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Leider ist es mir zeitlich nicht möglich, mich mit allen Details der Spionageaffäre zu befassen.
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Ich kann Dir nur beipflichten, was den kritischen Aspekt Deines Posts angeht. Indes ist im Grunde das obige Zitat ein Kernsatz Deiner Aussage, der auch auf das eigentliche Problemfeld hindeutet: keine Zeit mehr zu haben - und auch keine Zeit mehr haben zu
sollen. Eben auch, um sich gebührlich zu informieren und zu bilden - um überhaupt Teilhabe am demokratischen Prozess nehmen zu können. Überdies ist ja auch PRISM, also die gesamt zunehmende Polizei- und Überwachungsstaatlichkeit in enger Vereinnahmung der Industrie wie aller Konsumfelder, ja nur ein Aspekt von vielen einer deutlich fundamentaleren gesellschaftlichen Entwicklung. Und die ist alles andere als ungewollt noch planlos.
Auf WDR5 lief dazu ein sehr informatives, vor allem aber überraschend deutliches Feature, das höchst empfehlenswert ist; und besonders hinsichtlich des Zeitfaktors komprimiert Inforamtionen zusammenstellt, die heute tendenziell gerade mal noch in Nischen-Fächern an der Universität diskutiert werden können, obwohl sie gesellschaftliche Sprengkraft haben und in der Tagesschau hinsichtlich er politischen Bedeutung
jeden Tag behandelt werden müsste. Bedeutender, als ein Sack Reis in China, als Krieg in Syrien, als sonst irgend eine Nachricht, die aber nicht in Zusammenhang gestellt wird. Insgesamt geht es aber schlicht um den Neo-Liberalismus - dessen Inhalte und Auswirkungen.
Viele kennen den Begriff, nur wenige wissen, was schicksalträchtiges dahintersteckt. Überdies könnte man ja auch meinen, das Wort 'Liberalismus' könne man bedenkenlos mit 'Freiheit' verbinden, vielleicht gerade mal mit einem Kaptilismus-Strang, der sonst keine weitere Bedeutung für eine Demokratie und den Einzelmenschen hätte. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall.
Der Neo-Liberalismus ist nichts anderes als eine faschistische Agenda (faschistisch im Sinne des Begriffs nach Mussolini hinsichtlich der vollständigen Verbindung von Industrie/Kapital-Interessen unter Ausschaltung der bürgerlich/menschlichen Interessen und seiner politischen Vertretung). Unter dem Deckmantel eines 'freien Kapitalismus' wird indes nichts anders als die Übernahme der demokratischen Machtverhältnisse angestrebt. Genau darum konnte das WDR5-Feature auch nicht einen anderen Titel erhalten, als: Der ökonomische Putsch. Das sind knapp 45 Minuten, die es nicht nur in sich haben, sondern einem in sehr differenzierter Weise einen Ausblick geben, was uns noch bevorsteht - und zwar fern jeder Möglichkeit von Verschwörungstheorie zu sprechen:
Indes wissen wir ja, wie die meisten von uns zunehmend erfahren haben, wie allein der Arbeitsdruck vieles vereinnahmt. Auch dies ist Teil dieser Agenda, wie sie im WDR5-Feature auch richtig skizziert wird. Du
sollst keine Zeit mehr haben - und Du
sollst unter Druck stehen. So beschäftigt man sich eben kaum mehr damit, dass einem gerade der demokratische Rechtsstaat entwendet wird. Wir erleben es ja live mit. Dabei müsste man sich angesichts unseres kurzen Lebens doch fragen: ja, wo bleibt es denn, dieses Leben - und warum wird so systematisch von politischer Seite dermaßen viel getan, dass immer weniger dazu übrigbleibt, während die technischen wie wirtschaftlichen Fortschritte doch alle Möglichkeiten ließen, eine viel glücklichere Welt zu organisieren? Aber wie korrumpiert sind allein schon unsere Vorstellungen, wie unser Leben aussehen könnte - und wie absurd ist es, sich dann mit Konsum zufrieden zu geben, wie es für viele in den Industrienationen nur noch der Fall ist; und für andere jenseits dieser Länder grade mal noch erstrebenswert?
Man kann solche Fragen (besonders in der Kürze, wie es in Foren nur möglich ist) schnell als oberflächlich abtun; und man kann sie ohnehin hier kaum besprechen. Aber die Fragen kann man auch recht schnell an jene einfach weitergeben, deren Lebensinhalte sich tatsächlich bereits nur noch auf Arbeit und Konsum verkürzt haben. Eine Tragödie. Und ist es gewiss die Aufgabe eines jeden Menschen, sich hier wieder Freiheiten zu erstreiten - eben weil das Leben so ungeheuer kurz und kostbar ist, das auf einem Grabstein nicht stehen sollte: "Arbeit war sein Leben - und sein letztes Macbook war ein Late 2016."
Genauso ist es. Und dann wird das große "aber wir haben doch nicht wissen können..."-Geheule anfangen.
Wir wissen mehr als genug, um der gesamten US-Außenpolitik und allen großen US-IT-Konzernen mehr als nur zu misstrauen. Wir wissen heute deutlich mehr als die Weimarer Bevölkerung zur Zeit der letzten Reichstagswahlen.
Ich befürchte ja mittlerweile, dass es bei jenen, die sich in unseren Tagen entsprechend gebärden, kaum mehr ein Geheule geben wird. Eine gewisse Leere vielleicht, wenn das Konsumieren nicht so recht funktionieren sollte. Aber welche Antworten wollen oder können da noch Raum finden, wenn man unsere Gesellschaft in all den Verzerrungen geradezu als Natur-Gesetzt hingenommen und damit sein Leben preisgegeben hat? Dass wir allesamt Ziel und auch Opfer einer politischen Agenda sind, die eben nicht nur auf dem 'Markt' oder der Industrie wirksam ist, sondern den Anspruch hat, unser Denken und Leben umzuformen - nein, ich denke, den Mut, sich diesen weitreichenden Aspekt einzugestehen, dass man bereits Opfer ist, ist vielen nicht möglich. Es ist dann viel leichter, gar Mittäter, mindestens aber Mitläufer zu werden. Eine Lehre der Geschichte, die wir eigentlich längst vertanden haben müssten, aber von Generation zu Generation neu verdrängen.