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Netzneutralität, Technik und das Leben...

Moriarty

Pommerscher Krummstiel
Registriert
17.05.04
Beiträge
3.057
In der letzten Zeit stolpere ich immer häufiger über sowas: Bildschirmfoto 2011-06-11 um 10.43.22.jpg oder ähnliches. Ich merke auch, dass ich von den Informationen, die ich im Internet lese, immer weniger klar definieren kann, ob sie aus vollkommen privater Quelle stammen oder ein Unternehmen dahintersteckt. Mit user-generated-content aufgebaute Plattformen wie Technorati.com haben sich zu millionenschweren Unternehmen entwickelt.
Beim Verkauf der Huffington Post - auch aufgebaut aus den Blogbeiträgen tausender User, wurden diese kaum beteiligt am Millionenumsatz, was nicht nur zu bösen Diskussionen in der Netzgemeinschaft sondern auch zu einer Flut an Sammelklagen führte.

Ich selbst nutze mit meinen 30+ Jahren intensiv das Internet, fast mein halbes Leben lang. Damit bin ich kein Nutzer der "ersten Stunde", aber doch schon seit Zeiten dabei, in denen das alles noch etwas übersichtlicher war. Erste Schritte mit BTX, das Einwählgeräusch des analogen Modems, Netscape, AOL, Newsgroups, erste Chaträume, Foren, dann der Boom des Web 2.0, sozialer Vernetzung... die Pop-Soziologen drücken meiner Generation gern den Stempel "digital natives" auf.

So ist man auch kein Nerd mehr, wenn man sich sein halbes Leben lang intensiv mit IT beschäftigt hat, man hört von fast jedem Gleichaltrigen die selben verklärten Erinnerungen an C64, Amiga, Internet-Frühzeit und dergleichen. In dieser Frühzeit - vielleicht verstehen das manche, die erst seit Facebook-Zeiten "dabei" sind, nicht richtig - hatte es noch etwas unheimlich fesselndes, fast magisches, weltweit mit Menschen in Echtzeit per Text zu kommunizieren. Oder Inhalte, die man selbst produziert hatte, irgendwie mit HTML der Weltöffentlichkeit zugänglich zu machen. Wo Online-Minuten fast ebenso teuer waren wie Ferngespräche, wurde sich verabredet, abends 15 min. lang mit Bekannten am anderen Ende der Welt, die gerade aufgestanden waren, zu chatten.
Daraus erwuchs bei vielen, die sich mit der Technik auskannten, das alles spielerisch bedienen konnten, das Gefühl, zu "einem Kreis" zu gehören, wie sich Menschen, die sich mit etwas auskennen, was der Großteil nicht kann, immer irgendwie "verbunden" sehen.

Damals gab es Usertreffen, wo man sich mit Leuten regelmäßig in Cafés traf, um zusammen über neue technische Möglichkeiten zu philosophieren, oder man kommunizierte über Newsgroups, die mit ihrer reinen Textdarstellung und ihrer "geheimnisvollen" eigenen Sprache voll von Abkürzungen Aussenstehende eher abschreckte als einlud...

Bei denen, die sich mit der Technik auskannten, sie nutzen, Inhalte schafften, erwuchs ein Gefühl von Kontrolle über diese Materie. Das Internet war noch nicht so recht erkannt als Geschäftsmodell, erst recht nicht als Betätigungsfeld staatlicher Institutionen, da erblühte der Traum von vollständiger Demokratie und Selbstbestimmung im virtuellen Raum. In dieser Zeit wurden kritische Portale geschaffen, wo unzensiert die Politik kritisiert werden konnte, oder wo ehrliche Tests bewiesen konnten, dass das neue Produkt XY völlig untauglich ist.
In meinem Bekanntenkreis gründeten Leute ein großes Blog, welches sich mit der kommunalen Politik befasst, und das heute noch läuft.

Die Community solcher "Netzbewohner" hat seit dem viele Bezeichnungen getragen, manche selbst gegeben, manche aufgestempelt. "Digitale Boheme", "Generation Internet" - die langjährigen Nutzer verbindet heute immer noch das Gefühl, sich selbst wie selbstverständlich durch den digitalen Dschungel zu bewegen, mehr darüber zu wissen als Otto-Normalnutzer, und vor allem, irgendwie ein wenig der Kontrolle zu entfliehen. Schaut man mal genau hin, macht sich dennoch Ernüchterung breit - und da sind wir wieder im ersten Absatz.

Wenn man bedenkt, wie sich das Internet in den letzten 15 Jahren entwickelt hat, wie sehr sich die "Generation Internet" eingebracht hat - im kleinen bis hin zu großen Aktionen wie der "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace", dem stetigen Fordern von Netzneutralität, Medienkompetenzen... so muss man doch erkennen, dass irgendwie all das nichts gebracht hat.

Man trifft sich immer noch in den selben Bohemian-Cafes, philosophiert mit einem Touch von Verschwörung über die neuesten Entwicklungen im Netz, tippt immer noch kritische Artikel in sein Netbook. Dennoch sind sie alle Teil des Systems, des Geschäftsmodells Internet - oftmals ohne es groß zu merken. Man nutzt - um zum obigen Screenshot-Beispiel zurückzukommen - einen Proxi um das Youtube-Video aus den USA doch sehen zu können - und fühlt sich wie der Hacker und Rebell schlechthin. Dennoch bewegt man sich genauso mit der Masse aus Facebook-Hausfrauen und Computerbild-Lesern im schön kontrollierten und abgesteckten Claim im Internet.

Man kann sich auch heute noch komplett aus dem fremdbestimmten Internet entziehen - aber da gehörte schon immer wirkliches technisches Wissen und viel, viel Energie und Herzblut zu. "Mal eben" wird keiner Teil der Subkultur, die _wirklich_ frei von staatlichen Eingriffen Inhalte ins Netz stellt. Die _wirklich_ nicht Gefahr läuft, nach einem Download abgemahnt zu werden.. und die _wirklich_ die Inhalte zu sehen bekommt, die sie sehen will, nicht soll. Und diese Subkultur ist kleiner, als man denkt.
Da helfen auch keine verklärten Erinnerungen an vergangene Tage, denn mehr als mit dem Internet "rumgespielt" oder vielleicht sogar ein bisschen Geld verdient, indem man denen, die garnichts davon verstehen, Inhalte erstellt hat, haben die wenigsten in ihrem Leben.

___
Ich weiss eigentlich garnicht genau, was ich mit dieser "Abhandlung" verdeutlichen will ;)
Vielleicht einfach eine lockere Gesprächsrunde mit Euren Meinungen und Ergänzungen aufmachen...

Viele Grüße
Dennis
 

nev03

Freiherr von Berlepsch
Registriert
18.05.07
Beiträge
1.104
Dennoch sind sie alle Teil des Systems, des Geschäftsmodells Internet - oftmals ohne es groß zu merken. Man nutzt - um zum obigen Screenshot-Beispiel zurückzukommen - einen Proxi um das Youtube-Video aus den USA doch sehen zu können - und fühlt sich wie der Hacker und Rebell schlechthin. Dennoch bewegt man sich genauso mit der Masse aus Facebook-Hausfrauen und Computerbild-Lesern im schön kontrollierten und abgesteckten Claim im Internet.
Problematisch ist besonders das dieser Claim von immer weniger Firmen kontrolliert wird, die dafür umso mächtiger werden. Facebook und Google "monopolisieren" das Internet mittlerweile regelrecht und haben einen größeren Gesellschaftlichen Einfluss. Zum Beispiel drängt mich mein Umfeld zunehmend dazu Mitglied bei Facebook zu werden, weil dort deren ganze Kommunikation abläuft. Diese transnationalen Monopole sorgen für eine hohe Abhängigkeit und können mit ihren Nutzern (bzw ihren Daten) quasi machen was sie wollen. Andererseits wächst die politische Einflussnahme immer weiter, oft auch unter dem Deckmantel von irgendwelchen unsinnigen Jugendschutzmaßnahmen oder im übertriebenen Sinne von Rechteinhabern. Wie man es dreht und wendet die momentane Entwicklung gefährdet in meinen Augen unsere Freiheit im Netz. - just my 2 cents