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Hier ein sehr guter Artikel zum neuen EU Staatsvertrag:
Schwindel als Staatsräson
Die EU gibt sich keine neue Verfassung, sondern einen neuen Vertrag, der fast alles bringt, was in der Verfassung stand, aber nicht so heisst.
Am Ende haben sich die Polen als die nützlichsten Europäer erwiesen. Ihr grimmiger Kampf um ein paar Stimmen im Ministerrat hat perfekt davon abgelenkt, was die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedländer der Europäischen Union am vergangenen Samstag wirklich beschlossen haben. Während der Öffentlichkeit das Spektakel eines Gipfels der letzten Chance geboten wurde, wo man mit Argumenten aus dem Zweiten Weltkrieg focht, wo es zu- und herging, als ob die Deutschen kurz vor dem Einmarsch nach Schlesien stünden, kassierte die EU unbemerkt zwei Volksentscheide. Epochale Volksentscheide. Mit grossen Mehrheiten hatten die Franzosen und die Niederländer vor zwei Jahren die EU-Verfassung abgelehnt. Wie immer, wenn es etwas rumpelt, spielte die EU danach auf Zeit und verordnete sich eine Denkpause, um ein paar Jahre später, als wäre nichts geschehen, mit dem gleichen Vorschlag anzutreten.
Tatsächlich hat die EU zwar einige Bezeichnungen geändert, ein paar allzu verständliche Etiketten ausgetauscht, um sie mit unklaren Begriffen zu ersetzen: In der Substanz wird der neue Reformvertrag all das bringen, was die Verfassung vorsah. Trotz negativem Volksentscheid wird die EU also ein Staatsoberhaupt erhalten und eine eigene Rechtspersönlichkeit bilden, was es ihr wie einem normalen Land erlaubt, Verträge mit anderen Ländern abzuschliessen. Neuerdings wird es einen Aussenminister geben, den man zwar nicht mehr so nennt, sondern viel bescheidener «Hoher Repräsentant für Aussen- und Sicherheitspolitik», dessen Kompetenzen aber genau jenen entsprechen, welche die gescheiterte Verfassung ihm verleihen wollte. So kann der EU-«Aussenminister» im Namen von England im Uno-Sicherheitsrat sprechen, wenn es um eine Position geht, wo die EU sich einig ist. Für eine ehemalige Grossmacht ein unerhörter Souveränitätsverlust. Das wird unterstrichen durch den Aufbau eigener EU-Botschaften.
Abschaffung der Demokratie
Ebenso gilt in manchen Fragen im Ministerrat keine Einstimmigkeit mehr, was es den Bürgern der Mitgliedstaaten noch schwerer macht, Regierungen für ihre Entscheide in Brüssel verantwortlich zu machen. Es vertieft den Mangel an Demokratie in der EU. Ein Beispiel, wie es der ehemalige deutsche Bundespräsident und Verfassungsrichter Roman Herzog unlängst beschrieben hat, mag das verdeutlichen: Wenn ein Umweltminister sich heute in seiner Regierung nicht durchsetzt und im nationalen Parlament keine Mehrheit findet, geht er mit Vorliebe nach Brüssel, um sein Anliegen im Rat der EU-Fachminister beschliessen zu lassen. Ist dies geschehen, kommt er mit einer EU-Direktive zurück, die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss. So wird die parlamentarische Demokratie ausgehebelt. Der von Einspruch unbehelligte Transfer von Macht nach Brüssel hält unvermindert an.
Die europäische Verfassung war der rare Versuch der EU-Politiker, ehrlich zu sein und den Bürgern klarzumachen, worum es geht. «Verfassung»: Hier erkennt jeder Bürger, dass das Fernziel der EU ein neuer, grösserer Staat ist, der die alten Nationalstaaten ablöst. «Aussenminister»: Dieses Wort steht für eine der ureigensten Domänen eines souveränen Landes. Eine eigene Hymne, eine Europa-Flagge: Solche Symbole offenbarten den Anspruch der EU. Die Ehrlichkeit zahlte sich für die ehrgeizigen EU-Politiker nicht aus. Zwar wird da und dort behauptet, man wisse nicht so genau, warum die Franzosen und die Niederländer die Verfassung abgelehnt hätten: Vielleicht haben sie sie nicht verstanden, die Globalisierung schreckte sie auf, womöglich passte ihnen die eigene Regierung nicht mehr. Doch in den Konsequenzen, die die EU zog, zeigt sich, dass die Politiker genau wissen, was die Bürger abschreckte. Sorgfältig wurden alle Hinweise auf einen Superstaat entfernt, keine Flagge, keine Hymne, keine verfänglichen Begriffe, keine klare Sprache mehr. Gleichzeitig lassen die Politiker erkennen, was sie vom Bürger halten: nichts. Eine normale demokratische Regierung wäre nach solchen Volksentscheiden über die Bücher und hätte eine substanziell veränderte Vorlage präsentiert. Wenn überhaupt. Wäre in der Schweiz eine -Erhöhung des AHV-Alters auf 67 in einer Volksabstimmung abgelehnt worden, käme es keinem Bundesrat in den Sinn, das gleiche Anliegen unter dem Titel «Ausdehnung des Rentenübertrittes um zwei Jahre über den geltenden Zeitpunkt hinaus» dem Volk erneut vorzulegen.
Vielleicht ist es ja eine gute Idee, die alten Nationalstaaten in Europa abzuschaffen und die Vereinigten Staaten von Europa zu gründen. Doch wenn die Idee so gut wäre, müssten sich dafür Mehrheiten finden. Dass in Europa fast nirgendwo je darüber abgestimmt worden ist, nährt den Verdacht, dass die Politiker ahnen, dass die Bürger es nicht wollen. Es ist eine schlechte alte Tradition in der EU, nicht darüber zu reden, wohin die Reise geht. Schwindeln, ablenken, verwedeln, vertagen heissen die Maximen. Die Verfassung, die das Ziel offen deklarierte, war ein Ausrutscher, der nun rasch vergessen werden soll.
Quelle
und niemand hats gecheckt....
Schwindel als Staatsräson
Die EU gibt sich keine neue Verfassung, sondern einen neuen Vertrag, der fast alles bringt, was in der Verfassung stand, aber nicht so heisst.
Am Ende haben sich die Polen als die nützlichsten Europäer erwiesen. Ihr grimmiger Kampf um ein paar Stimmen im Ministerrat hat perfekt davon abgelenkt, was die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedländer der Europäischen Union am vergangenen Samstag wirklich beschlossen haben. Während der Öffentlichkeit das Spektakel eines Gipfels der letzten Chance geboten wurde, wo man mit Argumenten aus dem Zweiten Weltkrieg focht, wo es zu- und herging, als ob die Deutschen kurz vor dem Einmarsch nach Schlesien stünden, kassierte die EU unbemerkt zwei Volksentscheide. Epochale Volksentscheide. Mit grossen Mehrheiten hatten die Franzosen und die Niederländer vor zwei Jahren die EU-Verfassung abgelehnt. Wie immer, wenn es etwas rumpelt, spielte die EU danach auf Zeit und verordnete sich eine Denkpause, um ein paar Jahre später, als wäre nichts geschehen, mit dem gleichen Vorschlag anzutreten.
Tatsächlich hat die EU zwar einige Bezeichnungen geändert, ein paar allzu verständliche Etiketten ausgetauscht, um sie mit unklaren Begriffen zu ersetzen: In der Substanz wird der neue Reformvertrag all das bringen, was die Verfassung vorsah. Trotz negativem Volksentscheid wird die EU also ein Staatsoberhaupt erhalten und eine eigene Rechtspersönlichkeit bilden, was es ihr wie einem normalen Land erlaubt, Verträge mit anderen Ländern abzuschliessen. Neuerdings wird es einen Aussenminister geben, den man zwar nicht mehr so nennt, sondern viel bescheidener «Hoher Repräsentant für Aussen- und Sicherheitspolitik», dessen Kompetenzen aber genau jenen entsprechen, welche die gescheiterte Verfassung ihm verleihen wollte. So kann der EU-«Aussenminister» im Namen von England im Uno-Sicherheitsrat sprechen, wenn es um eine Position geht, wo die EU sich einig ist. Für eine ehemalige Grossmacht ein unerhörter Souveränitätsverlust. Das wird unterstrichen durch den Aufbau eigener EU-Botschaften.
Abschaffung der Demokratie
Ebenso gilt in manchen Fragen im Ministerrat keine Einstimmigkeit mehr, was es den Bürgern der Mitgliedstaaten noch schwerer macht, Regierungen für ihre Entscheide in Brüssel verantwortlich zu machen. Es vertieft den Mangel an Demokratie in der EU. Ein Beispiel, wie es der ehemalige deutsche Bundespräsident und Verfassungsrichter Roman Herzog unlängst beschrieben hat, mag das verdeutlichen: Wenn ein Umweltminister sich heute in seiner Regierung nicht durchsetzt und im nationalen Parlament keine Mehrheit findet, geht er mit Vorliebe nach Brüssel, um sein Anliegen im Rat der EU-Fachminister beschliessen zu lassen. Ist dies geschehen, kommt er mit einer EU-Direktive zurück, die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss. So wird die parlamentarische Demokratie ausgehebelt. Der von Einspruch unbehelligte Transfer von Macht nach Brüssel hält unvermindert an.
Die europäische Verfassung war der rare Versuch der EU-Politiker, ehrlich zu sein und den Bürgern klarzumachen, worum es geht. «Verfassung»: Hier erkennt jeder Bürger, dass das Fernziel der EU ein neuer, grösserer Staat ist, der die alten Nationalstaaten ablöst. «Aussenminister»: Dieses Wort steht für eine der ureigensten Domänen eines souveränen Landes. Eine eigene Hymne, eine Europa-Flagge: Solche Symbole offenbarten den Anspruch der EU. Die Ehrlichkeit zahlte sich für die ehrgeizigen EU-Politiker nicht aus. Zwar wird da und dort behauptet, man wisse nicht so genau, warum die Franzosen und die Niederländer die Verfassung abgelehnt hätten: Vielleicht haben sie sie nicht verstanden, die Globalisierung schreckte sie auf, womöglich passte ihnen die eigene Regierung nicht mehr. Doch in den Konsequenzen, die die EU zog, zeigt sich, dass die Politiker genau wissen, was die Bürger abschreckte. Sorgfältig wurden alle Hinweise auf einen Superstaat entfernt, keine Flagge, keine Hymne, keine verfänglichen Begriffe, keine klare Sprache mehr. Gleichzeitig lassen die Politiker erkennen, was sie vom Bürger halten: nichts. Eine normale demokratische Regierung wäre nach solchen Volksentscheiden über die Bücher und hätte eine substanziell veränderte Vorlage präsentiert. Wenn überhaupt. Wäre in der Schweiz eine -Erhöhung des AHV-Alters auf 67 in einer Volksabstimmung abgelehnt worden, käme es keinem Bundesrat in den Sinn, das gleiche Anliegen unter dem Titel «Ausdehnung des Rentenübertrittes um zwei Jahre über den geltenden Zeitpunkt hinaus» dem Volk erneut vorzulegen.
Vielleicht ist es ja eine gute Idee, die alten Nationalstaaten in Europa abzuschaffen und die Vereinigten Staaten von Europa zu gründen. Doch wenn die Idee so gut wäre, müssten sich dafür Mehrheiten finden. Dass in Europa fast nirgendwo je darüber abgestimmt worden ist, nährt den Verdacht, dass die Politiker ahnen, dass die Bürger es nicht wollen. Es ist eine schlechte alte Tradition in der EU, nicht darüber zu reden, wohin die Reise geht. Schwindeln, ablenken, verwedeln, vertagen heissen die Maximen. Die Verfassung, die das Ziel offen deklarierte, war ein Ausrutscher, der nun rasch vergessen werden soll.
Quelle
und niemand hats gecheckt....