine Zwangshandlungen), aber es "stört" mich, wenn diese gebrochen werden.
  • Ich habe "Inselinteressen". Ich brenne also für bestimmte Themen. Dort kann ich mich dann quasi vollständig mit auseinandersetzen und Zeit investieren.
Die größten Punkte sind für mich aber halt vor allem:
  • nur wenig Gespür für die Gefühle oder Vorstellungen anderer
  • ich kann mich nur schwer bis gar nicht in andere Personen hineinversetzen, soweit es um eine emotionale Ebene geht
  • ich ritualisiere bestimmte Verhalten, damit es ein gleichbleibender Prozess ist
  • ich rationalisiere extrem stark - auf dieser Ebene kann ich sehr leicht die Dinge "auseinandernehmen" - mit Gefühlen funktioniert dies nicht.
  • ich kann nicht auf konkrete Ursachen bezogene Änderungen nicht nachollziehen (ich kann z.B. heute den Raum verlassen und nach 10 Jahren treffe ich die Person wieder, mit der ich mich davon unterhalten habe. Für mich gibt es keinen Grund, warum sich etwas in dem Verhältnis getan haben sollte, obwohl wir uns 10 Jahre nicht gesehen haben: Für eine Veränderung gab es keinen Anlass).
Das sind nur Beispiele. Und vieles wurde im Laufe der Jahre und Jahrzehnte kompensiert, weil man sich Verhaltensweisen von anderen abschaut und allgemein "Strategien" findet. So ist es im beruflichen Umfeld für mich vollkommen klar, dass ich den Leuten in die Augen schaue - weil ich weiss, dass das "erwartet" wird, aber es für mich nicht angenehm, sondern eher ein Kampf.

Aus vielen, vielen kleineren und größeren Themen heraus kam daher der Verdacht auf, dass dort "irgendwas" sein könnte. Das wurde flankiert dadurch, dass ich in recht kurzer Zeit von mehreren Personen mit med. Hintergrund bzw. mit persönlichen Erfahrungen mit Menschen "im Spektrum" angesprochen wurde, ob es sein könnte bzw. seit wann ich im Spektrum sei.

Und damit war für mich klar - ganz ergebnisorientiert: Lass das prüfen. Wenn es das (oder was anderes) ist, ist das vollkommen in Ordnung. Aber gibt mir die Möglichkeit, ggf. damit umzugehen. Denn es gibt viele Bereiche, wo ich wenigstens das Gefühl habe, dass ich mir selbst im Weg stehe, das Leben schwer mache oder vielleicht sogar drunter leide - und umgekehrt natürlich auch, dass ich anderen Leuten damit ggf. Dinge antue, die so nicht gewollt sind.

Der Rest ist dann mittlerweile Historie: Es folgten Termine, Gespräche, Auseinandersetzungen, ... und letztlich die Einordnung. Und das ist für mich vollkommen fein und tatsächlich gut.

Die nächsten Schritte sind dann eine dauerhafte verhaltenspsychologische Therapie. Zielsetzung ist hier letztlich, die Verbesserung der sozialen Kompetenzen, Förderung von Empathie, Verständnis von Gesten, etc. pp.

Tjoar, das mal als Abriss dazu. Ich lasse es einfach mal so stehen - und wenn es Fragen gibt, einfach raus damit. Es sind für mich eher 1.000 Kleinigkeiten und daher nicht einfach möglich, einfach nur mal schnell ein paar "große" Beispiele zu benennen.


Und nun noch zu den ursprünglich schon im anderen Thread gestellten Rückfragen:
Was hat das denn für Auswirkungen für dich, wenn ich fragen darf?
Grundlegend erst mal sehr positive:
Zunächst mal ist es für mich so, dass es mich entlastet. Ich habe nicht mehr das diffuse Gefühl, dass da "etwas anders" ist (Oder doch nicht? Oder habe ich den falschen Eindruck? Oder oder oder... all die Fragen die man sich so stellt, wenn man identifiziert, dass da was sein "könnte"), sondern es ist nun konkret. Der Umstand das benennen zu können, ein "Ettikett" drauf kleben zu können, hat für mich den großen Vorteil, dass ich weiß, dass es dafür dann auch irgendeind "Instrumentarium" gibt, um damit umzugehen/zu arbeiten/...
In der Folge wird das bedeuten: Verhaltenspsychologische Therapie. Wobei es nicht darum geht, das zu erlernen, was "anders" ist, sondern eher Methoden zu entwickeln, mit bestimmten Dingen umzugehen. Vielleicht mal etwas konkreter: Ein großer Teil für mich ist, dass ich viele Dinge nicht auf emotionaler Ebene nachvollziehen/greifen kann. So habe ich mal einer einer Ex-Freundin, deren Vater gestorben ist und wo es wenige Tage später die Beerdigung geben sollte als Antwort die Info zum Tod ihres Vaters geantwortet: "Ich habe nächste Woche einen Termin Bayern. Bin nicht da."
Das klingt hart und war es auch für sie. Der Punkt ist aber, dass ich zu dieser Veränderung keinen emotionalen Bezug habe. Die gesamte zwischenmenschliche Ebene der Reaktion etc. darauf, bekomme ich nicht gegriffen. Das hat sich später noch geklärt, ich habe viel über solche Themen gesprochen und kann heute die *Mechanik* nachvollziehen. Das ist aber eher wie ein "Ablaufplan": Wenn das und das passiert, wird das evtl. bestimmte Reaktionen auslösen - ob das aber wirklich der Fall ist, ist für mich kaum greifbar.
Letztlich ist ein Teil einer solchen Therapie genau dieses "Erkennen" und die Möglichkeiten darauf zu reagieren - aber die empathische Ebene kann natürlich nicht erlernt werden.


Ist es nicht so das Autismus von Anfang an da ist?
Dann dürfte sich ja eigentlich für einen nichts ändern bis auf das man es jetzt weiß?

Würde mich aber auch interessieren.

Mein Stand dazu ist, dass das zumindest vermutet wird und genetische Ursachen zumindest stark vermutet werden. Sicher belegt ist das aber wohl nicht.

Die Frage ob sich was ändert ist hingegen schwierig. Natürlich ist heute im Kern nichts anders, als gestern oder letzte Woche. Ein Unterschied wird sich für die Zukunft ergeben: vgl. Absatz oben - die Möglichkeit ein Instrumentarium zu erlernen, um mir den Umgang mit bestimmten Situationen zu erleichtern, aber auch um anderen Leuten ggf. den Umgang mit mir zu vereinfachen. Auf allen möglichen Ebenen, verschiedenen Lebenssituationen etc. pp.
Aber es ist schon richtig: Du wirst damit groß und erwachsen und nimmst die Welt einfach so wahr, wie du sie siehst. Und erst später stellst du fest, dass ein Großteil der Menschen ganz viele Dinge ganz anders wahrnehmen, verarbeiten etc. Das lässt sich viele Dinge noch mal überdenken, durchdenken, hintefragen, ...


Evtl. ist es gut, es zu wissen, wenn man etwas bemerkt und nicht weiß, was das ist / woher das kommt?
Das ist wenig das, was für mich auch ursächlich war. Man bemerkt selbst oder bekommt Feedback zu etwas und fragt sich tatsächlich wo das herkommt. Und was das ggf. bedeutet, ob das "gut" oder "schlecht" ist etc. pp.
 

doc_holleday

Roter Herbstkalvill
Registriert
14.01.12
Beiträge
13.286
Danke für diesen tiefen Einblick ins Private.

Ich kann überhaupt nicht einschätzen, ob es dir jetzt besonders leicht oder besonders schwer gefallen ist, dich selbst hier so detailliert zu beschreiben, dennoch:
Respekt dafür, dass du es getan hast.
 

AndaleR

Moderator
AT Moderation
Registriert
09.08.20
Beiträge
7.067
Respekt vor diesen Worten, @SomeUser. Ich kann mich da gerade nicht reinversetzen und abschätzen, wie schwierig dieser Text für dich war.

Aber es beeindruckt mich doch, was da so alles in einem Menschen vorgehen kann. Vor allem, wenn man das Beispiel mit der Beerdigung nimmt.
Da kann es doch auch sehr schnell zu Krisen, beendeten Beziehungen, Streit kommen - obwohl man selbst ja eigentlich überhaupt nichts dafür kann. Und das die Gegenseite auch nicht weiß.

Was mir wieder zeigt: Man sollte nicht bei bestimmten Sachen aus der Haut fahren, sich mit dem Gegenüber trotzdem zusammen setzen und über Sachen reden.

Chapeau! Ehrlich - find ich stark. Beides - die Erkenntnis, die du „gewonnen“ (kann man das so schreiben?) hast und den Beitrag, den du uns hier geschrieben hast.
 
  • Like
Reaktionen: SomeUser

joe024

Pomme au Mors
Registriert
07.04.05
Beiträge
866
Danke für deinen interessanten Beitrag!!

Ich arbeite ja nun schon 40 Jahre in der Krankenpflege, habe viele Gespräche mit vielen Menschen über alles mögliche geführt und vieles zu hören bekommen.
Ich selber hatte aber über einige Jahrzehnte z.B. immer das Gefühl "falsch" zu sein, hatte zeitweise ein extremes "Helfersyndrom" entwickelt und hatte auch so meine emotionalen Schwierigkeiten.
Bei mir ging es aber nicht in Richtung Autismus.

Während einer Burn-Out Therapie, wo ich mehrere Monate krankgeschrieben war, stellte sich heraus, daß ich seit meinem ca. 10 LJ. an einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen leide. Und das seit meiner Kindheit!
Grund: massives Trauma in der Kindheit wegen meiner Adoption.

Aber es ist schon richtig: Du wirst damit groß und erwachsen und nimmst die Welt einfach so wahr, wie du sie siehst. Und erst später stellst du fest, dass ein Großteil der Menschen ganz viele Dinge ganz anders wahrnehmen, verarbeiten etc. Das lässt sich viele Dinge noch mal überdenken, durchdenken, hintefragen, ...
Genau - und so bin ich auch mit einer völlig verdrehten Wahrnehmung aufgewachsen und durfte erst mit knapp 50 erfahren, warum es mir so ging und ich mich immer so "fremd" gefühlt habe.

Sehr interessantes Thema und die Erfahrung damit hilft mir heute in der palliativen Arbeit mit Pat. + Angehörigen sehr.
 

SomeUser

Ingol
Registriert
09.02.11
Beiträge
2.084
Moin!

Danke für diesen tiefen Einblick ins Private.

Ich kann überhaupt nicht einschätzen, ob es dir jetzt besonders leicht oder besonders schwer gefallen ist, dich selbst hier so detailliert zu beschreiben, dennoch:
Respekt dafür, dass du es getan hast.

Besten Dank für die Worte. Um die Frage zu beantworten: Mir ist es vollkommen leicht gefallen. Weil es für mich einfach nur eine sachliche Beschreibung einer Situation ist. Sicherlich mit persönlichen Elementen, aber genau dort ist für mich einer der "Brüche" in meiner Wahrnehmung: Ich habe da keinen gefühlstechnischen Bezug zu der Beschreibung, sondern es für mich einfach nur eine Darstellung von Fakten. Ich weiß nicht, ob ich das ansatzweise verständlich rüber bringen kann.
Was eher ein Thema ist, aber da ist es für mich auch nicht schwierig darüber zu reden oder zu schreiben: Natürlich haben die Gespräche etc. dazu geführt, dass ich heute bestimmte Aussagen, Situationen etc. noch mal aus einem anderen Blickwinkel betrachte (z.B. oben das Beerdigungsbeispiel). Und auch wenn ich das weiterhin nicht emotional greifen kann, verstehe ich dennoch, dass ich da ggf. anderen Leuten "vor den Karren fahre". Und an der Stelle denke ich nun schon über viele Situationen etc. nach, wo ich für mich zumindest versuche zu reflektieren, ob ich *anderen* Leuten da ggf. nicht gut getan habe.


Respekt vor diesen Worten, @SomeUser. Ich kann mich da gerade nicht reinversetzen und abschätzen, wie schwierig dieser Text für dich war.
Auch dir besten Dank! Schau mal in den Absatz oben, da habe das gerade schon mal geschrieben :)


Aber es beeindruckt mich doch, was da so alles in einem Menschen vorgehen kann. Vor allem, wenn man das Beispiel mit der Beerdigung nimmt.
Da kann es doch auch sehr schnell zu Krisen, beendeten Beziehungen, Streit kommen - obwohl man selbst ja eigentlich überhaupt nichts dafür kann. Und das die Gegenseite auch nicht weiß.
Da schließe ich gerade noch mal an den Text oben von mir an und den Absatz an @Doc Holliday : Das ist richtig. Ich habe mich z.B. vor rd. drei Jahren nach fast 12 Jahren Beziehung von meiner Ex-Freundin getrennt. Wir haben zwar heute noch einen super Kontakt, aber wenn ich mir heute anschaue, was für mich so die Haupttrennungspunkte waren, wäre es vielleicht nicht zur Trennung gekommen, wenn es uns beiden damals schon bekannt gewesen wäre.
Aber auch hier sofort wieder die Schleife gedreht: Ich habe bei diesem Gedanken kein Gefühl der Traurigkeit und ich leide nicht darunter. Das ist eine rein rationale Betrachtung. Für mich sind da viele Dinge, daher auch die Reaktion auf die Beerdigungsinformation, halt einfach: "Das ist halt so. Das ist Fakt." Ich bekomme keine Verbindung zwischen diesem Fakt und einer Emtionon meinerseits dazu - es erscheint mir sogar irgendwie sinnfrei, da es ja nichts ändern würde, wenn es mich jetzt noch auf dieser Ebene zusätzlich belasten würde.


Was mir wieder zeigt: Man sollte nicht bei bestimmten Sachen aus der Haut fahren, sich mit dem Gegenüber trotzdem zusammen setzen und über Sachen reden.
Das ist richtig, ist aber mit einem großen Problem verbunden: Wie ich oben in Bezug auf mich geschrieben habe, habe ich zwar immer wieder mal gemerkt, dass ich "hier und da" anecke, aber letztlich wirst man halt mit seiner Sicht auf die Welt groß. Das trifft ja auch auf dich zu: Du gehtst jetzt seit Jahrzehnten durch die Welt und hast deine persönliche Einordnung der Welt. Wie oft hinterfragt man da, ob die eigene Sicht auf die Dinge abweichend ist, als die Sicht der anderen Menschen? Und es geht nicht darum, ob man eine andere Meinung hat, sondern schlicht die Aufnahme und Verarbeitung der Informationen.
Wie oft geht man mit jemanden ins Gespräch und fragt nicht nur, wie jemand etwas empfindet, sondern vor allem auch warum bzw. durch welchen Verarbeitungsprozess diese Person zu jenem Gefühl kommt? Und dann müsste man das auch noch immer und immer wieder, in verschiedenen Bereichen machen, um da ggf. in der Breite "Auffälligkeiten" feststellen zu können.



Chapeau! Ehrlich - find ich stark. Beides - die Erkenntnis, die du „gewonnen“ (kann man das so schreiben?) hast und den Beitrag, den du uns hier geschrieben hast.

Das ist ja wiederum das Schöne hier am und im Forum: Mittlerweile sind ja viele der "alten Haudegen" schon 10 Jahre oder länger da und wir haben uns quer durch die verschiedensten Themen ausgetauscht. Da finde ich es auch ok, wenn man dann einfach mal sowas in den Raum wirft - zumal es für halt auch keine Überwindung oder so bedarf.
Und wie man im Beitrag von @joe024 sieht, haben wir damit gleich noch jemand aufgetan, der sich in diesem mal ganz untechnischen Kontext äußert :)


Danke für deinen interessanten Beitrag!!
Merci!

Ich arbeite ja nun schon 40 Jahre in der Krankenpflege, habe viele Gespräche mit vielen Menschen über alles mögliche geführt und vieles zu hören bekommen.
Ich selber hatte aber über einige Jahrzehnte z.B. immer das Gefühl "falsch" zu sein, hatte zeitweise ein extremes "Helfersyndrom" entwickelt und hatte auch so meine emotionalen Schwierigkeiten.
Bei mir ging es aber nicht in Richtung Autismus.

Während einer Burn-Out Therapie, wo ich mehrere Monate krankgeschrieben war, stellte sich heraus, daß ich seit meinem ca. 10 LJ. an einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen leide. Und das seit meiner Kindheit!
Grund: massives Trauma in der Kindheit wegen meiner Adoption.

Genau - und so bin ich auch mit einer völlig verdrehten Wahrnehmung aufgewachsen und durfte erst mit knapp 50 erfahren, warum es mir so ging und ich mich immer so "fremd" gefühlt habe.

Sehr interessantes Thema und die Erfahrung damit hilft mir heute in der palliativen Arbeit mit Pat. + Angehörigen sehr.

Der vorletzte Absatz greift ja noch mal auf, was ich oben auch gerade noch geschrieben habe: Man wächst damit, in deinem Fall knapp 50 Jahre auf, und kennt es eben nicht anders. Man hält es für normal und kann ja auch nur schwer einen Vergleich heranziehen. Und das wird man wohl nur dann machen, wenn man wenigstens eine Idee davon hat, dass man da anders "ticken" könnte, als der Rest...
Gleichzetig finde ich es stark zu sehen, wie ein solches Kindheitsereignis dazu führen kann, dass man damit Jahrezehntelang beschäftigt und beeinflusst ist - ohne aber diese Verbindung selbst präsent zu haben. Es ist dahingehend schon faszinierend, was das Gehirn so alles macht und kann.

Was mich mal interessiern würde: Wie ist der Status dazu heute?
 

joe024

Pomme au Mors
Registriert
07.04.05
Beiträge
866
Was mich mal interessiern würde: Wie ist der Status dazu heute?
Das Thema Adoption mit dazugehörigem Trauma ist schon seit vielen Jahren bearbeitet und liegt in der Schublade " endlich geschafft".
Im Laufe meiner Recherchen zu meiner Adoption kamen häppchenweise Dinge zum Vorschein, die mir meine eigene Gefühlswelt immer mehr erhellt haben.
Ich muss aber dazu sagen, daß dies ohne professionelle Hilfe (Psychotherapie etc.) nicht funktioniert hätte, denn unser Gehirn mit seinem genialen Speicherbereich "Unterbewusstsein" hat da so einiges zu bieten (Verdrängung etc.)
In den letzten ca. 20 Jahren Recherchearbeit hat es sehr oft "klick" gemacht, wenn ich wieder etwas herausgefunden hatte, was mir dann meine Verhaltensweisen von früher erklärbar machte (und auch die meiner Umgebung).

Ich sehe es ja bei der Arbeit mit älteren Patienten auch: Sehr viele Menschen leben jahrzehntelang mit für sie seltsamen Verhaltensweisen, die sich dann mit Biografiearbeit plötzlich erklären lassen.
So ist es dann auch mit dem "Autismus": irgendwo haben wir alle eine kleine Spur davon in uns stecken, ohne es bewusst zu merken.

Aber wer weiß: gräbt man lange genug, kommt interessantes zum Vorschein....(eigene Erfahrung).
 
  • Like
Reaktionen: SomeUser und AndaleR

Patze

Kaiser Wilhelm
Registriert
01.07.22
Beiträge
177
Respekt das du dies hier mit uns teilst.🙏
Ich selber leide manchmal an Depression (Das seit ich 13 Jahre bin, bin jetzt 31), die ich aber zum Glück mit einigen Tipps unter Kontrolle habe. Hatte kein schönes Leben so bis jetzt (Als Kind geschlagen,Mobbing, Eltern die sich lange nicht mochten und weil man eher nach dem Vater ist (Deshalb das schwarze Schaf der Familie ist ) usw.)
Man merkt den Leuten so nichts an an was die leiden bzw. im Leben erleiden mussten.
Deshalb nochmals großen Respekt an euch hier die ihr Privates hier mit andere teilen.
 
  • Like
Reaktionen: SomeUser

joe024

Pomme au Mors
Registriert
07.04.05
Beiträge
866
In meiner Arbeit habe ich ja viel mit traumatisierten Familien zu tun, in denen ein Familienmitglied schwer erkrankt ist und nun auf dem Weg des Sterbens ist.
In einigen Fällen profitiere ich dann sehr von meinen eigenen Erfahrungen und kann so viele Handlungsweisen nachvollziehen.
Belastet mich das?
Nein, da ich mein eigenes Trauma überwunden habe und in der Arbeit mit professioneller Distanz herangehe.

Trotzdem - da tun sich manchmal versteckte Türen auf, wo selbst die Familien erschrecken, was so alles zum Vorschein kommt.
 
  • Like
Reaktionen: SomeUser und Patze