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Insight: Der Film-Workflow der Coen-Brüder

Felix Rieseberg

̈Öhringer Blutstreifling
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"No Country for Old Men" hat die Jury der renommierten Academy Awards beeindruckt: Mit immerhin vier Oscars konnte die Crew nach Hause gehen. Der Film machte auch Schlagzeilen, weil es der erste Oscar-prämierte Film ist, der komplett mit Appleprodukten postproduziert wurde. Dabei interessant: Die Coen-Brüder, die hauptverantwortlich hinter dem Film standen, beschreiben sich selber bei weitem nicht als computerversiert.

Die Brüder haben sowohl beim Drehbuch als auch beim eigentlichen Dreh einen sehr eigenen Stil - ähnlich branchenfremd verfahren sie auch in der Postproduktion. Die Beiden arbeiten grundsätzlich zusammen, erscheinen im Abspann aber unter dem Pseudonym "Roderick Jaynes". Noch bis vor kurze Zeit kamen dabei ganz klassische Werkzeuge zum Einsatz: Ethan hat die Szenen mit einer Moviola begutachtet und markiert, Joel setzte die einzelnen Stücke dann mit einem KEM Flatbed Schnitttisch wieder zusammen.

[float=left] [/float]Mit dem Film "Intolerable Cruelty" im Jahr 2003 erreichte das digitale Zeitalter dann auch die Brüder: Mithilfe von Apple und Dave Diliberto, dem Direktor der Postproduktion unter den Brüdern, wurde eine Arbeitsumgebung geschaffen, die den eigentlichen Workflow der Filmgenies so weit wie möglich nachahmt. Zwei PowerMac G5 wurden mit simplen Ethernet vernetzt und mit Final Cut 6.0 ausgestattet. Auch wenn schon simpelste Aufgaben die Brüder vor ein Hindernis stellten, so war man sich nach "Intolerable Cruelty" sicher: "Wir arbeiten auf die gleiche Art und Weise wie vorher mit Moviola und KEM." Doch das Setup war bei weitem noch nicht ausgereift: Anstatt auf eine moderne Vernetzungstechnik zu setzen, wurde die Projektdatei immer abwechselnd hin- und herkopiert. Wenn einer der Brüder mit seinem Job fertig war, wurde eine kleine Tischklingel in der Mitte des Raums betätigt, die dem anderen signalisierte, dass er sich die Datei wieder herüberkopieren könne - wirklich viel geredet wurde offensichtlich auch nicht. Insgesamt nicht wirklich auf der Höhe der Zeit - das war allen Beteiligten klar. Für "No Country for Old Men" wurde das Setup um einen Apple XServe erweitert, welche mithilfe des Dateisystems Xsan eine "echte" Teamarbeit ermöglichte: Anstatt Dateien immer wieder auf den jeweils anderen Computer zu kopieren, griffen nun beide auf die gleichen, zentral gespeicherten Daten zu.

[float=right] [/float]Der eigentliche Workflow ging über viele Ecken: Die tagsüber auf 35mm-Film geschossenen Bilder wurden zunächst in Sonys HDCAM-Format sowie in Panasonics HD-Format DVCPRO HD gespeichert und anschließend auf FireWire-Festplatten in das Schnittstudio geschickt. Um den Aufwand zu minimieren, wurden gleichzeitig D-VHS-Kasetten produziert, die den gedrehten Film in einer ähnlich guten Qualität wie digitalem Fernsehen speichern und dem gesamten Team eine schnelle Übersicht über das bereits abgedrehte Material liefern. Wenn es anschließend darum ging, Material ersten Zuschauern zu präsentieren, wurden mit Final Cut Pro DVCPRO HD QuickTime-Dateien exportiert, die dann in einem extra Studio in HDCAM-Dateien umgewandelt wurden. Als der eigentliche Schnitt abgeschlossen war, erstellte die erste Schnittassistentin Katie McQuerrey so genannte "Edit Decision Lists", kurz EDLs, welche zusammen mit den QuickTime-Dateien in ein externes Studio geschickt wurden, um dort wieder Filmrollen zu erstellen.

Momentan arbeiten die Brüder bereits an ihrem nächsten Film, "Burn after Reading". Auch hier sind sie wieder einen technischen Schritt weiter gegangen und nutzen nun die neue Videoenkodierung Apple ProRes 4:2:2, welcher eine bessere Bildqualität liefert. Auch eine Betaversion des bislang noch nicht veröffentlichten Final Cut Server kommt zum Einsatz. Doch auch die Brüder sind nicht mit Apple verheiratet: Bei allem Lob gestehen sie dann doch, dass sie trotz Werbung für Apple Color nicht alles nutzen: "Bislang hat Apple Color noch keine Rolle gespielt. [...] Computer sind fast zu perfekt. Einer der spaßigen Teile der klassischen Filmbearbeitung war es, am Boden des Mülleimers den einen Clip wiederzufinden, den du doch wieder im Film haben wolltest. Wir vermissen diese Art der Unvorhersagbarkeit mit dem nichtlinearen digitalem Schnitt.

Bilder: Apple
 

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AgentSmith

Hochzeitsapfel
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Eine Tischklingel.. ich werd nicht mehr! :D
Sehr interessanter Artikel, die Coens sind einfach klasse!
 

Felix Rieseberg

̈Öhringer Blutstreifling
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flauschiii

Tokyo Rose
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Sehr interessanter Einblick, davon darf es ruhig mehr geben :)
 

baldmacuser

Cripps Pink
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Hmm, aber mittlerweile sidn die Powermacs Mac Pro's gewichen ?! ;) Sehr interessant !
 

groove-i.d

Rote Sternrenette
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danke felix!
ichfreue mich sowieso schon auf den film, weil ich die arbeit der beiden brüder sehr schätze!
 

Wahnsinniger

Gast
also wenn man ein grading mit color macht, schauts auch dementsprechend aus, aber bitte...
 

kingoftf

Lambertine
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694
Spitzenfilm, echt sehenswert, vor allem "unser" Killer hier von Gran Canaria, Javier Bardem, sieht zum Schreien aus mit seiner hippen Frisur und den netten Gerätschaften zum Rummetzeln....
 

groove-i.d

Rote Sternrenette
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Einer der spaßigen Teile der klassischen Filmbearbeitung war es, am Boden des Mülleimers den einen Clip wiederzufinden, den du doch wieder im Film haben wolltest. Wir vermissen diese Art der Unvorhersagbarkeit mit dem nichtlinearen digitalem Schnitt.

übrigens eine wichtige einsicht! bei allen vorzügen der digitalen bearbeitung von dateien, bleibt der reiz des analogen produzierens bestehen: seine einzigartigkeit, seine grenzen und einschränkungen, ...
ich komme täglich in der musik mit diesem phänomen in berührung und merke, daß digitales editieren oft grenzenlos scheint und ich mich am ende gewissermaßen überfordert fühle. manchmal entsteht der eindruck, als werde man von der technischen verfügbarkeit doch stark beeinflußt, wenn nicht gar beeinträchtigt.
damit wir uns nicht falsch verstehen: es gibt durchaus auch vorzüge!


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http://www.apfeltalk.de/forum/no-country-4-a-t132646.html#post1280838
 
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