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Hallo Zusammen,
heute möchte ich euch mein kleines Gedankenexperiment vorstellen, welches mir schon einige Jahre im Kopf herumschwirrt.
Häufig ist in der Presse von Lohndumping, Ausbeutung und anderen Schattenseiten großer Wirtschaftsunternehmen zu lesen, und wir als Bürger können eigentlich nur mit dem Zeigefinger wedeln, aber nichts wirklich effektiv dagegen tun. Die Politik ist meist zu träge, um rechtzeitig auf die Missstände zu reagieren. Wie kann man jedoch mehr als Otto-Normal-Bürger mitentscheiden, oder aktiv gegen einen Missstand vorgehen?
Klar ist, dass die Machtzentren sich zunehmend in private Unternehmen verlagern—wenn man so will sind die Zeiten vom "starken Staat" vorbei. Das Problem dabei ist, dass solche Unternehmen meistens Oligarchien sind, salopp gesagt werden sie von einer Minderheit kontrolliert. Unternehmensintern sind demokratische Strukturen oft nicht vorhanden, was bedeutet, dass Mitarbeiter und Kunden, also "die Bürger", kein großes Mitspracherecht bei der Gestaltung der Unternehmung haben.
Dem Kunden bleibt lediglich übrig mit dem Geldbeutel zu "wählen", was aber nur ein sehr passives Ausdrucksmittel ist. Wenn der Mitarbeiter mit seiner Meinung zu ungemütlich wird, kann er schnell mundtot gemacht werden bzw. wird im Zweifel einfach gegen ein anderes funktionierendes Zahnrad ausgetauscht.
AG's sind schon demokratisch…
Ich persönlich finde, dass die Aktiengesellschaft eine der besten Gesellschaftsformen ist, da sie vom Prinzip her basisdemokratisch ist.
Jeder Anteilseigner hat das Recht Gehör zu finden bzw. hat aktives Mitbestimmungsrecht. Jedoch ist es so, dass die größten Kapitaleigner auch gleichzeitig das größte Stimmgewicht haben und sich die AG somit oft bei ein Oligarchie wieder findet.
Aber wäre es nicht auch wichtig, dass neben den Investoren (etc.) auch noch andere Menschen Mitspracherecht haben? Jene Menschen, für welche dieses Unternehmen ursprünglich gegründet wurde? Gerade mit wachsender Größe des Unternehmens wächst die Macht und die Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt—und nicht nur allein gegenüber der Ökonomie. Nur Kunden bzw. die Mitarbeiter können einen solchen Pluralismus in eine Unternehmung bringen. (Wobei Mitarbeiter natürlich von Natur aus an diversen Entscheidungen durchaus beteiligt sind.)
Die Grundidee
Wenn man also will, dass eine Unternehmung nicht nur vertikal Skaliert (also insbesondere Ökonomisch), sondern horizontal skaliert, also zudem auch noch Gesellschaftlich sowie Ökologisch, wäre es nicht verkehrt Kunden sowie Mitarbeiter als Anteilseigner in einem kontinuierlichen Prozess aufzunehmen.
Auf diese Art würde mit zunehmender Größe/Macht eines Unternehmens die Anteile dieser Gruppe ansteigen. Das hätte also zur Folge, dass ein Unternehmen mit wachsendem Alter und Größe immer mehr kommunalisiert (hier im Sinne von vergemeinschaftlicht/gemeinnützig) würde und mit der demokratischen Ordnung und Verantwortung skaliert; dank der möglichen und direkten Bürgerbeteiligung.
Weiterer Vorteil wäre, dass das Unternehmen in der Gründungsphase recht leichtgewichtig an Investoren bzw. auch Kleininvestoren, wie z.B. durch Crowdfounding, kommen kann. Die Gründer haben Anfangs einen hohen Anteil, da Anfangs noch wenige Kunden und Arbeitnehmer vorhanden sind, d.h. sie haben quasi freie Hand in der Gestaltung. Wächst das Unternehmen und wird erfolgreich sorgt die zunehmende Kommunalisierung für eine gesunde, pluralistische und demokratische Struktur. Die Folge wäre, dass der Staat weniger regulieren muss, da die Bürger direkt mit den betreffenden Unternehmen effizient interagieren können, so dass eine verantwortungsbewusste Selbstregulierung stattfindet.
Das ist u.a. mein Verständnis für eine demokratische Gesellschaft bzw. demokratischen Staat worin alle Elemente, wie auch die Unternehmen, eine demokratische Kultur pflegen.
Beispiel
Ein einfaches hypothetisches Beispiel wie eine "soziale AG" in meinem Sinne auf Buchungsebene funktionieren könnte:
Angenommen die Firma hat ein Produkt welches für 2000 Euro über die Ladentheke geht, mit einer Marge von 30% und 20% Steuern; also pro Verkauf ca. 500 Euro Gewinn.
Weiterhin wird angenommen, dass jeder Kunde 20% von der Marge als Unternehmensanteil erhält (welchen er natürlich nicht sofort einlösen kann); das entspricht also 100 Euro. Vorteil für das Unternehmen ist, dass das Geld als Einlage für eine längere Zeit im Unternehmen bleibt, womit gearbeitet werden kann; des weiteren werden Kunden eventuell sogar höhere Margen akzeptieren.
Selbiges gilt für Mitarbeiter, die Teile ihres Gehaltes als Unternehmensanteil erhalten (und zwar auch die Putzfrau!). Dies wirkt als Wertschätzung, Ansporn und attraktive Finanzanlage. Zudem erhält der Mitarbeiter ein erweitertes und tiefergehenderes Mitspracherecht am Unternehmen selbst.
Das würde aber bedeuten, dass die AG bei jedem Verkauf des Produktes neue Anteile generieren muss, was auch die prozentualen Anteile eines jeden Eigners beeinflusst. Also schlussendlich die Kommunalisierung, d.h. das Unternehmen gehört nach einer längeren Zeit irgendwann zum größten Teil "Allen". Hier unterscheidet sich diese Idee vermutlich von den herkömmlichen Aktiengesellschaften.
Im Anhang das triviale Berechnungsmodell als Libre/OpenOffice Tabelle. Wie man sieht gewinnt Jeder pro Verkauf. Zudem hat der Kunde ein größeres Interesse daran, dass Andere auch Kunde werden da dadurch seine Anteile mehr wert werden (zumindest wenn das Produkt was taugt).
Wenn das Unternehmen z.B. investiert wirkt sich das natürlich auch aus, wobei Werte wie Maschinen oder Gebäude auch in diese Berechnung einfließen können (was also Werten ohne Anteil entspricht, da es sinnvoll ist wenn nur natürliche oder juristische Personen Anteile halten dürfen).
Philosophie
Wenn jetzt z.B. durch die Medien ein Missstand im o.g. Unternehmen aufgedeckt wird, wären den Kunden (und auch den Mitarbeitern) nicht mehr die Hände gebunden. Ein Facebook-Like oder Twitter-Hashtag könnte tatsächlich etwas bewirken; denn wenn sich die anteilshabenden Kunden zusammenschließen können sie dem Unternehmen gefährlich werden bzw. sie haben das Recht in der Unternehmenspolitik (u.U. gewichtig) mitsprechen zu dürfen.
Wenn man die Tabelle gemäß des einfachen Berechnungsmodells so vergrößert, dass 1000 Kunden das Produkt gekauft haben, besitzen diese in dem hier genannten Modell schon einen gemeinsamen Anteil von rund 33%. Man kann also definitiv mehr machen, als nur meckern oder dort nicht mehr zu kaufen!
Fragen
Was haltet ihr davon?
Würdet ihr eine solche (neue) Rechtsform gutheißen?
Könnte ein solches Konzept den Spagat zwischen Wirtschaftsliberalismus und sozialer Marktwirtschaft schaffen?
Wäre so etwas sinnvoll?
Was gibt es für Stärken und Schwächen?
Hätte eine solche Gesellschaftsform das Potential auf natürliche weise ein verantwortungsvolles Wirtschaften ohne große Regularien zu ermöglichen?
Könnte eine solche Struktur ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen Ökonomie, Gesellschaft und Ökologie herstellen?
heute möchte ich euch mein kleines Gedankenexperiment vorstellen, welches mir schon einige Jahre im Kopf herumschwirrt.
Häufig ist in der Presse von Lohndumping, Ausbeutung und anderen Schattenseiten großer Wirtschaftsunternehmen zu lesen, und wir als Bürger können eigentlich nur mit dem Zeigefinger wedeln, aber nichts wirklich effektiv dagegen tun. Die Politik ist meist zu träge, um rechtzeitig auf die Missstände zu reagieren. Wie kann man jedoch mehr als Otto-Normal-Bürger mitentscheiden, oder aktiv gegen einen Missstand vorgehen?
Klar ist, dass die Machtzentren sich zunehmend in private Unternehmen verlagern—wenn man so will sind die Zeiten vom "starken Staat" vorbei. Das Problem dabei ist, dass solche Unternehmen meistens Oligarchien sind, salopp gesagt werden sie von einer Minderheit kontrolliert. Unternehmensintern sind demokratische Strukturen oft nicht vorhanden, was bedeutet, dass Mitarbeiter und Kunden, also "die Bürger", kein großes Mitspracherecht bei der Gestaltung der Unternehmung haben.
Dem Kunden bleibt lediglich übrig mit dem Geldbeutel zu "wählen", was aber nur ein sehr passives Ausdrucksmittel ist. Wenn der Mitarbeiter mit seiner Meinung zu ungemütlich wird, kann er schnell mundtot gemacht werden bzw. wird im Zweifel einfach gegen ein anderes funktionierendes Zahnrad ausgetauscht.
AG's sind schon demokratisch…
Ich persönlich finde, dass die Aktiengesellschaft eine der besten Gesellschaftsformen ist, da sie vom Prinzip her basisdemokratisch ist.
Jeder Anteilseigner hat das Recht Gehör zu finden bzw. hat aktives Mitbestimmungsrecht. Jedoch ist es so, dass die größten Kapitaleigner auch gleichzeitig das größte Stimmgewicht haben und sich die AG somit oft bei ein Oligarchie wieder findet.
Aber wäre es nicht auch wichtig, dass neben den Investoren (etc.) auch noch andere Menschen Mitspracherecht haben? Jene Menschen, für welche dieses Unternehmen ursprünglich gegründet wurde? Gerade mit wachsender Größe des Unternehmens wächst die Macht und die Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt—und nicht nur allein gegenüber der Ökonomie. Nur Kunden bzw. die Mitarbeiter können einen solchen Pluralismus in eine Unternehmung bringen. (Wobei Mitarbeiter natürlich von Natur aus an diversen Entscheidungen durchaus beteiligt sind.)
Die Grundidee
Wenn man also will, dass eine Unternehmung nicht nur vertikal Skaliert (also insbesondere Ökonomisch), sondern horizontal skaliert, also zudem auch noch Gesellschaftlich sowie Ökologisch, wäre es nicht verkehrt Kunden sowie Mitarbeiter als Anteilseigner in einem kontinuierlichen Prozess aufzunehmen.
Auf diese Art würde mit zunehmender Größe/Macht eines Unternehmens die Anteile dieser Gruppe ansteigen. Das hätte also zur Folge, dass ein Unternehmen mit wachsendem Alter und Größe immer mehr kommunalisiert (hier im Sinne von vergemeinschaftlicht/gemeinnützig) würde und mit der demokratischen Ordnung und Verantwortung skaliert; dank der möglichen und direkten Bürgerbeteiligung.
Weiterer Vorteil wäre, dass das Unternehmen in der Gründungsphase recht leichtgewichtig an Investoren bzw. auch Kleininvestoren, wie z.B. durch Crowdfounding, kommen kann. Die Gründer haben Anfangs einen hohen Anteil, da Anfangs noch wenige Kunden und Arbeitnehmer vorhanden sind, d.h. sie haben quasi freie Hand in der Gestaltung. Wächst das Unternehmen und wird erfolgreich sorgt die zunehmende Kommunalisierung für eine gesunde, pluralistische und demokratische Struktur. Die Folge wäre, dass der Staat weniger regulieren muss, da die Bürger direkt mit den betreffenden Unternehmen effizient interagieren können, so dass eine verantwortungsbewusste Selbstregulierung stattfindet.
Das ist u.a. mein Verständnis für eine demokratische Gesellschaft bzw. demokratischen Staat worin alle Elemente, wie auch die Unternehmen, eine demokratische Kultur pflegen.
Beispiel
Ein einfaches hypothetisches Beispiel wie eine "soziale AG" in meinem Sinne auf Buchungsebene funktionieren könnte:
Angenommen die Firma hat ein Produkt welches für 2000 Euro über die Ladentheke geht, mit einer Marge von 30% und 20% Steuern; also pro Verkauf ca. 500 Euro Gewinn.
Weiterhin wird angenommen, dass jeder Kunde 20% von der Marge als Unternehmensanteil erhält (welchen er natürlich nicht sofort einlösen kann); das entspricht also 100 Euro. Vorteil für das Unternehmen ist, dass das Geld als Einlage für eine längere Zeit im Unternehmen bleibt, womit gearbeitet werden kann; des weiteren werden Kunden eventuell sogar höhere Margen akzeptieren.
Selbiges gilt für Mitarbeiter, die Teile ihres Gehaltes als Unternehmensanteil erhalten (und zwar auch die Putzfrau!). Dies wirkt als Wertschätzung, Ansporn und attraktive Finanzanlage. Zudem erhält der Mitarbeiter ein erweitertes und tiefergehenderes Mitspracherecht am Unternehmen selbst.
Das würde aber bedeuten, dass die AG bei jedem Verkauf des Produktes neue Anteile generieren muss, was auch die prozentualen Anteile eines jeden Eigners beeinflusst. Also schlussendlich die Kommunalisierung, d.h. das Unternehmen gehört nach einer längeren Zeit irgendwann zum größten Teil "Allen". Hier unterscheidet sich diese Idee vermutlich von den herkömmlichen Aktiengesellschaften.
Im Anhang das triviale Berechnungsmodell als Libre/OpenOffice Tabelle. Wie man sieht gewinnt Jeder pro Verkauf. Zudem hat der Kunde ein größeres Interesse daran, dass Andere auch Kunde werden da dadurch seine Anteile mehr wert werden (zumindest wenn das Produkt was taugt).
Wenn das Unternehmen z.B. investiert wirkt sich das natürlich auch aus, wobei Werte wie Maschinen oder Gebäude auch in diese Berechnung einfließen können (was also Werten ohne Anteil entspricht, da es sinnvoll ist wenn nur natürliche oder juristische Personen Anteile halten dürfen).
Philosophie
Wenn jetzt z.B. durch die Medien ein Missstand im o.g. Unternehmen aufgedeckt wird, wären den Kunden (und auch den Mitarbeitern) nicht mehr die Hände gebunden. Ein Facebook-Like oder Twitter-Hashtag könnte tatsächlich etwas bewirken; denn wenn sich die anteilshabenden Kunden zusammenschließen können sie dem Unternehmen gefährlich werden bzw. sie haben das Recht in der Unternehmenspolitik (u.U. gewichtig) mitsprechen zu dürfen.
Wenn man die Tabelle gemäß des einfachen Berechnungsmodells so vergrößert, dass 1000 Kunden das Produkt gekauft haben, besitzen diese in dem hier genannten Modell schon einen gemeinsamen Anteil von rund 33%. Man kann also definitiv mehr machen, als nur meckern oder dort nicht mehr zu kaufen!
Fragen
Was haltet ihr davon?
Würdet ihr eine solche (neue) Rechtsform gutheißen?
Könnte ein solches Konzept den Spagat zwischen Wirtschaftsliberalismus und sozialer Marktwirtschaft schaffen?
Wäre so etwas sinnvoll?
Was gibt es für Stärken und Schwächen?
Hätte eine solche Gesellschaftsform das Potential auf natürliche weise ein verantwortungsvolles Wirtschaften ohne große Regularien zu ermöglichen?
Könnte eine solche Struktur ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen Ökonomie, Gesellschaft und Ökologie herstellen?