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Buddenbrooks - oder der Untergang eines Mythos

proteus

Langelandapfel
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Durch eine Verkettung, im Nachgang muss man sagen unglücklicher, Umstände, kam ich gestern dazu, Buddenbrooks zu sehen.
Für jene, die sich normalerweise nicht in die Niederungen der Weltliteratur verirren : Der Autor Thomas Mann ist einer der wenigen modernen deutschen Autoren von Weltrang, für das 1901 erschienene Werk erhielt er 1929 den Literaturnobelpreis. Zeit seines Lebens neigte er zur Homophobie, verließ Deutschland in der Zeit des dritten Reichs und war privat durchaus schwierig.
Im Gegensatz zu seinem Bruder Heinrich, der eher sozialkritische, fast schon kommunistische, Romane schrieb ( Der Untertan, Professor Unrat ) durchleuchtete Thomas die bürgerliche Schicht seiner Zeit. So ist Buddenbrooks ein sgn. Schlüsselroman seiner Heimatstadt Lübeck, in der sich viele Bewohner wieder erkannten, entsprechend unbeliebt war Mann eine ganze Weile in Lübeck.

Andere bedeutende Romane sind "Der Zauberberg" und "Felix Krull" Alle bekannten Bücher sind mehrfach verfilmt worden, mal besser, mal schlechter.

Der Regisseur dieser neusten Verfilmung ist Herr Breloer, nach eigener Aussage eine Mann Experte, der vor einigen Jahren mit der Mann Chronik, einer Kombination aus Spielszenen und Interviews, international Aufsehen erregte. Diese Reihe war sicherlich eine Sternstunde des Fernsehens, entsprechend gespannt war ich auf die Verfilmung. Der Einfachheit halber wurde A.M. Stahl, der bereits Thomas Mann darstellte, als Patriarch Buddenbrook verpflichtet.
Für die anderen Rollen holte man vieles, was in Deutschland "Rang und Namen" hat, ein Zeichen für den Niedergang der deutschen Schauspielerei.

Den Inhalt des Buches hier wiederzugeben würde den Rahmen sprengen, es sei jedem ans Herz gelegt, es zu lesen. Allein die Fabulierkunst und geschliffene Sarkastik der Kapitel weiss zu begeistern. Nur soviel : Sicherlich muss man Zugeständnisse an die Laufzeit und Möglichkeiten des Kinos machen. Entsprechend wird gekürzt, gestrafft und bearbeitet.
Im Fall Breloers sieht das so aus : Eine völlig unsinnige, im Buch gar nicht vorkommende, Ballszene bildet den Auftakt, ohne irgendwo hin zu führen. Dafür wurde ein Kind der Familie, einige Kinder der Kinder und viele, durchaus wichtige, Nebendarsteller weggelassen. Dafür wurden Charaktere, die im Buch nur am Rande vorkommen, nach vorne gerückt.
Besonders wichtig für den Zerfall der Familie Buddenbrook ist die Konkurrenz zu den ebenfalls in Lübeck ansässigen Butenbooms, einer rabiaten Familie aus kleinen Verhältnissen, die mit Geschick und Ellenbogen nach oben kommt, im selben Maß, wie der Niedergang der Buddenbrooks fortschreitet. Das zentrale Thema des Buches, der Untergang der dekadenten, großürgerlichen und erstarrten Buddenbrooks macht den Weg frei für die Erneuerung durch die hemdsärmligen Nachfolger. Im Film bleibt davon nichts, es herrscht eine gewisse geschäftliche Rivalität, das war es,
Ist Antonia,die Tochter, im Buch eine arrogante, von Standesdünkeln getriebene Zicke, die das letzte Quentchen zum Desaster beisteuert, ist Ihre Figur im Film eine patente, nette, anpackende Freundin für jeden, Zentrale Figur und Symphatieträgerin des Films. Grauenhaft.

Die Figuren sind teilweise etwas oberflächlich geschildert, in einigen Fällen extrem fehlbesetzt oder einfach nur nervötend. Extrem ist die völlig überzeichnete Darstellung des Bankiers durch einen armen Tropf, dessen Name mir entfallen ist. August Diehl brilliert wie immer duch nichts, Iris Berben hat es auch so langsam hinter sich und so bleibt als "Star" des Films Jessica Schwarz, Soapstar mit Ambitionen, die Ihre Sache nicht schlecht macht, allerdings ist die Figur wie gesagt auch mit Gewalt "vernettet" worden. Zwiespältig bleibt der Auftritt von Stahl. Wie auch Adorf oder George ist er zu seiner eigenen Legende mutiert und verwechselt offenbar Statik mit Wirkung. War seine Darstellung des Autors Mann noch denkwürdig, ist seine Interpretation der bekanntesten Figur dieses Autor bestenfalls Mittelmaß. Zudem haucht er recht früh sein Leben aus, so kann man ihm für das Mißlingen des Films wenig Schuld geben.

Die anderen Protagonisten schlagen sich wacker, hinterlassen aber auch keinen bleibenden Eindruck. Immer wieder wird deutlich, wie limitiert Breloer als Regisseur ist. Unheil deutet sich grundsätzlich durch Gewitter an, Emotionen grenzen immer an Hysterie, die Überzeichnung der Figuren ist teilweise desaströs ( besonders übel : Diehl als hypochondrischer Christian ), die Motivation der Figuren bleibt weitestgehend im Dunkel.
Am schlimmsten : Der Film plätschert ohne Höhepunkte, untermalt von einer völlig überladenen Musik, vor sich hin. Hätte man den Film für eine Fernsehproduktion abgefilmt, wäre das eine tolle Möglichkeit, das Buch auch neuen Lesern näherzubringen. Als Film funktioniert das nicht.
Die, welche das Buch kennen, werden enttäuscht sein, Die, welche es nicht kennen, werden kaum Ambitionen haben, es zu lesen.
Und da entgeht Ihnen dann wirklich ein Erlebnis.

Bleibt ein ebenso opulent wie sorgfältig ausgestatteter Kostümfilm, der nebenbei die Revolution von 1848 streift, der Ansatz eines Sittenbildes und herrlich skurrile Platitüden der verquasteten Moral und des Anstandes zu jener Zeit. Für einen Kinofilm zu wenig, viel zu wenig. Das hat Mann nicht verdient - und ich auch nicht.
Ich bin mal gespannt auf die Meinung der anderen Zuschauer.
 

proteus

Langelandapfel
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Schade, daß offensichtlich keiner etwas anders ansieht als Popcorn Kino oder einfach keine Lust hat, seine Sicht zu schildern.
 

eyecandy

Graue Französische Renette
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kennst du verfilmung aus dem jahr '59? wie würdest du die aktuelle verfilmung (die ich nicht gesehen habe) im vergleich dazu sehen?
 

bml

Prinzenapfel
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Gegen Ende des Films wird schon arg schnell und in falscher Reihenfolge gestorben. Oscarwürdig wäre der Film allerdings nur, wenn Antonia in der zweiten Strandszene wieder ihre Jugendliebe Morten träfe. :)
 

proteus

Langelandapfel
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@eyecandy : ja, die Verfilmung kenne ich. Auch wenn sie nicht mehr den heutigen Sehgewohnheiten entspricht, finde ich sie um Längen besser. Fairerweise muss man sagen, dass natürlich auch viel mehr Zeit war, die Figuren zu entwickeln und einfach bessere Schauspieler zur Verfügung standen.
Aber doch, ja, ich fand sie viel besser.
 

eyecandy

Graue Französische Renette
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@eyecandy : ja, die Verfilmung kenne ich. Auch wenn sie nicht mehr den heutigen Sehgewohnheiten entspricht, finde ich sie um Längen besser. Fairerweise muss man sagen, dass natürlich auch viel mehr Zeit war, die Figuren zu entwickeln und einfach bessere Schauspieler zur Verfügung standen.
Aber doch, ja, ich fand sie viel besser.
danke. dann erspare ich mir die neuverfilmung ... ;)
 

groove-i.d

Rote Sternrenette
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Schade, daß offensichtlich keiner etwas anders ansieht als Popcorn Kino oder einfach keine Lust hat, seine Sicht zu schildern.

ich laviere seit dem start des films um ihn herum und meide ihn mehr oder weniger bewußt, weil ich mir denke, daß ich nicht begeistert wäre. ich mag stahl, aber ich mag ihn in den rollen, in welchen ich ihn in erinnerung habe ("kafka", "die manns", "night on earth"). Du bestätigst mich in dem, was ich vermute:
man nehme ein paar bewährte deutsche schauspielergrößen, selektive originalschausplätze, eine groooooße story/ein mächtiges thema und fertig ist der hit.
nein, nicht mein ding.