Hundoggo
Winterbanana
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Ein sehr schönes Beispiel, das an das anknüpft, was ich gestern versucht habe zu erklären. Ich meinte ja, dass es sehr leicht ist, durch solche "Studien" zu zeigen, was man zeigen will und sie mich daher nicht überzeugen.
Zuerst: Die Studie ist natürlich plausibel und ich kann die Ergebnisse die dort präsentiert werden nachvollziehen. Ich zweifle auch prinzipiell nicht an, dass diese Ergebnisse durch eine korrekte Arbeitsweise erzielt wurden (bzw. generell erzielt werden können).
Aber (!): Halten denn die Interpretationen der gezeigten Ergebnisse einer Überprüfung mit der Realität stand? Da habe ich nämlich große Zweifel.
Die in der Studie genannten Berufsbezeichnungen sind im Englischen seit immer schon geschlechtsneutral und trotzdem sind es auch da typische Männerberufe.
Wenn wir jetzt, so wie in der Studie geschlussfolgert, geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen einführen, weswegen sollten wir dann ein komplett anderes Ergebnis erwarten?
Das ist einfach nicht plausibel und nicht überzeugend.
Nur falls du dich wieder an der Sprache störst: Man kann auch einen anderen Grenzfall betrachten, nämlich eine Gesellschaft in der typische Männerberufe auch von Frauen ausgeübt werden. Ein Beispiel wäre da die DDR.
https://www.emma.de/artikel/abschied-vom-maennerberuf-die-arbeitslose-kranfuehrerin-264194
Das wurde nicht im geringsten durch Änderungen in der Sprache erzielt. Natürlich anfangs viel mit Planwirtschaft, also Zwang im weitesten Sinne, aber es war am Ende viel normaler, dass Frauen in technischen Berufen vertreten waren. Heutige Quotenregelungen können vielleicht als eine Art sanfte Alternative dafür interpretiert werden, aber das ist jetzt natürlich etwas salopp daher gesagt.
Der Artikel gibt aber auch das vielleicht entscheidende Kriterium an und das sind 100% freie Krippenplätze für die Kinderbetreuung. In meinem MINT-Berufsumfeld sehe ich die Entscheidung Kind oder Beruf ab einem gewissen Punkt als häufig als Entscheidungskriterium. Wenn das wegfallen würde, würde sich das Geschlechterverhältnis auch angleichen können.
Das Problem ist, dazu muss man wirklich was machen und nicht nur "labern". Also als Staat und als Gesellschaft.
Zur Ausgangsfrage: Die Behauptung, dass geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen Frauen in typische Männerberufe bringen, hält eine Überprüfung mit der Realität nicht stand. Und Gesellschaften, in denen Frauen verstärkt diese typischen Männerberufe ausüben, haben das nicht durch eine geschlechtergerechte Sprache erreicht.
Ist Gendern deswegen Unsinn? Nein. Es macht Sprache natürlich gerechter und inklusiver. Aber es wird nicht die gesellschaftlichen Probleme in dem Umfang lösen, wie z.B. diese Studie hier behauptet. Dazu ist dann doch etwas mehr Anstrengung notwendig.
Erstmal danke für den erfrischenden Beitrag. Darauf möchte ich Folgendes antworten.
Ich bin ganz bei dir, eine Studie ist in gewissem Maße immer auch Interpretationssache und daraus einseitige Schlussfolgerungen zu ziehen ist gefährlich.
Ansonsten behaupte ich, dass ein direkter Vergleich nicht aussagekräftig ist, weil, wie gesagt, die Ausgangssituationen in GB, D, und DDR einfach unterschiedlich sind, bzw. waren. Man kann aber ganz interessante Schlüsse ziehen, um sich einem Kompromiss anzunähern. Ich will das mal versuchen und unsere Aussagen verbinden.
- Ich sage, dass Sprache ein Faktor ist, der die Berufswahl beeinflusst - Ergebnis der Studie.
Du sagst, es sei gefährlich, daraus einseitige Schlüsse zu ziehen. Dem stimme ich voll zu.
- Du sagst, dass eine geschlechtsneutrale Sprache nichts grundlegend ändert - am Beispiel GB
Mein Kommentar dazu: aktuell wird in GB relativ geschlechtneutral formuliert und offensichtlich sind die Verhältnisse ähnlich, deswegen gibt es an dem Argument absolut nichts auszusetzen. Ich erlaube mir jedoch die Anmerkung, dass es nicht auf die Studie und Deutschland passt, weil die Studie nämlich die weibliche und männliche Form nutzt und in Deutschland die Sprache aktuell nicht geschlechtsneutral ist, sondern männlich dominiert. Folglich sind die Voraussetzungen unterschiedlich.
Trotzdem würden mich jetzt mal die genauen Verhältnisse bzgl. Deutschland und GB in Zahlen interessieren.
- Du sagst, dass andere Faktoren die Berufswahl viel mehr beeinflussen, als Sprache - anhand des Artikels in der Emma
Mein Kommentar dazu: ja, dem würde ich direkt nicht widersprechen, aber ein direkter Vergleich ist unglücklich, weil auch hier die Ausgangslage unterschiedlich ist. Denn auch in der Emma wird ja von fundamental unterschiedlichen Wertvorstellungen gesprochen, die in Ost und West geherrscht haben. Und auch in der heutigen BRD haben wir Wertvorstellungen, die gewisse Dinge beeinflussen und die sich noch nicht gänzlich von den Vorstellungen des damaligen „freien“ Westens gelöst haben, z.B. zum Thema Frauen. Damals hatten die nämlich recht wenig zu lachen. Das System im Osten hingegen war ein anderes und es haben Verhältnisse gewirkt, die den Faktor Sprache einfach übertrumpft haben. Deswegen stimme ich dir in der Grundaussage auch zu, dass es Dinge gibt, die stärker wirken; aber solange wir diese Verhältnisse (wobei, will man DDR Verhältnisse? manche vielleicht ) nicht in Deutschland haben, müssen wir mMn. mit dem arbeiten was wir haben; und dazu zählt auch Sprache und sich daraus ergebender Kaskadeneffekte, wie z.B. die Berufswahl.
Das sind alles korrekte Aussagen, aber weder meine Aussage, noch deine Aussagen, stechen sich gegenseitig aus. Sie sind alle richtig, aber eben auch schwer zu vergleichen. Ich finde, man sollte viel mehr Schlüsse daraus ziehen und diese in ein Verhältnis setzen.
Das müssen aber schlauere Leute machen, als wir
PS: Aussagen zum „freien Westen“ und „System Ost“ bitte nicht zu sehr aufdröseln, das war vor meiner Zeit und ich weiß nur, was in den Büchern steht
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