Jeder, der beim Start des Vorverkaufs schon mal den Webbrowser oder die Apple Store-App malträtiert hat, wird zumindest eines dieser Gefühle nachempfinden können: Aufregung, Panik, Glückseligkeit, Traurigkeit, Enttäuschung, Wut. All dies wird mehr oder weniger bewusst beim Versuch der Vorbestellung empfunden. 

Schon dies war, zumindest bei mir, dieses Mal nicht mehr der Fall. Natürlich wollte ich versuchen, eine Apple Watch der Serie 2, die mir bei der Präsentation am 7. September so gefiel, zu ergattern und natürlich wollte ich auch einen möglichst frühen Liefertermin bekommen. Aber irgend etwas war anders als sonst. Ich kann mich erinnern, dass ich bei der Bestellung meiner damaligen Apple Watch, die nach wie vor mein Handgelenk ziert, mit zittrigen Händen und innerlicher Anspannung versuchte, die App zum laufen zu bringen. Als der Store endlich wieder erreichbar war, überkam mich die Panik. Panik, überhaupt kein Produkt oder nur noch mit einer wahnwitzigen Lieferzeit zu bekommen. Dieses Mal nicht. Es war ein ganz normaler und fast schon automatisierter Ablauf einer Bestellung. Ich muss mir wohl eingestehen, dass ich bei diesem Kauf wohl nicht wirklich überzeugt war, unbedingt dieses Produkt haben zu müssen. Das ist schon irgendwie seltsam, denn bei der Apple Watch der ersten Generation sowie sämtlicher gekaufter iPhones war es doch noch so?

Hat Apple hier etwa etwas von seiner Magie eingebüßt?

Am 9. September konnte ich die neue Apple Watch bestellen. Ganz normal und ruhig. Hätte ich keine mehr bekommen, wäre es mir wohl auch egal gewesen (glaube ich). Als Liefertermin wurde mir der 4. Oktober genannt –  eine Wartezeit, die absolut auszuhalten ist. Schnell schossen die Lieferzeiten in die Höhe. Mich ereilte dabei aber weder ein Glücksgefühl noch irgendwas anderes. Ich habe es einfach so hingenommen. Keine Freude, die Uhr recht schnell erhalten zu können.

Da ich das Glück habe, in Hamburg gleich zwei Apple Stores zu haben und sogar in der Nähe eines Stores wohne, wollte ich natürlich versuchen, mir die Watch vor dem Liefertermin genauer anzusehen und – sofern vorhanden und für gut befunden – gleich mitzunehmen. So war ich heute, am 16. September im durch mehrere Security-Männer gesicherten, aber alles andere als brechend vollen Apple Store im Alstertaler Einkaufszentrum, um mal zu sehen, was diese neue Uhr denn so alles mehr kann als die, die sich treu und voll funktionsfähig an meinem Handgelenk befindet. Ich wurde direkt durchgewinkt und gleich von einer Mitarbeiterin des Apple Stores zu den Uhren geführt.

Ich teilte ihr mit, dass ich die Uhr nicht anprobieren, sondern nur den Unterschied untersuchen wolle. Alles kein Problem. Sie drückte mir eine Uhr in die Hand um etwas später zu bemerken, dass sie eine Watch der alten Serie erwischte. Die neue unterscheidet sich optisch an der Unterseite an den Sensoren. Nachdem ich dann ein neues Exemplar zum ausprobieren erhielt, war wieder keine Apple-Magie vorhanden. Natürlich war es eine neue Uhr. Der Reiz des Neuen… eine Männerkrankheit? Und etwas schneller schien sie auch zu sein. Testen konnte ich dies nur an den vorgefertigten Nachrichten, die ich an der Digital-Crown per Drehbewegung auf- und ab scrollen liess. Auf meiner Uhr suchte ich dann eine Nachricht – ohne Bilder, weil Nachrichten mit Bildern sind auf den Testgeräten nicht vorhanden – um diese ebenfalls auf- und ab scrollen zu lassen.

Ich muss zugeben, die Apple Watch Series 2 hat eine höhere Leistung als die der ersten Serie. Natürlich hat sie das. Sonst hätte Apple sich das Event am 7. September sparen können. Der Chat bewegte sich beim scrollen flüssiger auf und ab. Auch die Reaktionen beim Auswählen der Funktionen schienen schneller zu sein. Leider war die Karten-App beim Testgerät deaktiviert; das hätte mich im direkten Vergleich schon interessiert. Während ich die Uhr also ausprobierte und immer wieder mit meiner eigenen verglich, wurden mir von der Mitarbeiterin mehrere Armbänder gezeigt. Unter anderem das “Kakao”, welches mir eigentlich sehr gut gefiel und farblich auch zu einer Uhr in Space-Grey passen würde. Hier ereilte mich dann auf einmal kurzzeitig die Magie von Apple. Oder sie streifte mich wenigstens. Ich musste diese Uhr doch haben wollen? Neu. Schneller. Muss doch besser sein? Meinem Mund entkam die Frage, ob sie diese Uhr denn als 42er Sport in Space-Grey und dem Kakao-Armband da hätte. Gleichzeitig ereilte mich jedoch ein mulmiges Gefühl. Hab ich das wirklich gerade gesagt? – Nicht falsch verstehen… Ich habe keine Angst, Geld auszugeben. Ich liebe es. Nur gebe ich ungern Geld für Sachen aus, die für mich nicht wirklich von Nöten oder Nutzen sind. Daher habe ich mich ja auch dieses Jahr nicht zum Kauf eines der neuen iPhones entschlossen, sondern warte lieber das Jubiläums-Modell ab – sofern es überhaupt eines geben wird. Ich bin nämlich sehr zufrieden mit dem iPhone 6s. Ich habe derzeit absolut keinen Grund, mir ein neues iPhone zu kaufen. Auch dieses Gefühl war neu für mich. Sollte es mit der Uhr genau so sein?

Mein gewähltes Modell war nicht mehr vorrätig. Sie würde es aber für mich bestellen und begab sich mit mir zu einem der im Store ausgestellten MacBooks, um die Bestellung online durchzuführen. Sie bekämen zwar immer wieder neue Ware aber wie immer gilt: Sie wissen nicht wann oder wie viele. Da ich ja den 4. Oktober als Lieferdatum fix hatte und ihre Bestellung deutlich später ausgeliefert werden würde, bedankte ich mich für die nette Beratung und verließ zusammen mit meiner Frau den Store.

Schon auf dem Heimweg fing ich an dem Nutzen der neuen Apple Watch zu zweifeln und teilte meiner Frau mit, dass ich wohl bei meiner alten Uhr bleiben und auf den Kauf verzichten würde. War das zu fassen? Gerade mal 5 Minuten, nachdem ich nach der Verfügbarkeit der Uhr gefragt hatte und dadurch eigentlich eine Kaufabsicht mitteilte, drehte sich das Verlangen um 180 Grad in die andere Richtung. Ich muss mir das irgendwie innerhalb der zehnminütigen Testphase überlegt haben und komme, wenn ich nun wirklich darüber nachdenke, zu folgenden Pro- und Kontrapunkten:

Pro:

• Eine neue Uhr statt der 1,5 Jahre alten Zwiebel
• Schnellere CPU. Die etwas höhere Geschwindigkeit war doch schon zu bemerken.
• Eigene GPS-Funktion. Für Sportler ein absoluter Kaufgrund.
• Wasserdicht bis 50m, ebenfalls für Sportler gut.

Kontra:

• Die vorhandene Apple Watch funktioniert nicht minder gut
• Der Geschwindigkeitszuwachs war (auf den ersten Blick) nicht so groß, dass er mich von den Socken gehauen hätte
• Ich müsste nun  € 450,- ausgeben, um diese Uhr mein Eigen nennen zu können
• Optisch kein Unterschied zu erkennen. Also “Posing” als Kaufgrund fällt schon mal flach
• Ich nutze die Uhr nicht für sportliche Zwecke, daher vermisse ich die Funktionen nicht wirklich.
• WatchOS 3 läuft auch gut auf der ersten Uhr
• Der Reiz des Neuen verblasste bereits im Apple Store

Fazit:

Die Apple Watch Serie 2 ist toll. Keine Frage. Jeder, der bisher an der Uhr zweifelte und sie sich deshalb nicht zulegte, sollte in der neuen Version einen Grund finden können, sich dieses mobile Apple-Gadget nun anzuschaffen. Die meisten Zweifel am Nutzen einer Smart-Watch dürften verflogen sein. Für die Besitzer der ersten Generation dieser Uhr könnte meines Erachtens nur der Reiz des Neuen, das schmerzliche Vermissen der GPS-Funktion oder der Wasserdichtheit ein Kaufgrund sein. Klar, ist die neue Uhr schneller, die Bewegungen laufen flüssiger, Apps werden schneller gestartet und das Display ist auch besser und heller geworden,  aber im direkten Vergleich hat mich das nun nicht überzeugt, meine vorhandene Uhr in Rente zu schicken. Ich hatte beide Uhren in der Hand und habe an beiden die selben Funktionen ausprobiert, ohne dass ich mich direkt in die neue Apple Watch verliebt habe. Genau genommen hätte mir meine bisherige Uhr sogar etwas leid getan, wenn ich diese nun gegen die neue für viel Geld ausgetauscht hätte. Dafür, dass ich für meine “alte” Apple Watch im Falle eines Verkaufs aufgrund des Alters sowie der gefallenen Preise von Apple gerade mal die Hälfte des nun aktuellen Kaufpreises bekäme, ist mir die Investition in die neue Uhr zu schade. Der Faktor “neu und besser” ist mir im Vergleich einfach zu teuer. Ich bin zufrieden mit meiner Apple Watch. Sie hält bei meiner Benutzung 2 Tage durch und macht das, was ich von ihr erwarte. Schneller geht immer. Aber Geld in der Tasche habe ich auch gerne. Daher habe ich mich – wenn auch mit einer etwas schweren Entscheidung – dazu entschlossen, den Kauf der Apple Watch Serie 2 zu stornieren.

Natürlich werde ich die zukünftigen Produkte ebenso neugierig erwarten, wie sonst auch. Aber Apple muss sich schon etwas einfallen lassen (oder es muss ein vorhandenes Gerät zur richtigen Zeit kaputt gehen), um mich zu einem Neukauf zu bewegen. Apple muss in mir die “Magie von Apple” und dadurch das “Must-have-Gefühl” wieder zum Leben erwecken.