Ich hör doch was ich hör!

Zettt

Doppelter Melonenapfel
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Hallo liebe Leser,

heute möchte ich mich mit euch aufmachen in die Welt der Psychoakustik. Frei nach dem Motto:
Ich hör doch was ich hör!

Psychoakustik soll das Thema dieses Artikels werden. Was versteht man darunter?
de.wikipedia.org/wiki/Psychoakustik schrieb:
Die Psychoakustik ist ein Teilgebiet der Psychophysik. Sie befasst sich mit der Beschreibung des Zusammenhanges der menschlichen Empfindung von Schall als Hörereignis und mit dessen physikalischen Schallfeldgrößen als (Schallereignis). Die Verarbeitung physikalischer Signale zu einem Höreindruck wird dabei in mehreren Stufen modelliert. Diese werden dem einzelnen Ohr und der kognitiven Signalverarbeitung zugeordnet.
Es geht also um das Empfinden von Schall. Einige kleine Beispiele möchte ich diesem Feld nun heraus nehmen.

Maskierungseffekt:
Wie der Name schon vermuten lässt geht es hier um die Verdeckung von Schall. Wie haben wir uns das vorzustellen?
Ganz einfach. Ein bestimmtes Signal, sei es meinetwegen eine Gitarre, besteht nicht aus einer einzigen Frequenz, sondern vielen einzelnen. (Im übrigen lauter Sinusschwingungen)
Diese Grafik, der Wikipedia entnommen, soll uns als Beispiel dienen.

Akustik_Mithoerschwelle2.JPG

(Quelle: Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Maskierungseffekt)

Die Grafik möchte folgendes anschaulich machen. Wir haben ein Signal, dieses wird durch die schwarze Linie dargestellt. Um dieses Signal nun zu verdecken muss man ein Störsignal einbringen. Die bunten Linien sollen das verdeutlichen. Haben wir ein Störsignal mit 60 dezi Bel, würde man Frequenzen, die sich unterhalb dieser Kennlinie befinden, nicht mehr wahrnehmen. Also könnte man sie weg lassen.

Ein einfaches Beispiel aus dem normalen Leben:
Auf dem Weg zur Arbeit, wir fahren mit dem Auto und hören Radio. Dabei kommen wir an einer Baustelle vorbei. Der Presslufthammer ist ganz schön laut. So laut das wir das Radio lauter machen müssen um es besser zu verstehen.
Ein anderes Beispiel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Maskierungseffekt schrieb:
Bei Verfahren zur verlustbehafteten Audiodatenkompression, wie beispielsweise MP3 oder Ogg Vorbis, werden solche Maskierungseffekte gezielt ausgenutzt, um Frequenzanteile, die wegen Maskierung zur Zeit unhörbar sind, für diesen Moment auszufiltern, oder um Frequenzbereiche, die teilweise maskiert werden, mit geringerer Qualität (d. h. mit geringerer Datenrate) zu übertragen.


Tontechnischer Einsatz:
Der Verdeckungseffekt wird uns dann bewusst, wenn wir uns ein Lied anhören und deren Zusammenstellung aus verschiedenen Signalen betrachten. Schlagzeug, Gitarre und so weiter. Der Techniker kann durch bewusstes ausnutzen des Verdeckungseffektes einem dieser Instrumente im "Mix" mehr Platz einräumen. Denken wir zum Beispiel an die Störgeräusche gewisser Schlagzeuginstrumente. Toms meinetwegen.
mattlohkamp von Freesound hat folgendes Sample erstellt:
Tom mit Schwung
Man kann deutlich das Schwingen der Tom hören. Setzt man nun einen Equalizer auf diese sogenannte Resonanzfrequenz an und macht diesen Teil leiser, verdeckt das umliegende Signal die Resonanz und die Tom klingt sauberer, etwa so:
Tom gedämpft

Das Ende vom Lied?
Man kommt sich fast ein wenig betrogen vor, liest man diese wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir wären unzureichende Wesen, welche nicht besonders gut hören. Dabei hören wir eben nur "anders" beziehungsweise naturbedingt. Das heisst wir hören nicht schlecht, oder gut. Der Evolution entsprechend, hören wir eben das was wir unbedingt hören müssen.
Das nächste mal möchte ich noch weiter in die Welt der Psychoakustik einsteigen und weitere Phänomene des Hörens nähers bringen.
 
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Smooky

Pommerscher Krummstiel
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Hallo
Psychoakustik ist eine Welt für sich und auch nicht ganz uninteressant. Deine Erklärung hier hat mir wahrlich mehr geholfen als die meines "Tondozenten".
 

Hallo

Gast
Bei der Maskierung gibt es drei Arten:

1. Die Simultanverdeckung

Trägt man die Pegel bei gleichzeitig gespielten Testtönen als Funktion der Frequenz auf, so erhält man ein Diagramm der Mithörschwelle des Störschalls.
Im wesentlichen fand man, dass der Pegel eines wahrnehmbaren Testtons steigt, wenn der Pegel des Störtons größer bzw. das Intervall zw. den beiden Tönen kleiner wird.
Die Mithörschwelle eines Klangs (musikalischer Ton) ist komplizierter als die eines Sinustons. Sie kann entweder direkt gemessen oder durch psychoakustische Modelle berechnet werden (Fourier-t-Transformation).

2. Nachverdeckung

Ein lauter Schall hat immer auch einen Einfluss auf nachfolgende Schallereeignisse. Die Hörschwelle hat nach etwa fünf msek. immer noch die Höhe der Simultanhörschwelle. Erst dann fällt sie ab, bis 200 msek. nach dem Ende des Schalls die Ruhehörschwelle erreicht wird.

3. Vorverdeckung

Musikalisch zu vernachlässigen ist die Vorverdeckung. Dennoch ist bemerkenswert, dass ein lauter Schall bis 20 msek. in die Vergangenheit wirkt.

Für Interessierte hätte ich auch noch eine Buchempfehlung:

Musikpsychologie Ein Handbuch von Herbert Bruhn, Rolf Oerter, Helmut Rösing, bei rororo.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

amarok

Galloway Pepping
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super! bin leider erst jetzt dazu gekommen den artikel zu lesen aber das ist mal echt interessant.
 

m00gy

Gast
Vielleicht solltest Du Deinen Artikel zum MP3-Format noch referenzieren, schließlich nutzt das MP3-Format u.a. ja auch den Maskierungseffekt, um die Datenreduktion zu erreichen ;)
 

jensche

Korbinians Apfel
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kann mir jemand von diesen Musik usern... diese audio Illusion erklären:

Loopt diesen Track mal und dann
Warum entsteht die Illusion, dass der Ton immer höher wird?

gruss
Jens
 

Zettt

Doppelter Melonenapfel
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Danke :)

@jensche
Das wusste ich mal...Ich glaube das war so eine Mischung aus Trugschluss und Residualeffekt zu tun. Bin mir aber nicht mehr sicher.
 

streuobstwiese

Schafnase
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kann mir jemand von diesen Musik usern... diese audio Illusion erklären:
Loopt diesen Track mal und dann
Warum entsteht die Illusion, dass der Ton immer höher wird?
gruss
Jens
Das ist eine sogenannte Shannon-Tonreihe.
Das ist ein Mehrklang (meistens Dreiklang) bei dem bei den ersten Tönen ein tiefer Ton dazu kommt (kontinuierlich lauter wird), während ein hoher Ton ständig leiser wird.
Wenn das gut programmiert ist, ist es eine sehr eindrucksvolle Demonstration, wie leicht unser Gehirn zu überlisten ist.
Erfunden von Roger N. Shepard
Erklärung auf deutsch.
Erklärung auf englisch.
 
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Macmac

Gast
Psychoakustik - ..als die meines "Tondozenten"

Hallo
Psychoakustik ist eine Welt für sich und auch nicht ganz uninteressant. Deine Erklärung hier hat mir wahrlich mehr geholfen als die meines "Tondozenten".

Genau deshalb wird uns ein Hörerlebnis, b.z.w. "Ergebnis" angeboten das eine Lüge ohne Ende ist!
Der Konsument wird um das wahre Hören betrogen!(Objektives Hören)Das was im Studio getunt aufgenommen wird setzt sich auf der Bühne im Live Act fort, mit einer Ansammlung an Deemphasern, Kompressor, Limiter..u.s.w. Hört man sich die "Lieblinge" der Nationen "Live" ohne Micro an, bleibt ziemlich viel mikrig-es übrig! Wollt Ihrs das? Dann habt ihr nicht mehr - verdient!
Good Sounds,
MacMac
 

Zettt

Doppelter Melonenapfel
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Nein das wollen sie sicherlich nicht. Aber dieses ganze "komprimieren" usw. hilft dem Konsumenten doch sehr finde ich. Zum Beispiel wenn ich dran denke, dass man auf dem hinterletzten Kuechenradio dieser Erde durch gute Kompression noch ein halbwegs verstaendliches Musikstueck rauskitzeln kann. Aber das hat nichts mit Psychoakustik zu tun und ist nur meine subjektive Meinung.

Ausserdem hatten diese ganzen Effekte doch urspruenglich mal den Zweck einem Menschen Arbeit zu geben. ;)