Insolvenz/ außerordentliche Kündigung

Conny

Starking
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Hallo,

da ich grade im Internet nichts finden kann und es etwas eilt wollte ich hier mal fragen, vielleicht kennt sich ja jemand aus, weil MItarbeiter einer Arbeitsagentur,Anwalt oder es ist ohm selbst schon einmal passiert.

Es geht um folgendes. Die Firma in der mein Vater seit 4 Jahren arbeitet ist nun Pleite. Viele Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Es wurde aber gesagt sie sollten jetzt außerordentlich kündigen um noch 3 Monate volles Gehalt zu bekommen, danach halt Arbeitslosengeld. Mich wundert es nur, weil generell isses ja eher schlecht selber zu kündigen. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht eingeleitet. Und die Mitarbeiter werden nicht gekündigt, bekommen deshalb auch keine Abfindung. Anscheinend wird die Firma demnächst verkauft und dann sollen alle wieder eingestellt werden.

Ist das alles so in Ordnung oder sollte man sich lieber an den Rechtsschutz oder das Arbeitsamt wenden?

Grüße

Conny
 

Nathea

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Von wem wurde gesagt, die Kollegen sollten kündigen?

Wenn die Firma pleite ist, muss sie Insolvenz anmelden. Tut sie dies nicht, macht sie sich strafbar. In einem Insolvenzverfahren wird das Vermögen der Firma abgeschätzt und - wenn Rettungsversuche nicht machbar sind oder nicht fruchten - an die Gläubiger (also auch anteilig an die Kollegen) verteilt. Allerdings sind bei einer Pleite zumeist nicht besonders viele Werte zu verteilen.

Wenn die Firma noch nicht pleite ist und stattdessen (wie ich aus Deinen Worten entnehme) ein Käufer bereits in den Startlöchern steht, ist die Situation eine komplett andere. Die Käufer treten nämlich laut Gesetz mit dem Kauf die vollständige Rechtsnachfolge der alten an und haben auch die Mitarbeiter zu übernehmen. Es wäre natürlich praktisch für die neuen Eigentümer, wenn sie - anstelle "teure Altverträge" bezahlen zu müssen - gleich versierte Kollegen zu Billig-Tarifen neu einstellen könnten. Das geht aber nur, wenn diese Kollegen vorher selbst gekündigt hatten.

Die Frage nach demjenigen, der die Eigenkündigung empfohlen hat, habe ich nicht zuletzt wegen der bei einer Eigenkündigung folgenden 3-monatigen Sperre des Arbeitslosengeldes gestellt. Die, die selbst kündigen, schneiden sich auf diese Weise eigentlich ins eigene Fleisch. Wer auch immer das war, hat sicher nicht das Wohl der Kollegen im Sinn :(

Hat die Firma, in der Dein Vater arbeitet, einen Betriebsrat? Gibt es Gewerkschafts-Mitglieder?
 

Zeisel

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Die Gehälter der Mitarbeiter stehen bei Insolvenz an erster Stelle. Bei Insolvenz mangels Masse sind diese natürlich in der Regel verloren, dann gehen nachrangige erst recht leer aus, dann gibt es auch keinen Verkauf, und wenn doch, dann ist ja wieder Geld für die Gehälter da.

Wenn es am Ende nur um einen Verkauf geht ist das keine drohende Insolvenz sondern der Versuch, den Wert der Firma durch Ausdünnung der Personals zu steigern. Ich würde kündigen, wenn ich eine gute oder bessere Alternative hätte, mich aber auf keinen Fall auf die Floskel "Firma demnächst verkauft und dann sollen alle wieder eingestellt werden" einlassen - das ist Verarschung.
 

Nathea

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Habe mal nachgesehen, wie die Paragraphenlage aussieht. Im § 613 BGB ist die Rechtsnachfolge bei einem Betriebsübergang festgeschrieben. Bei Verdi ist gut zusammengestellt, was mit diesem Paragraphen alles zusammenhängt und geregelt ist.
 

Conny

Starking
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Empfohlen wurde das wohl vom Arbeitsamt. Das zahlt auch noch 3 Monate das volle Gehalt und dann das Arbeitslosengeld. Und es soll erst die Insolvenz für die jetzige Firma durchgeführt werden, damit der neue Investor nicht die Schulden zu übernehmen hat. Und wenn der neue dann noch schlechtere Arbeitsverträge anbietet kann das auch nicht mehr mit rechten Dingen zu gehen.

Es gab vor 3 Monaten neue abgespeckte Verträge wo sich die Mitarbeiter schon entscheiden mussten, ob sie den annehmen oder kündigen. Betreibsrat müsste ich mal nachfragen. Bei sovielen Mitarbeitern wäre es ja möglich aber mit Gewerkschaft ist da nichts.
 

Nathea

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Tut mir leid, aber das alles macht auf mich einen sehr befremdlichen Eindruck. Dass das Arbeitsamt derartige "Sanierungen" unterstützt, kann und mag ich mir nicht vorstellen.

Wenn ich Betroffener wäre, würde ich mich - bevor ich durch Kündigung eine Situation wie diese durch eigene Aktionen verschlimmere - anwaltlichen Rat einholen.
 

Conny

Starking
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Gut, wir haben eine Rechtsschutz Versicherung. Dann erkundige ich mich da einmal, mir kommt es auch alles sehr komisch vor.
 

Zeisel

Spätblühender Taffetapfe
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Betreibsrat müsste ich mal nachfragen.
Auch bei dem wäre ich vorsichtig, die wollen auch ihre Hälse retten, ich habe damit meine Erfahrung. Wir haben in anderer Situation mal die Firma über Verdi verklagt (da ging es allerdings um Ausgründung), der Betriebsrat hatte uns zu den neuen Verträgen geraten. Jetzt gibt es zwar eine Tochter, doch die Altbeschäftigten sind in der Mutterfirma geblieben. Zur Klage ist es am Ende auch gar nicht gekommen. Allerdings zum Streik... ;)

Tut mir leid, aber das alles macht auf mich einen sehr befremdlichen Eindruck. Dass das Arbeitsamt derartige "Sanierungen" unterstützt, kann und mag ich mir nicht vorstellen.
Du kannst Dir nicht vorstellen, WAS das Arbeitsamt alles unterstützt. Und was für krumme Verträge die mit ihren eigenen Angestellten haben. Und unter welchem Druck diese Angestellten stehen.

Gut, wir haben eine Rechtsschutz Versicherung. Dann erkundige ich mich da einmal, mir kommt es auch alles sehr komisch vor.
Umfasst die auch Arbeits- und Sozialrecht? Wenn ja, würde ich sofort einen Anwalt zu Rate ziehen und mir so zumindest Rechtssicherheit holen um die Folgen meines Handelns besser abzusehen.
 

Nathea

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Auch bei dem wäre ich vorsichtig, die wollen auch ihre Hälse retten, ich habe damit meine Erfahrung.
So pauschal würde ich an Deiner Stelle nicht urteilen.

Mag sein, dass Du schlechte Erfahrungen gemacht hast - es gibt aber ganz sicher in vielen Firmen Betriebsräte, die ihren Job echt gut machen und bei denen der Eigennutz eben nicht im Vordergrund steht.
 

.david

Filippas Apfel
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[...] es gibt aber ganz sicher in vielen Firmen Betriebsräte, die ihren Job echt gut machen und bei denen der Eigennutz eben nicht im Vordergrund steht.

Genau das wollte ich auch gerade schreiben. Dazu muß man wissen, dass die Unterscheidung zwischen mitbestimmungspflichtigen Vorgängen und individualrechtlichen Situationen beachtet werden muß. Nur erstere (wie z.B. der angesprochene Betriebsübergang nach 613a) sind durch den Betriebsrat auch zu begleiten, bei individuellen Vertragsangeboten kann der BR nur eingeschränkt tätig werden.
Drohende Insolvenzen sind auf jeden Fall dem Betriebsrat mitzuteilen (und zwar sofort!)...

Der Hinweis umgehend anwaltlichen Rat einzuholen ist auf jeden Fall richtig!

PS. Der ganze Vorgang hört sich aber (von Arbeitgeberseite) recht zweifelhaft an, sollte das genau so zutreffend sein;)
 

Conny

Starking
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Rechtsschutz beinhaltet Arbeits- und Sozialrecht. Hab eine Hotline die ich morgen erst einmal kostenfrei anrufen kann. Irgendwas ist noch mit 100€ Selbstbeteiligung, aber naja. Beim Arbeitsamt will ich auch noch mal anrufen. Wenn sie das wirklich unterstützen sollen sie es wenigstens schriftlich irgendwo nieder schreiben. Habe heute mal einen bekannten Juristen angerufen, der meinte das es schon rechtens ist. Aber er wusste jetzt auch nicht die Gesetzesgrundlagen, deswegen sichere ich mich da lieber nochmal genau ab. Und einen Betriebsrat gibt es dort auch nicht...ein Saftladen