Sie sind omnipräsent und doch weitgehend unbeachtet: die Startmelodien der verschiedenen Computer- und Betriebssysteme.
Dabei handelt es sich oft um musikalische Kleinkunstwerke, in denen sich zum Teil auch namhafte Komponisten verewigt haben.
Der wohl bekannteste Komponist von Mini-Sounds ist Brian Eno. Der mit der Glamrock-Band "Roxy Music" bekannt gewordene Tastenartist tüftelte den Sound für Windows 95 aus. Zunächst war die ganze Aktion ein Geheimnis.
Erst einige Zeit nach dem Vermarktungsstart des Microsoft-Betriebssystems im August 1995 machte die Nachricht vom Starkomponisten im Netz die Runde.
Findige User hatten die Datei "The Micrsoft Sound.wav" einmal näher unter die Lupe genommen. Bei den Datei-Eigenschaften fand sich der Hinweis auf Enos Autorenschaft.
Er sei, so sagte Eno später in einem Interview mit dem "San Francisco Chronicle", damals in einer vollkommen ideenlosen Zeit gewesen. Und so habe er wirklich Dankbarkeit dafür empfunden, einen ganz präzisen Auftrag zu erhalten: "Das Ding von der Agentur sagte: 'Wir wollen ein Musikstück, dass inspirierend, universell, blah-blah, da-da-da, optimistisch, futuristisch, gefühlsvoll, emotional ist', diese ganze Liste von Adjektiven, und dann unten sagte es 'und es muss 3 1/4 Sekunden lang sein.'"
Und Eno, der unter anderem Alben für David Bowie und U2 produziert hatte, machte sich ans Werk. Ironischerweise benutze er für den Microsoft-Job seinen Apple Macintosh - und eine Hand voll Yamaha-Synthesizer.
Microsoft: Mit 84 Versuchen zum Erfolg
Bis er zum endgültigen Windows-Startklang kam, komponierte Eno zahllose Musikschnipsel auf der Suche nach dem perfekten Sound. Am Ende waren es genau 84. "Ich bin komplett in diese Welt der winzig, winzig kleinen Musikstücke eingetaucht", erklärte der Komponist anschließend.
Bei seinen späteren Werken seien ihm die Liedlängen von um die drei Minuten dann vorgekommen, wie "Ozeane voll Zeit".
Reich wurde Eno mit dem Microsoft-Klang übrigens nicht unbedingt. Er bekam 35.000 US-Dollar für den Klang. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass Windows 95 bereits innerhalb von zwei Jahren weltweit 110 Millionen Mal verkauft wurde. Andererseits nicht wenig, wenn man bedenkt, dass das Werk eben nur einige Sekunden lang war.
Wer die Startmelodie der aktuellen Ausgabe von Microsofts Betriebssystem schuf, lässt sich dagegen nicht herausfinden. Bei Microsoft gibt man sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE ahnungslos: "Leider liegen unseren amerikanischen Kollegen keine weiteren Informationen zum Komponisten des Start-up-Sounds von Windows XP und zum Sound von Windows Vista vor", heißt es in der Antwort auf eine entsprechende Anfrage.
Das war dann wohl gemauert: Inzwischen ist nämlich durchgesickert, dass der Windows-Vista-Sound vom King-Crimson-Gitarristen Robert Fripp eingespielt wurde. Dazu gibt es sogar ein Making-of-Video.
Apple: Panflöten, doch wie lange noch?
Werfen wir einen Blick zur Konkurrenz: Der kurze und prägnante Startsound der Apple-Computer wurde vor nunmehr 14 Jahren von Jim Reekes komponiert. Es war allerdings erst in diesem Jahr, dass Reekes dies auch zugab - und zwar im populären US-Blog "BoingBoing". Bis dahin hatte der frühere Apple-Angestellte darüber geschwiegen, dass er der Vater jenes legendären C-Dur-Panflöten-Akkords war.
Entstanden ist er, so erklärte Reekes nun, auf einer Korg Wavestation: "Ich wollte etwas wirklich fettes, starker Bass, hohe Noten und ein scharfer Anschlag". Dabei sei es ihm auch wichtig gewesen, dass Apple-Nutzer, die ihre abgestürzten Rechner neu hochfahren mussten, keine schlechten Assoziationen zu dem Klang entwickelten: "Ich wollte, dass es mehr wie ein Paletten-Reiniger klingt", so Reekes etwas nebulös.
Spätestens mit dem Film "Jurassic Park" ging das Werk endgültig in die Pop-Kultur ein: Im Dino-Film von Steven Spielberg gibt es nämlich eine Szene, in der alle Computer des Parks zur selben Zeit neu hochgefahren werden - mit dem satten Mac-Sound.
Einige wenige Apple-Rechner wurden indes auch mit einer anderen Start-Musik ausgeliefert, so etwa die frühen PowerMacs, die mit einem Solo des Jazz-Gitarristen Stanley Jordon zum Leben erwachten.
Doch dieses Stück fand nicht nur Apples Ur-Sounddesigner Reekes kraftlos, sondern auch Firmengründer Steve Jobs.
Als er 1997 zu Apple zurückkehrte, hatte er kaum etwas Eiligeres zu tun, als den ursprünglichen, den echten Startsound wieder installieren zu lassen.
In diesen Tagen droht Reekes' Werk allerdings möglicherweise wieder Ungemach. Der Branchendienst "Apple Insider" berichtete vor einiger Zeit, dass die Prototypen der ersten Macs mit Intel Prozessoren, deren Markteinführung für kommendes Jahr geplant ist, mit einem neuen Klang hochfahren. Das ganze sei weder mit dem Apple- noch mit dem Intel-Sound zu vergleichen.Intel: Hypnotisiert zum Musikvergnügen
Apropos Intel-Sound: Auch hinter diesem Mini-Musikstück ("Da-da, Da-damm") steckt natürlich ein Komponist. In diesem Fall der in Los Angeles lebende Österreicher Walter Werzowa.
Er kam ins Spiel, als sein Kumpel Kyle Cooper eine Werbung für den Chiphersteller erstellen sollte, und auf der Suche nach einem Komponisten war. Werzowa hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von Intel gehört - behauptet er jedenfalls heute.
Und ideenlos war er obendrein.
Am ersten Studiowochenende für den Intel-Sound tat sich zunächst einmal gar nichts: "Alles klang einfach blöd, abgehackt und eigenartig", erinnert sich Werzowa. Der Durchbruch, so will es die Legende, kam schließlich, als er wie hypnotisiert auf die Worte "Intel Inside" starrte - und sie zu singen begann.
Dann kamen zehn Tage Arbeit im Studio. Der Rest ist (Computer-)Geschichte.
Werzowa, mittlerweile Chef der Firma "Musikvergnügen", ist seitdem zum gefragten Sound-Designer geworden. Seine Audio-Signaturen sind weiterhin nur wenige Sekunden kurz.
Je nach Größe der entsprechenden Firma kosten sie aber zum Teil mehr als 100.000 Dollar. Was er für den Intel-Job bekommen hat, hat Werzowa übrigens nie verraten.