Point-and-Click-Adventures erfreuten sich in den 1990er Jahren einer großen Beliebtheit. Klassiker wie Monkey Island, Indiana Jones oder Sam und Max wurden rauf und runter gespielt. Eines der wohl bekanntesten Adventures, DOTT – Day of the Tentacle, erfährt in diesen Tagen eine Renaissance: Das Kult-Game wird durch ein Fan-Projekt fortgesetzt. Es wird in diesen Stunden veröffentlicht. Der Preis: Kostenlos! 

DOTT

DOTT. Vielen Spielern braucht man nicht mehr zu sagen. Jeder, der dieses Spiel schon einmal gespielt hat, weiß, um was es geht. DOTT – Die Abkürzung für “Day of the Tentacle“, eines der wohl besten und vor allem lustigsten Point-and-Click-Adventures der 90er Jahre. Dabei handelte es sich bereits um eine Nachfolge, nämlich um die von “Maniac Mansion“. Viele der Charaktere des ersten Teils waren in der Fortsetzung nach 5 Jahren wieder anzutreffen. In Sachen Grafik und Witz war sie dem Vorgänger natürlich aufgrund der fortschreitenden Technik deutlich überlegen. Auch eine Sprachausgabe war nun vorhanden, die sämtliche Dialoge wiedergab und dem Spiel so eine völlig neue Atmosphäre bescherte.

Lucasarts

Verdanken konnten wir diese schön-verrückten Spiele der Softwareschmiede Lucasarts, welche später von Disney gekauft und dann leider aufgelöst wurde. Lucasarts wurde 1991 gegründet und entstand aus der 1982 von George Lucas gegründeten Firma Lucasfilm ltd. 2012 wurde die Firma dann an Disney verkauft, welche diese in 2013 einer Umstrukturierung unterwarf und die Firma seither nur noch als Lizenzgeber nutzt – Eine Ära kultiger Spiele mit herrlich verrücktem Genre war beendet.

DOTT

Aber zurück zu den Tentaceln. 1993 war dieser Teil erschienen und wurde seitdem nicht weiter fortgesetzt. Es wurden mehrere aktuelle Portierungen, unter anderem auf iOS, MacOS oder für die PS4 herausgebracht. Auch ein Remake der Grafiken mit höherer Auflösung war damit verbunden, denn wir erinnern uns: Die damaligen Spiele liefen fast alle auf 320 x 200 Bildpunkten – aus heutiger Sicht nicht mehr als ein Pixel-Gewitter. Dennoch haben findige Spieler das originale Image des Spiels (immerhin rd. 142 MB) mit der Emulations-Software ScummVM gespielt. Hiermit können fast alle damaligen Adventures gespielt werden.

Die Story ist ganz einfach erklärt: Der Wissenschaftler Dr. Fred Edison hat zwei Tentacle erschaffen. Eigentlich waren diese nur als eine Art Haustier gemacht worden. Eines war grün und eines purpur, was zu den liebevoll gewählten Namen “green” und “purple” führte. Purple, also das Purpur-Tentakel, trank von den giftigen Abwässern des Labors und unterlag daraufhin einer Mutation. Durch diese bekam er zwei kleine Ärmchen und – ob er vorher schon vorhanden war, ist nicht bekannt – einen starken Willen, die Welt zu beherrschen. Daraufhin folgte eine wilde Verfolgung über mehrere steuerbare Charaktere in verschiedenen Zeit-Epochen, um Purpur von seinem verrückten Plan abzuhalten und die Welt zu retten. – Ein irrer Spaß für viele Stunden, voller Rätsel und Witz. Ich erinnere mich noch, aufgrund der Dialoge, Tönen oder Animationen des öfteren dabei laut gelacht zu haben.

Das Fan-Projekt

Leider wurde es sehr still um dieses Spiel. Lucasarts war nicht mehr und an eine Fortsetzung war überhaupt nicht mehr zu denken. Bis ein paar Leute sich zusammen taten und einen verrückten Plan ausheckten: “Lasst uns doch mal eine Fortsetzung schreiben!”. – Hört sich leicht an, oder? Ist es aber bestimmt nicht! Denkt an die Grafiken, die Sounds, Sprachausgabe, dem Entwerfen von neuen Rätseln und zu allem Überfluss muss das Spiel ja auch noch programmiert werden – Eine Horroraufgabe! Diese kann nur mit Ausdauer, Fleiß und dem unbändigen Willen, das Projekt beenden zu wollen, gestemmt werden. Und das haben sie auch geschafft:

Wie ich von dem Apfeltalk-User 10tacle erfuhr, war er selbst an dem Projekt beteiligt. Er hat die Grafiken und Animationen erstellt. Nur über einen Zufall kam ich mit ihm in Kontakt, weil ich mich an seinem User-Avatar erfreute:

Bei diesem Anblick erinnert sich jeder, der dieses Spiel gespielt hat, sofort an die früheren Zeiten und so kam man mehr oder weniger ins Gespräch. Als ich dann die Querverbindung via Facebook, wo das Projekt unter “Return of the Tentacle” angemeldet ist, herstellen konnte, war mein Fieber wieder entfacht.

Entwicklungszeit

Ab und an schrieb ich dann den 10tacle mal an, da zum Teil über einen längeren Zeitraum nichts mehr zu lesen war, wie es denn voran ginge. Zwischenzeitlich war das ganze Projekt wohl auch mal auf der Kippe bzw. hing durch Weggang einiger Entwickler in der Schwebe. – Alles nicht so einfach, vor allem nicht, wenn alle Arbeiten in der Freizeit und ohne Entlohnung durchgeführt werden mussten. Wenn man die vorherigen Anfänge, die Projekt- und Enginewechsel sowie das Auseinanderbrechen des Teams und die Zeit des Brachliegen einmal ausblendet, hat das Team nach dem kompletten Neuanfang 2015 ca. 3,5 Jahre an dem Spiel gearbeitet.

Team

Wenn man sich vorstellt, dass heutzutage etwa genauso viele Menschen an einem Spiel wie an einem Spielfilm arbeiten, muss die Anzahl der Entwickler für “ROTT” ja immens hoch gewesen sein. Dem ist aber nicht so! Das Team bestand bis letztes Jahr noch aus Vier Entwicklern, bis letztes Jahr das letzte Mitglied hinzu kam.

• Zwei Entwickler kümmerten sich um die Story, die Rätsel sowie die Dialoge.
• Einem Entwickler wurde das Sounddesign sowie die Musik übertragen. (Den Soundtrack könnt ihr übrigens hier kostenlos herunterladen)
• Mittlerweile sind Zwei Programmierer für das Projekt tätig gewesen.
• Zu guter Letzt 10tacle, der für Grafik und Animation verantwortlich ist.

Hardware

Ohne einen PC ging es wohl nicht. Immerhin wird das Spiel auch für Windows entwickelt. Aber immerhin wurden sämtliche Grafiken und Animationen mit einem Apple MacBook Pro sowie einem iPad Pro mit dem Pencil erstellt.

Probleme

Wie schon erwähnt, gab es immer mal wieder Personalprobleme. Auf Facebook wurde auch öfters mal ein Hilferuf gestartet, dass helfende Hände gesucht würden. Aber es ist schwierig, hier die richtigen Helfer zu finden, denn nicht jeder möchte viel Arbeit in ein unbezahltes Projekt stecken. Auch ist vielleicht nicht jede helfende Hand gleich zu 100% einsetzbar oder überhaupt hilfreich, denn immerhin muss ja auch einer klaren Linie gefolgt werden. Aber die meisten Probleme waren: “Bugs Bugs Bugs”. Figuren gingen durch Wände oder drehten sich im Kreis, Sounds wurden falsch, an der falschen Stelle oder gar nicht abgespielt und und und. Die Beseitigung der Bugs war (und ist) eines der größten Hindernisse, mit denen die Entwickler sogar bis zur Veröffentlichung zu kämpfen hatten.

Multi-Lingual

Das Spiel wird zum Release 12 Sprachen unterstützen (!). Mehr als 65 Leute haben dabei geholfen, sämtliche Dialoge zu übersetzen. Das Spiel wird mit deutscher und englischer Sprachausgabe sowie mit Untertiteln in weiteren Sprachen veröffentlicht:

• Französisch
• Italienisch
• Spanisch (Europa sowie Latein Amerika)
• Niederländisch
• Schwedisch
• Finnisch
• Chinesisch
• Rumänisch
• Hebräisch

Weitere Sprachen sind noch in der Produktion und dürften folgen.

Release und Download

Der 21. Juli 2018 war als Release-Tag anvisiert worden. Dieser wird auch trotz der bis zuletzt andauernden Fehlerbehebung eingehalten werden (auch etwas, wovon sich die großen Spiele-Hersteller eine Scheibe abschneiden können!)

Das Spiel erscheint auf dem Download-Portal “itch.io” und wird ab ca. 15:30 Uhr Berliner Zeit für Windows und MacOS kostenlos veröffentlicht werden. Aufgrund der bis zuletzt andauernden Arbeiten konnte uns leider keine Vorab-Version zur Verfügung gestellt werden, einfach aus dem Grund, dass es noch keine installierbare Version gab. Ab 15:30 Uhr sind wir aber dran und werden mit zitternden Händen den Download starten.

Erfolg vorprogrammiert:

Ein Lob vorweg wäre falsch. Aber bei so viel Liebe zum Spiel und aufopferndem Einsatz kann das Spiel eigentlich nur gut werden, vor allem, wenn einem so ein Text hinter einer Antwort geschickt wird. Zitat:

“Aber für uns war es halt ein Herzensprojekt. Für uns alle ist DOTT schließlich eine der größten Kindheitserinnerungen (ich glaub das war sogar das erste Spiel, das ich generell gespielt habe damals. War mit meinem Bruder bei Toys r Us und da haben wir es gekauft). Man hat unglaublich viel Zeit da reingesteckt, selbst wenn man neben Studium und Job eigentlich keine Zeit mehr dafür hatte. Aber das Projekt ist einem einfach so dermaßen ans Herz gewachsen und so bedeutsam geworden, dass es einfach irgendwie zu Ende gebracht werden musste. Ab jetzt hoffen wir einfach nur noch, dass es den Leuten ein paar schöne Spielstunden beschert und nicht ganz so übel ankommt.”

Return of the Tentacle. Die Fortsetzung des Kult-Klassikers.

[Update 21.07.2018 18:00]

Nachdem der Download aufgrund technischer (Upload-) Probleme etwa eine halbe Stunde verzögert verfügbar war, konnten wir das Spiel einmal testen:

Schon der Vorspann ließ direkt an das Original erinnern. Nach einem kurzen Tutorial, welches dem Spieler die innovative Steuerung näher bringt, ging es dann los. Grafik, Dialogstimmen und vor allem die Musik des Spiels sind wirklich gut gemacht worden und sind ziemlich dem Original entsprechend. Der Grafikstil ist absolut beibehalten worden, die Räume sehen originalgetreu, nun aber hochaufgelöst aus, die Charaktere unterscheiden sich kaum zu den bekannten Figuren und die Stimmen sind auch sehr gut ausgesucht worden – zur Erinnerung: Es wurde komplett alles in Eigenarbeit entworfen und entwickelt.

Nach der ersten Spielstunde musste ich mich regelrecht losreißen. Ein klares „Daumen hoch“!

Titelbild: Return of the Tentacle